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Verhaltenstherapie
Ver|hạl|tens|the|ra|pie 〈f. 19Psychotherapie zur Behandlung von Verhaltensstörungen

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Ver|hạl|tens|the|ra|pie, die:
Psychotherapie, die Verhaltensstörungen beeinflussen soll.

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Verhaltens|therapie,
 
englisch Behavior-Therapy [bɪ'heɪvjə 'θerəpɪ], psychotherapeutische Richtung mit Wurzeln in den Lerntheorien, der experimentell und empirisch ausgerichteten Verhaltenspsychologie sowie der Kognitionspsychologie. Davon ausgehend, dass Verhaltensstörungen erworben, d. h. von Lernprozessen abhängig sind, liegen die Ziele im Abbau gestörter Verhaltensstrukturen und (wenn nötig) im Aufbau erwünschten Verhaltens, meist auf der Grundlage einer zuvor erfolgten Verhaltensanalyse.
 
Die Anfänge der Verhaltenstherapie gehen auf den Behavioristen J. B. Watson zurück, der auf der Grundlage der reflexologischen Experimente von I. P. Pawlow eine Entwicklung in Gang setzte, die in den 1950er- und 60er-Jahren, v. a. durch Anstöße aus Südafrika (J. Wolpe; Arnold A. Lazarus, * 1932), Großbritannien (M. B. Shapiro, H. J. Eysenck) und den USA (B. F. Skinner), eine vielgestaltige, sich deutlich von der Psychoanalyse und humanistischen Therapien abgrenzende Form der Psychotherapie hervorbrachte. Die ursprünglichen, auf dem klassischen und operanten Konditionieren aufbauenden methodischen Vorgehensweisen erfuhren in den 60er- und 70er-Jahren Weiterungen durch das Imitations- oder Modelllernen (in der Therapie in Form von Rollenspielen; A. Bandura), durch die Idee des Selbstmanagements, v. a. aber durch die »kognitive Wende«, die zu der Konzeption der »kognitiven Verhaltenstherapie« führte, d. h. zu einer Einbeziehung der Gedanken, Fantasien und Vorstellungen in den therapeutischen Prozess (Bandura; Albert Ellis mit seiner rational-emotiven Therapie). Dadurch wurde die ursprüngliche, am beobachtbaren Verhalten ausgerichtete Verhaltenstherapie allmählich für die Integration anderer Denkansätze offener. Zunehmend wurden Konzepte wie therapeutischer Widerstand oder die Bedeutung der Therapeut-Patient-Beziehung diskutiert. Auch erweiterte sich der interdisziplinäre Charakter der Verhaltenstherapie. Diese zum Teil kritisch betrachtete Entwicklung hat die Frage nach dem Selbstverständnis der Verhaltenstherapie erneut aufgeworfen.
 
Zu den empirisch bewährten Therapietechniken der Verhaltenstherapie gehören systematische Desensibilisierung, Reizüberflutung, Token-Ökonomie, Biofeedback, Aversionstherapie, Kontingenzmanagement, Selbstsicherheitstraining, verdeckte Konditionierung (mentales Üben von Zielerreichung, bei dem Ereignissequenzen und affektive Reaktionen trainiert werden, um z. B. besser mit realen Angst- und Stresssituationen umgehen zu können), Problemlösetraining, Selbstregulations- und Selbstinstruktionsmethoden (Beschäftigung mit den veränderungsschaffenden Gedanken und Vorstellungen als Grundlage des Verhaltens), kognitive Restrukturierungen (irrationale Denkstile, wie sie z. B. einer Tendenz zu willkürlichen Schlussfolgerungen zugrunde liegen, sollen erkannt und zugleich angemessenes Denken geübt werden).
 
Hauptanwendungsfelder der Verhaltenstherapie liegen in der Behandlung von Ängsten, Zwängen, Depressionen, Autismus, Süchten, Sexualstörungen und im Rahmen der »Verhaltensmedizin« in der klinischen Versorgung von physisch Erkrankten. Auch die Gemeindearbeit, Erziehungsberatung, Sozialtherapie und Schule haben die Verhaltenstherapie aufgegriffen. Im Vergleich zu anderen Therapien zeichnet sich die Verhaltenstherapie durch Verzicht auf globale Therapieziele zugunsten möglichst konkreter therapeutischer Lernziele aus. Neben psychoanalytisch beziehungsweise tiefenpsychologisch begründeten Verfahren ist in Deutschland die Verhaltenstherapie (seit 1987) als Einzel- und Gruppenverfahren an der psychotherapeutischen Versorgung im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung beteiligt.
 
Organisiert sind die verhaltenstherapeutisch arbeitenden Diplom-Psychologen und Ärzte in Deutschland seit 1968 in der Gesellschaft zur Förderung der Verhaltenstherapie (GVT), 1976 in Deutsche Gesellschaft für Verhaltenstherapie (DGVT) umbenannt, ferner im Deutschen Fachverband für Verhaltenstherapie (DVT) und in der Deutschen ärztlichen Gesellschaft für Verhaltenstherapie (DÄVT).
 
Literatur:
 
A. Schorr: Die V. Ihre Gesch. von den Anfängen bis zur Gegenwart (1984);
 
Cognitive behavior therapy for psychiatric problems. A practical guide, hg. v. K. Hawton u. a. (Oxford 1989, Nachdr. ebd. 1990);
 
International handbook of behavior modification and therapy, hg. v. A. S. Bellack u. a. (New York 21990);
 F. H. Kanfer u. a.: Selbstmanagement-Therapie (1991);
 
Verhaltenstherapeut. Psychosomatik, hg. v. R. Meermann u. W. Vandereycken (21996);
 
V., hg. v. M. Linden u. M. Hautzinger (31996).

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Ver|hạl|tens|the|ra|pie, die: Psychotherapie, die Verhaltensstörungen beeinflussen soll.

Universal-Lexikon. 2012.