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Freie Demokratische Partei
FDP; Liberale

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Freie Demokratische Partei,
 
Abkürzung FDP, seit 1968/69 parteioffiziell F. D. P., politische Partei, gegründet im Dezember 1948, entwickelte sich in der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West) sowie seit 1990 im geeinten Deutschland zu einer einflussreichen politischen Kraft.
 
Programmatik:
 
Zunächst diente die »Heppenheimer Proklamation« (11./12. 12. 1948) als programmatische Basis. In ihrem »Berliner Programm« (24.-26. 1. 1957) wandte sich die FDP gegen sozialistische, besonders gegen marxistische Gesellschaftsmodelle und betonte die laizistischen Traditionen des deutschen Liberalismus. Gegenüber wirtschaftspolitischem Interventionismus hob sie die soziale Marktwirtschaft, gegenüber wohlfahrtsstaatlicher Zielsetzungen die Privatinitiative hervor. In den Freiburger Thesen (Oktober 1971) gab sie sich ein reformorientiertes, einem »sozialen Liberalismus« verpflichtetes Profil. Mit den »Kieler Thesen« (November 1977) zog sie jedoch wieder schärfer die Grenzen zu sozialistischen Vorstellungen. Das in Saarbrücken beschlossene »Liberale Manifest« (23./24. 2. 1985) verstärkte die wirtschaftsliberalistische programmatische Profilierung. Im Juni 1996 wurde in Karlsruhe ein neues Grundsatzprogramm (v. a. zur Verringerung des Einflusses des Staates) diskutiert und beschlossen, es 1997 als »Wiesbadener Programm« anzunehmen.
 
Organisation:
 
Höchstes Beschlussorgan der Partei ist der Parteitag, maßgebliches Führungsorgan der Bundesvorstand, an dessen Spitze der Bundesvorsitzende steht: 1948-49 T. Heuss, 1949-54 F. Blücher, 1954-57 T. Dehler, 1957-59 R. Maier, 1960-68 E. Mende, 1968-74 W. Scheel, 1974-85 H.-D. Genscher, 1985-88 M. Bangemann, 1988-93 O. Graf Lambsdorff, 1993-95 K. Kinkel, 1995-2001 W. Gerhardt, ab 2001 G. Westerwelle. Seit 1968 existiert ein Parteipräsidium, seit 1971 ein Generalsekretär: u. a. 1971-73 K.-H. Flach, 1978-82 (Rücktritt) G. Verheugen, 1984-88 H. Haussmann, 1988-91 Cornelia Schmalz-Jacobsen (* 1934), 1991-93 Uwe Lühr (* 1949), 1993/94 Werner Hoyer (* 1951), 1994-2001 G. Westerwelle, ab 2001 Cornelia Piper.
 
Nach der Trennung von den Jungdemokraten (1982) wurden die Jungen Liberalen als Jugendorganisation der FDP anerkannt (Januar 1983). Parteinahe Stiftung ist die Friedrich-Naumann-Stiftung (gegründet 1958).
 
Geschichte:
 
Zwischen Juni 1945 (Gründungsaufruf) und November 1946 (Koordinierungsausschuss, Thesen für ein Programm) entstanden in den Besatzungszonen Deutschlands auf Landesebene unter verschiedenen Namen liberale Parteien (u. a. »Demokratische Volkspartei« [DVP]), die v. a. an die »Deutsche Demokratische Partei« (DDP) und die »Deutsche Volkspartei« (DVP) anzuknüpfen suchten; Spannungen zwischen stärker »nationalliberal« orientierten Landesverbänden (v. a. in Hessen unter August Martin Euler [* 1908, ✝ 1966] und in Nordrhein-Westfalen, u. a. F. Blücher) sowie »Demokratisch-Liberalen« (v. a. in Württemberg-Baden, R. Maier) bestanden bis Anfang der 50er-Jahre. Auch danach führte das Ringen der unterschiedlichen Strömungen des Liberalismus zu Spaltungstendenzen und Abspaltungen (u. a. 1956 der »Freien Volkspartei«, Abkürzung FVP).
 
Nachdem sich die in der SBZ am 5. 7. 1945 gegründete Liberal-Demokratische Partei Deutschlands 1947/48 der von der SED gesteuerten »Volkskongressbewegung« angeschlossen hatte und deshalb auch die zonenübergreifende Kooperation in der im März 1947 gebildeteten »Demokratischen Partei Deutschlands« gescheitert war (Januar 1948), vereinigten sich die liberalen Parteien der Westzonen unter T. Heuss in Heppenheim (Bergstraße) zur FDP (11./12. 12. 1948).
 
Nach den ersten Bundestagswahlen (14. 8. 1949), bei denen sie 11,9 % der Stimmen gewonnen hatte, suchte sich die FDP als »dritte Kraft« zwischen CDU/CSU und SPD zu behaupten. Mit T. Heuss stellte sie den ersten Bundespräsidenten (Wahl am 12. 9. 1949); im September 1949 schloss sie sich der von Bundeskanzler K. Adenauer (CDU) geführten Regierungskoalition an, verließ sie jedoch 1956 nach einer Kontroverse mit Adenauer über die Behandlung der Saarfrage im Rahmen der Westintegration. Mit dem Slogan »mit der CDU ohne Adenauer« errang die FDP 1961 einen hohen Wahlerfolg (12,8 %; 1957: 7,7 %), sah sich jedoch in der Öffentlichkeit einer starken Kritik gegenübergestellt, als sie doch in ein (auf zwei Jahre befristetes) Kabinett Adenauer eintrat (Vorwurf des »Umfalls«); 1963-66 gehörte sie der Regierung Erhard (CDU) an. In der Zeit der großen Koalition 1966-69 stand sie in der Opposition. Ab um 1967 setzten sich die sozialliberalen Strömungen innerparteilich durch (K.-H. Flach, W. Maihofer, W. Scheel) und führten nach der Bundestagswahl von 1969 (5,8 % der Stimmen für die FDP) zur Bildung einer Koalition mit der SPD, die nach den Wahlen von 1972, 1976 und 1980 erneuert wurde. In der Koalition verstand sich die FDP besonders als entschiedener Verfechter der Marktwirtschaft.
 
Außenpolitisch trug die FDP sowohl die von Adenauer (CDU) eingeleitete Politik der Westintegration der Bundesrepublik Deutschland als auch die von W. Brandt (SPD) 1969/70 begonnene Vertragspolitik gegenüber der UdSSR und der von ihr geführten Staatenwelt im östlichen Europa mit (»neue Ostpolitik«). Der Abschluss der Ostverträge löste den Partei- und Fraktionswechsel von FDP-Abgeordneten zur CDU/CSU aus (u. a. E. Mende).
 
Zu Beginn der 80er-Jahre kam es zu wachsenden Spannungen mit dem Koalitionspartner SPD, besonders in wirtschafts- und finanzpolitischen Fragen (eingeleitet mit einem Brief H.-D. Genschers vom 20. 8. 1981 zur politischen »Wende« und forciert durch das »Lambsdorff-Papier« vom 9. 9. 1982); sie führten am 17. 9. 1982 zum Bruch der Koalition. Das von der Mehrheit der FDP-Abgeordneten im Deutschen Bundestag mitgetragene konstruktive Misstrauensvotum gegen Bundeskanzler H. Schmidt und die Wahl H. Kohls (CDU) zum Bundeskanzler, in dessen Regierung sie eintrat (1. 10. 1982), stellte die FDP vor eine Zerreißprobe. Der Parteitag von Berlin (West) am 5.-7. 11. 1982 bestätigte den Koalitionswechsel; Kritiker traten zur SPD über (u. a. G. Verheugen, Ingrid Matthäus-Maier [* 1945]). Nach den Wahlen vom 6. 3. 1983 (7,0 % der Stimmen) und 25. 1. 1987 (9,1 %) trat die FDP erneut in eine Koalition mit der CDU und CSU. Nach der »nationaldemokratischen« Revolution in der DDR im Herbst 1989 unterstützte sie die energische Politik der CDU zur Herbeiführung der deutschen Einheit.
 
Auf dem Parteitag in Hannover am 12. 8. 1990 vereinigte sich die FDP mit den liberalen Organisationen der DDR (LDP, Deutsche Forumpartei [DFP; gegründet im Januar 1990], FDP der DDR [gegründet im Februar 1990]) zu einer gesamtdeutschen Partei unter dem Vorsitz von O. Graf Lambsdorff; außerdem schloss sich die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NDPD) der FDP an. Bei den ersten gesamtdeutschen Wahlen am 2. 12. 1990 gewann sie 11,0 % der Stimmen; zudem war sie in allen 16 Landesparlamenten vertreten. Spektakuläre Wahlniederlagen in 12 Ländern zwischen 1993 und 1999, besonders in den neuen Bundesländern, verstärkten vorübergehend die Profilierung innenparteilichen Strömungen (u. a. »Liberale Offensive«, »Freiburger Kreis«, »Forum Heppenheim«). Gestützt auf eine intensive Zweitstimmenkampagne (6,9 %), konnte die FDP auch nach den Bundestagswahlen vom 16. 10. 1994 die christlichliberale Koalition unter H. Kohl (CDU) fortsetzen. Nach dem Verlust der Regierungsmehrheit mit der CDU/CSU am 27. 9. 1998 (FDP: 6,2 %) ging sie in die Opposition. - In Baden-Württemberg (seit 1996 Koalition mit der CDU) und in Rheinland-Pfalz (seit 1991 Koalition mit der SPD) blieb die FDP an Landesregierungen beteiligt; 1990-94 bestand in Brandenburg eine so genannte »Ampel«-Koalition aus SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen, ebenso 1991-95 in Bremen.
 
Literatur:
 
Die FDP. Grundriß u. Materialien zu Gesch., Struktur u. Programmatik, hg. v. H. Kaack (31979);
 P. Lösche u. F. Walter: Die FDP. Richtungsstreit u. Zukunftszweifel (1996).

Universal-Lexikon. 2012.