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analytische Philosophie
analytische Philosophie,
 
ein besonders im angloamerikanischen Bereich seit den 30er-Jahren des 20. Jahrhunderts gebräuchlicher Name für eine neue Phase in der Entwicklung des Neopositivismus. Anstöße erhielt die analytische Philosophie von G. Frege, B. Russell, G. E. Moore sowie dem Wiener Kreis (mit R. Carnap). Charakteristisch für sie ist, dass sie die philosophische Analyse als Sprachanalyse auffasst. Während man im älteren Neopositivismus noch davon ausging, dass eine von der formalisierten Logik geleitete Sprachkritik philosophischer Probleme entweder lösen oder als Scheinprobleme eliminieren würde, wird in der analytischen Philosophie die Idee einer Reinigung der Umgangssprache durch eine formalisierte Logik zunehmend fraglich.
 
Auf der einen Seite entwickelte sich im Anschluss an den späten L. Wittgenstein die Philosophie der natürlichen Sprache. Das Medium sprachanalytischer Kritik ist hier die Umgangssprache selbst (»ordinary language«) und deren eigene Logik (G. Ryle, J. L. Austin, P. F. Strawson). Der Anspruch der formalisierten oder mathematischen Logik, das einzige Kriterium der Rationalität zu sein, wird zurückgewiesen und ihr Wert allgemein in Zweifel gezogen. Geleitet von Gesichtspunkten der Rhetorik kommt es schließlich zu einer Kritik auch der nicht formalisierten formalen Logik (S. Toulmin). Die in der Wissenschaftsgeschichte entwickelte Kritik am Wissenschaftsideal des Neopositivismus (T. Kuhn) wird ebenfalls aufgegriffen. Auf der anderen Seite versucht die analytische Philosophie im engeren Sinn, die Ansprüche der formalisierten Logik zu verteidigen. Zugegeben wird, dass die grammatischen Strukturen der Umgangssprache und der Sprache der formalisierten Logik inkommensurabel sind. Trotzdem gilt, dass jene die einzig legitime Sprache der Wissenschaft ist. Man entwickelte hier zunächst einen konstruktiven Nominalismus (N. Goodman, W. V. O. Quine), der sich allerdings nicht durchhalten ließ. Ein Minimalbestand aus Universalien musste zugestanden werden. Charakteristisch für die Wissenschaftstheorie der angloamerikanischen analytischen Philosophie ist, dass sie offen für konventionalistische, instrumentalistische und pragmatistische Gesichtspunkte ist. Das unterscheidet sie vom älteren Neopositivismus, der am Verifikationsprinzip festhält, ebenso wie vom kritischen Rationalismus (K. Popper), der am Falsifizierbarkeitskriterium orientiert ist. Nach der erfolgreichen Kritik an der Wissenschaftstheorie der analytischen Philosophie durch der Wissenschaftsgeschichte entnommene Gesichtspunkte (T. Kuhn) kommen in der postanalytischen Phase besonders die pragmatistischen Motive, die sich nun auch mit hermeneutischen verbinden (R. Rorty), noch mehr zur Geltung.
 
Von entscheidender Bedeutung für die Entwicklung der analytischen Philosophie ist seit der Mitte des 20. Jahrhunderts das Auftreten der nachklassischen modalen Logiken. Nachdem man die These aufgestellt hatte (R. Carnap), dass man in der Wissenschaftstheorie doch nicht ohne den Begriff der analytischen Wahrheit (Analyse) auskommen könne und dass dieser Begriff in einer modalen Logik präzis formuliert werden könne, wurden in den folgenden Jahrzehnten streng formalisierte Systeme für die modale Logik entwickelt (R. Barcan, D. Kaplan, S. Kripke, R. Stalnaker, D. K. Lewis). Es zeigte sich aber auch, dass die so weiterentwickelte formalisierte Logik wider Erwarten in der Lage war, umgangssprachliche Probleme, die die klassisch formalisierte Logik nicht lösen konnte, in den Griff zu bekommen. Das Programm einer vollständigen Rekonstruktion der Umgangssprache in einer formalisierten Sprache rückte in Reichweite (R. Montague). Aber auch Versuche in dieser Richtung, die mithilfe der klassischen Logik vorgenommen wurden, haben Anerkennung gefunden. Die neue »philosophische Logik« wird deshalb als eigentliche Erbin der analytischen Philosophie angesehen.
 
Literatur:
 
Philosophical analysis, hg. v. M. Black (Ithaca, N. Y., 1950);
 
Essays on logic and language, hg. v. A. G. N. Flew, 2 Bde. (Oxford 1951-53);
 
Philosophy and analysis, hg. v. M. Macdonald (ebd. 1954);
 A. Pap: Analyt. Erkenntnistheorie (Wien 1955);
 J. O. Urmson: Philosophical analysis (London 1956);
 M. J. Charlesworth: Philosophy and linguistic analysis (Pittsburgh, Pa., 1959);
 E. Gellner: La philosophie analytique (Paris 1962);
 
Contemporary readings in logical theory, hg. v. I. M. Copi u. J. A. Gould (New York 1967);
 E. von Savigny: A. P. (1970);
 E. von Savigny: Die Philosophie der normalen Sprache (Neuausg. 1993);
 S. Haack: Philosophy of logics (New York 1978);
 
Readings in philosophical analysis, hg. v. H. Feigl u. W. Sellars (Atascadero, Calif., 1981).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
analytische Philosophie: Wendung zur Sprache
 

Universal-Lexikon. 2012.