Epistemologie
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Er|kẹnnt|nis|the|o|rie 〈f. 19; unz.〉 = Erkenntnislehre
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Er|kẹnnt|nis|the|o|rie, die <o. Pl.> (Philos.):
Teilgebiet der Philosophie, das sich mit der Frage nach den Bedingungen eines begründeten Wissens befasst.
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Erkenntnistheorie,
Epistemologie, Gnoseologie, im weiteren Sinn jede philosophische Bemühung um die Klärung des Erkenntnisproblems (Erkenntnis); im engeren Sinn die im 19. Jahrhundert entstandene Disziplin der Philosophie, die sich mit Wesen und Entstehung, Grenzen und Kennzeichen der Erkenntnis beschäftigt.
Während die Philosophie sich schon von Anbeginn mit dem Erkenntnisproblem befasst hat, beginnt die Erkenntnistheorie i. e. S. mit der methodologischen Entscheidung, die Frage nach der Erkenntnis unabhängig von der Frage nach dem Sein zu behandeln. Das Vorbild hierfür sah man in der Erkenntniskritik I. Kants, für die auf »Bedingungen der Möglichkeit« zielende Fragen und erkenntnisbegrenzende Fragestellungen charakteristisch sind. Die Erkenntnistheorie verschiebt damit das Schwergewicht auf Methodenfragen. Sie umfasst die Teilgebiete Logik, Sprachphilosophie, Wissenschaftstheorie und Hermeneutik.
Im 20. Jahrhundert wurde die Erkenntnistheorie v. a. in der analytischen Philosophie von der Wissenschaftstheorie als der logischen Analyse von Theorien der Erfahrungswissenschaften verdrängt. Da aber Philosophie und speziell auch Wissenschaftstheorie auf Erkenntnissen beruhen, stellt dies nach Ansicht der Anhänger einer Erkenntnistheorie das Bedingungsverhältnis beider Disziplinen auf den Kopf. Auch der Versuch, die Frage »Wie kommt Erkenntnis zustande?« an die empirische Psychologie zu delegieren, ist aus demselben Grunde untauglich. Erkenntnistheorie soll eine nichtempirische, von Logik und Mathematik wohl unterschiedene Wissenschaft sein. Als ihre Methode kommt die von Kant entwickelte »transzendentale« infrage.
Für das Zustandekommen von Erkenntnis gewinnt das Zusammenspiel von Wahrnehmung und Denken zentrale Bedeutung. Was können unsere Wahrnehmungen, die doch oft trügerisch sind (Skeptizismus), über die Welt aussagen? Von alters her wurden Abbildtheorien für die Wahrnehmung (das Wahrgenommene ist ein Abbild des Wahrzunehmenden) vorgeschlagen. Daneben traten später Deutungs- und Schlusstheorien (das Wahrgenommene wird aus Sinnesdaten logisch geschlossen oder erdeutet).
Die Frage »Wie lässt sich die Wahrheit einer Aussage feststellen?« versuchen die Wahrheitstheorien zu beantworten; die Frage »Was ist der Träger der Wahrheit?« kennt drei grundsätzliche Antworten: den Fundamentalismus, der sich am Vorbild der euklidischen Geometrie orientiert, die Kohärenztheorie und den Holismus. Der Fundamentalismus behauptet, dass sich alle wahren Aussagen durch logische Analyse auf einige wenige »Urwahrheiten« (F. L. G. Frege) - deren Wahrheit meist abbildungstheoretisch gefasst wird - zurückführen lassen müssen. Die Kohärenztheorie sieht das Kriterium für Wahrheit im kohärenten Sicheinfügen in den bereits vorhandenen Bestand von Sätzen. Eine Auszeichnung fundamentaler Prinzipien ist willkürlich (Konventionalismus), aber denkökonomisch. Der Holismus geht davon aus, dass sich die Wahrheitsfrage für einzelne Aussagen überhaupt nicht sinnvoll stellen lässt. Nur ganze Theorien können wahr oder falsch sein.
Der Terminus »Erkenntnistheorie« (ebenso wie »Wissenschaftstheorie«) taucht gegen Ende des 19. Jahrhunderts auf (z. B. bei E. Dühring). Einen Vorläufer kann man in der »Wissenschaftslehre« J. G. Fichtes sehen. Der Neukantianismus hat dann das Programm der Erkenntnistheorie als einer nichtempirischen Fundamentaldisziplin ausgebaut. Es wurde zentral für sein Selbstverständnis (E. Cassirer, »Das Erkenntnisproblem in der Philosophie und Wissenschaft der neueren Zeit«, 4 Bände, 1906-57). Während Cassirer an Kant und dessen transzendentale Methode anknüpfte, versuchte E. Husserl die kartesische Tradition fortzusetzen (»Cartesianische Meditationen«, 1936). In den angelsächsischen Ländern sind neben dem kritischen Rationalismus (K. R. Popper) und dem logischen Empirismus (R. Carnap), die beide das Unternehmen einer Erkenntnistheorie ablehnen, vom Pragmatismus ausgehende Bemühungen um eine Neubelebung der Erkenntnistheorie bedeutsam (N. Goodman, W. V. O. Quine). Letztere werden in kritischer Auseinandersetzung von der Erlanger Schule in Deutschland wieder aufgegriffen (F. Kambartel, J. Mittelstrass, Kuno Lorenz). G. Prauss versucht, den transzendentalen Ansatz fortzuführen. Umstritten ist die evolutionäre Erkenntnistheorie, die das Erkenntnisproblem mit naturwissenschaftlichen Vorstellungen lösen will.
H. Cohen: Werke, Bd. 6: Logik der reinen Erkenntnis (21914, Nachdr. 1977);
W. Stegmüller: Probleme u. Resultate der Wissenschaftstheorie u. analyt. Philosophie, Bd. 4 (1973);
E. Husserl: Cartesian. Meditationen (1977);
Erkenntnis u. Sein, hg. v. B. Wisser, Bd. 1: Epistemologie (1978);
W. Leinfellner: Einf. in die Erkenntnis- u. Wissenschaftstheorie (31980);
Neukantianismus. Texte der Marburger u. der Südwestdt. Schule, ihrer Vorläufer u. ihrer Kritiker, hg. v. H.-L. Ollig (1982);
P. Lorenzen: Lb. der konstruktiven Wissenschaftstheorie (1987);
G. Prauss: Einf. in die E. (31993);
W. V. O. Quine: Wort u. Gegenstand (a. d. Engl., Neudr. 1993);
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Er|kẹnnt|nis|the|o|rie, die <o. Pl.> (Philos.): Teilgebiet der Philosophie, das sich mit der Frage nach den Bedingungen eines begründeten Wissens befasst.
Universal-Lexikon. 2012.