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Nordrhein-Westfalen
NRW

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Nọrd|rhein-West|fa|len; -s:
deutsches Bundesland (Abk.: NRW).

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Nọrdrhein-Westfalen,
 
Land im Westen Deutschlands, 34 080 km2, (1999) 17,99 Mio. Einwohner; Hauptstadt ist Düsseldorf.
 
 Staat und Recht:
 
Verfassung:
 
Nach der Verfassung vom 28. 6. 1950 ist der Landtag gesetzgebendes Organ; er besteht aus mindestens 201 (derzeit 221) Abgeordneten und wird alle fünf Jahre gewählt. Ihm obliegt die Gesetzgebung, in die unter bestimmten Voraussetzungen auch die Bürger durch Volksbegehren und Volksentscheid eingreifen können. Aus der Mitte des Landtages wird der Ministerpräsident gewählt, der die Landesminister ernennt und entlässt sowie die Richtlinien der Politik bestimmt. Der Ministerpräsident ist vom Vertrauen des Parlaments abhängig; er kann nur durch ein konstruktives Misstrauensvotum gestürzt werden. Verfassungsstreitigkeiten entscheidet der Verfassungsgerichtshof in Münster. Die Verfassung enthält einen umfangreichen Grundrechtskatalog.
 
Wappen:
 
Im Landeswappen, seit dem 5. 2. 1948 gesetzlich vorgeschrieben und am 10. 3. 1953 bestätigt, kommt die Bildung des Landes 1946 aus drei historischen Gebieten zum Ausdruck: von der preußischen Rheinprovinz wurde der silberne Wellenbalken auf grünem Grund übernommen (Symbol für den Rhein); heraldisch links auf rotem Grund ein springendes, silbernes Ross (traditionelles Sinnbild von Westfalen); in der eingebogenen Spitze zwischen den beiden Teilwappen auf silbernem Grund eine fünfblättrige rote Rose (Wappenblume der Grafen beziehungsweise Fürsten von Lippe).
 
Verwaltung:
 
Nach der Gebietsreform (Abschluss 1975) umfassen die fünf (früher sechs) Regierungsbezirk Düsseldorf, Köln, Münster, Detmold und Arnsberg 31 Kreise (1970: 56), 23 kreisfreie Städte (1970: 35) und 396 Gemeinden (1969: 1 508). Die Landschaftsverbände Rheinland (Köln) und Westfalen-Lippe (Münster) nehmen überörtliche Aufgaben des Sozialwesens, der Kultur- und Landschaftspflege, des Straßenbaus und der Kommunalwirtschaft wahr.
 
Recht:
 
Die ordentliche Gerichtsbarkeit wird von drei Oberlandesgerichten (Düsseldorf, Hamm, Köln), 19 Landgerichten und 130 Amtsgerichten ausgeübt, die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom Oberverwaltungsgericht in Münster und sieben Verwaltungsgerichten, die Sozialgerichtsbarkeit vom Landessozialgericht in Essen und acht Sozialgerichten, die Arbeitsgerichtsbarkeit von den drei Landesarbeitsgerichten (Düsseldorf, Hamm, Köln) und 30 Arbeitsgerichten, die Finanzgerichtsbarkeit von drei Finanzgerichten in Köln, Düsseldorf und Münster.
 
 Landesnatur und Bevölkerung:
 
Landschaft:
 
Der größte Teil des Landes wird vom Norddeutschen Tiefland eingenommen, das mit der Niederrheinischen Bucht weit nach Süden in die Mittelgebirgsschwelle vordringt. Im Niederrheinischen Tiefland wechseln pleistozäne Schotterterrassen mit Moränenablagerungen; die Talaue ist von Altwasserarmen durchzogen. Daraus erhebt sich in der Niederrheinischen Bucht die aus tertiären Ablagerungen und tektonischen Schollen bestehende Ville. Die Westfälische Bucht, ein geologischer Becken aus der Kreidezeit, ist mit glazialen Sand- und Lehmablagerungen zu einer durchschnittlichen Höhe von 60 m über dem Meeresspiegel aufgefüllt; aus ihr ragen Baumberge und Beckumer Berge um über 100 m heraus. Sie wird im Osten und Nordosten begrenzt durch die kreidezeitlichen Schichtkammgebirge von Egge und Teutoburger Wald. Im Nordosten hat Nordrhein-Westfalen Anteil am Wiehengebirge u. a. Teilen des Weserberglandes.
 
Ein Lössstreifen (Börden) von Zülpich/Jülich bis Lippstadt begleitet den Nordrand des Rheinischen Schiefergebirges. Dieses ist größtenteils aus devonisch-silurischen Schichten aufgebaut; die im Norden darüber liegenden Schichten des Karbons treten an der mittleren Ruhr zutage. Der linksrheinische Teil des Rheinischen Schiefergebirges (die bis über 600 m über dem Meeresspiegel, durch zahlreiche Kalkmulden gegliederte nördliche Eifel und die Ausläufer des Hohen Venns) fällt im Norden allmählich zur Niederrheinischen Bucht ab. Rechts des Rheins erheben sich im Süden die Vulkankuppen des Siebengebirges. Mit Terrassen und Rumpftreppen steigt das Bergische Land, von einem dichten Gewässernetz zerschnitten, zu Höhen zwischen 200 und 500 m über dem Meeresspiegel an. Das nach Osten anschließende Sauerland, in dessen Rumpfflächen sich bei jüngeren Hebungen Bäche und Flüsse tief eingeschnitten haben, erreicht im Waldecker Upland 843 m (Langenberg), im Rothaargebirge (Kahler Asten) 841 m über dem Meeresspiegel. Südlich schließt das Siegerland an mit Höhen um 300-400 m über dem Meeresspiegel.
 
Der größte Teil des Landes wird zum Rhein (mit Lippe, Emscher, Ruhr, Wupper, Sieg, Erft) entwässert, der äußerste Westen durch Rur und Niers zur Maas, der Norden zur Ems, der Osten mit Werre und Diemel zur Weser. In den niederschlagsreichen Bergländern sind viele Flüsse zur Regulierung des Wasserhaushalts, zur Wasserversorgung der Ballungsgebiete, in geringerem Umfang auch zur Energieerzeugung gestaut.
 
Klima:
 
Das Klima ist atlantisch beeinflusst. Durchschnittstemperaturen in den Flachländern (Westfälische Bucht, Niederrhein) im Winter über dem Gefrierpunkt (etwa 1-2 ºC), im Sommer (Juli) bei 16-17 ºC; in den Mittelgebirgen niedrigere Temperaturen. Die Niederschläge sind über das ganze Jahr verteilt (leichtes Maximum im Sommer; in den Gebirgen ein ausgeprägtes zweites Maximum im Winter); im Tiefland 650-800, im Mittelgebirge stellenweise weit über 1 000 mm Niederschlag jährlich, in einzelnen Trockeninseln in Leelage der Eifel bei Euskirchen und Grevenbroich weniger als 600 mm, in den nach Westen exponierten Gebirgszügen (Rothaargebirge, Bergisches Land) über 1 200 mm Niederschlag (Kahler Asten 1 810, Lüdenscheid 1 530 mm). Im Sauerland, dem schneereichsten Gebiet Nordrhein-Westfalens, fallen über 25 % der Niederschläge als Schnee (über 100 Tage Schneedeckendauer).
 
Bevölkerung:
 
Stammbevölkerung sind Westfalen und Rheinländer. Im Ruhrgebiet entstand durch die Ansiedlung von Menschen v. a. aus Ost- und Westpreußen, aber auch aus Posen, Schlesien, Polen seit dem Ende des 19. Jahrhunderts bis in die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg eine Bevölkerung eigener Prägung. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Bevölkerungsstruktur durch den Zuzug von Vertriebenen und Flüchtlingen beeinflusst.
 
Nordrhein-Westfalen ist unter den Flächenstaaten Deutschlands das bevölkerungsreichste Land und hat die höchste Bevölkerungsdichte (1999: 528 Einwohner je km2). Schwerpunkt ist der Ballungsraum Rhein-Ruhr; schwach besiedelte Gebiete sind Eifel, Münsterland, Ostwestfalen und Sauerland. Nordrhein-Westfalen ist stark verstädtert (in den 24 Großstädten wohnen 48 % der Einwohner). In Nordrhein-Westfalen lebt mehr als ein Viertel der ausländischen Arbeitnehmer in Deutschland; die größte Gruppe der (1994) 1,9 Mio. Ausländer stellen die Türken.
 
Religion:
 
45,8 % der Bevölkerung gehören der katholischen Kirche an, 30,5 % einer evangelischen Landeskirche, über 1 % evangelischen Freikirchen. Nordrhein-Westfalen umfasst die katholischen Erzbistümer Köln und Paderborn, die Bistümer Aachen und Essen, den größeren Teil des Bistums Münster, die Territorien der Evangelischen Kirche von Westfalen, der Lippischen Landeskirche und einen Gebietsanteil der Evangelischen Kirche im Rheinland. Der Anteil der Muslime (v. a. türkischer Herkunft) beträgt über 3 %. Die jüdische Religionsgemeinschaft hat rd. 22 000 Mitglieder (neunzehn Gemeinden).
 
Bildungswesen:
 
Die vierjährige Grundschule wird als Gemeinschafts- oder Konfessionsschule geführt (circa 65 % der Grundschüler besuchen Gemeinschafts-, 32 % katholische und 3 % evangelische Grundschulen). Anschließend Wahl einer Schule des gegliederten Schulwesens (Hauptschule, Realschule und Gymnasium; bei allen bilden die Klassen 5 und 6 als Erprobungsstufe eine pädagogische Einheit, danach ist ein Wechsel der Schulart möglich) oder der integrierten Gesamtschule, die seit 1981 ebenfalls Regelschule und in der Regel eine Ganztagsschule ist. Seit 1979 beträgt die Schulpflicht zehn Jahre, d. h., Hauptschüler können in ihrer Schule, besondere Leistungen vorausgesetzt, wie Realschüler den mittleren Bildungsabschluss (Fachoberschulreife) erreichen und in die gymnasiale Oberstufe eintreten. Schüler, die in der Schulpflichtzeit den Hauptschulabschluss nicht erreicht haben, können dies durch Besuch der Vorklasse des Berufsgrundschuljahres nachholen, im Berufsgrundschuljahr eine (Sonderform der) Fachoberschulreife erwerben und in eine Berufsfachschule übergehen. Die Gesamtschulen haben ebenfalls gymnasiale Oberstufen, in der Sekundarstufe I bieten sie die gleichen Bildungsmöglichkeiten (und Abschlüsse) wie die Schulen des gegliederten Systems (es findet aber keine Zuordnung zu festen Bildungsgängen statt). Nach dem Abschluss der allgemein bildenden Schule (zehn Jahre) können die Schüler einen Beruf im dualen System (Betrieb/Berufsschule) erlernen oder einen beruflichen Vollzeitbildungsgang an einer zweiklassigen Fachoberschule oder einer zweijährigen (als Sonderformen bestehen ein- und dreijährige) Berufsfachschule oder einer zwei- oder dreijährigen höheren Berufsfachschule (die gleichzeitig den Zugang zur Fachhochschule öffnet) aufnehmen. Höhere Berufsfachschulen mit gymnasialer Oberstufe vermitteln die allgemeine Hochschulreife. Wird das Abitur ohne 2. Fremdsprache abgelegt (was auch an Gesamtschuloberstufen und Kollegs möglich ist), gilt es nur für Numerus-clausus-freie Studien an Universitäten des Landes Nordrhein-Westfalen. Die Kollegschule, die alle Schüler nach Abschluss der 10. Klasse besuchen können und die eine Verbindung von allgemeiner und beruflicher Bildung anbietet, wird derzeit mit den berufsbildenden Schulen zum Berufskolleg zusammengeführt. Ein weiteres Modell ist das Oberstufenkolleg. Etwa 6 % der Schüler besuchen private Schulen (Ersatzschulen) aller Ebenen. Auf Hochschulebene bestehen 16 Einrichtungen mit Universitätsrang: acht Universität (darunter eine Privatuniversität) und eine TH, sechs Gesamthochschulen-Universitäten (einschließlich der Fernuniversität-Gesamthochschule in Hagen) sowie die Sporthochschule Köln; ferner hat Nordrhein-Westfalen eine Kunstakademie, drei Hochschulen für Musik, deren Abteilungen auf sieben Städte verteilt sind, und die Folkwang-Hochschule Essen (mit einer weiteren Abteilung in Duisburg). Auf Fachhochschulebene bestehen zwölf Fachhochschulen (darunter eine evangelische und eine katholische) sowie drei Landesfachhochschulen. Es gibt zwei evangelische kirchliche Hochschulen, eine theologische Fakultät und zwei philosophisch-theologische Hochschulen.
 
 Wirtschaft und Verkehr:
 
Wirtschaft:
 
Räumlicher Schwerpunkt ist der Wirtschaftsraum Rhein-Ruhr. Mit der Absatzkrise im Steinkohlenbergbau (seit 1957) und zeitweiligen Stahlkrisen ging die zentrale Bedeutung des Ruhrgebiets auf die so genannte »Rheinschiene« über, mit Köln und Düsseldorf als wichtigsten Städten. Seine leistungsfähige Infrastruktur macht Nordrhein-Westfalen zum Verkehrsknotenpunkt für den internationalen Handel in Europa.
 
Die Zahl der Erwerbstätigen ist seit 1960 leicht angestiegen von 7,03 Mio. auf (1995) 7,25 Mio. Dahinter stehen allerdings erhebliche Umschichtungen bei der Verteilung der Erwerbstätigen auf die einzelnen Wirtschaftsbereiche. So sank die Zahl der Erwerbstätigen in Land-, Forstwirtschaft und Fischerei von (1960) 471 000 (6,7 % der Erwerbstätigen) auf (1995) 128 000 (1,8 %). Auch die Zahl der Erwerbstätigen im industriellen Sektor (einschließlich Bergbau, Energie- und Bauwirtschaft) ging in diesem Zeitraum von 3,97 Mio. auf 2,61 Mio. zurück (56,4 % beziehungsweise 36,0 %), dagegen stieg die Zahl im Bereich Handel, Verkehr und Nachrichtenübermittlung von 1,46 Mio. auf 1,48 Mio. (20,3 %). Die Erwerbstätigenzahl im sonstigen Dienstleistungssektor hat sich von 1,13 Mio. (16,1 %) auf 3,03 Mio. (41,8 %) mehr als verdoppelt. Während Nordrhein-Westfalen im Dienstleistungssektor mit 58,4 % fast den Bundesdurchschnitt (58,9 %) erreicht, liegt es im industriellen Sektor über (39,6 % zu 37,8 %) und im Agrarsektor unter dem Durchschnitt (1,9 % zu 3,3 %). Jeder vierte Erwerbstätige Deutschlands arbeitet in Nordrhein-Westfalen (1960: 26,8 %). Nordrhein-Westfalen ist allerdings überdurchschnittlich von Arbeitslosigkeit betroffen. Die Arbeitslosenquote lag mit (1975) 4,8 %, (1980) 4,6 %, (1985) 11,0 %, (1990) 9,0 % über dem Bundesdurchschnitt von 1,2 %, 4,7 %, 9,3 %, 7,2 % und (August 1997) 11,0 % über dem Durchschnitt der alten Länder von 9,7 %. Besonders hohe Arbeitslosenquoten werden (1996) in den Arbeitsamtsbezirken im Ruhrgebiet (Duisburg 16,3 %, Dortmund 15,6 %, Gelsenkirchen 15,1 %, Bochum 14,1 %, Essen 13,4 %) sowie in Köln (13,4 %) erreicht.
 
Seit 1960 hat Nordrhein-Westfalen, bezogen auf seine Wirtschaftsleistung, zunehmend den Anschluss an die durchschnittliche deutsche Entwicklung verloren. So sank der Anteil am Bruttoinlandsprodukt (BIP) der Bundesrepublik Deutschland von (1960) 30,1 % auf (1995) 25,1 % (alte Länder). Während das reale Wachstum des BIP 1960-70 noch 50,8 % betrug (Bundesrepublik: 55,4 %) und 1970-80 noch 25,4 % (30,6 %), sank das Wirtschaftswachstum 1980-90 auf 14,6 %; das entspricht knapp zwei Drittel des Durchschnittswertes für die Bundesrepublik. Mit einem BIP je Erwerbstätigen von (1995) 94 876 DM liegt Nordrhein-Westfalen über dem Bundesdurchschnitt (86 700 DM).
 
Landwirtschaft:
 
Mit (1995) 1,57 Mio. ha werden 46,3 % der Gesamtfläche landwirtschaftlich genutzt (1,10 Mio. ha Ackerland, 455 000 ha Dauergrünland, 11 000 ha Gartenland, Obstanlagen und Baumschulen). Diese Flächen werden von (1995) 69 572 Betrieben bewirtschaftet. Die Betriebsgrößenstruktur ist regional sehr unterschiedlich (groß z. B. im Münsterland, eher klein in den Mittelgebirgen). Insgesamt bewirtschaften 39,7 % der Betriebe mehr als 20 ha (Deutschland: 36,8 %), 31,2 % weniger als 5 ha (Deutschland: 29,2 %).
 
Weiten Ackerbauflächen v. a. auf den links- und rechtsrheinischen Lössplatten steht ein Überwiegen der Dauergrünlandnutzung im Hohen Venn, im Bergischen Land und im Sauerland sowie in den Gemeinden längs des unteren Niederrheins gegenüber. Weizen, Wintergerste und Zuckerrüben sind die wichtigsten Anbaufrüchte der Lössbörden (Jülich-Zülpicher Börde, Hellwegbörden, Warburger Börde). Auf den sandigeren Böden, besonders im Münsterland, herrscht der Futtergetreideanbau (Gerste, Mais u. a.) vor als Grundlage für eine umfangreiche Schweinemast. Gemischte Ackerbau-Viehhaltungs-Betriebe sind in den bäuerlichen Gebieten des Münsterlandes und des Lipper Berglandes verbreitet. Mildes Klima und ausgezeichnete Absatzmöglichkeiten verhelfen Nordrhein-Westfalen zu einer führenden Stellung im Erwerbsgartenbau sowohl im Freilandanbau (Kohlarten, Salate u. a.) als auch im Unterglasanbau (Tomaten, Gurken u. a.). Der Freilandgemüseanbau ist zwischen Düsseldorf/Neuss und Mönchengladbach sowie im Vorgebirge zwischen Köln und Bonn konzentriert. Nordrhein-Westfalen liegt im Vergleich der Bundesländer jeweils an dritter Stelle bei Getreide (1995: 4,6 Mio. t; Anteil an der Erzeugung in Deutschland: 12,0 %), Zuckerrüben (4,0 Mio. t; 15,4 %), Kartoffeln (927 000 t; 9,9 %) und Obst (65 120 t; 8,2 %) sowie an zweiter Stelle bei Gemüse (437 216 t; 20,61 %). Nordrhein-Westfalen hat den zweithöchsten Bestand an Schweinen (5,6 Mio.), den dritthöchsten an Rindern (1,8 Mio.) und den höchsten Bestand an Pferden (1994: 107 100).
 
Forstwirtschaft:
 
Wälder (1995: 854 000 ha) bedecken große Teile des Sauerlandes, des Rothaargebirges, des Teutoburger Waldes und der Eifel. Der Holzeinschlag beträgt (1995) 3,42 Mio. m3, zu zwei Dritteln Nadelholz.
 
Bodenschätze:
 
Der Bergbau konzentriert sich v. a. auf den Abbau der reichen Steinkohlen- und Braunkohlenvorräte. Die Steinkohle wird unter Tage abgebaut. Förderreviere sind das Ruhrgebiet, der Raum Aachen und Ibbenbüren. Die Fördermengen sind seit 1960 (126,1 Mio. t) um fast zwei Drittel auf (1995) 45,0 Mio. t gesunken (1970 noch über 100 Mio. t). Die Förderung aus den großflächig angelegten Tagebauen im Rhein. Braunkohlenrevier ist dagegen relativ konstant. Die Fördermengen liegen seit 1973 bei etwa 100 Mio. t. Eisenerze werden nicht mehr abgebaut, jedoch Steinsalz am Niederrhein und im westlichen Münsterland (rd. 4 Mio. t), Quarzsande in Frechen und Haltern (rd. 6 Mio. t), Spezialton im Rheinland (350 000 t).
 
Energiewirtschaft:
 
Nordrhein-Westfalen ist das energiewirtschaftliche Zentrum Deutschlands. Knapp 85 % der inländischen Steinkohle und 52 % der Braunkohle werden (1995) hier gefördert, (1995) 29,7 % der erzeugten elektrischen Energie stammen aus Nordrhein-Westfalen, das Land ist Standort von 25 % der Raffineriekapazitäten. Der Anteil am Primärenergieverbrauch Deutschlands liegt bei (1994) 27,8 %. Wichtigste Energieträger, gemessen am Primärenergieverbrauch von (1994) 133,0 Mio. Steinkohleeinheiten, sind Erdöl (34,4 %; zum Vergleich Deutschland: 40,5 %) und Steinkohle (25,4 %; 15,2 %), dann folgen Braunkohle (19,0 %; 13,3 %) und Erdgas (18,9 %; 18,3 %). Kernenergie spielt keine wesentliche Rolle (0,8 %; 10,1 %).
 
Industrie:
 
Der industrielle Sektor hat sich aufgrund der guten Verkehrslage, der im nördlichen Rheinland und im Siegerland schon vor der Industrialisierung dichten Besiedlung und ganz besonders aufgrund der reichen Bodenschätze entwickelt. Ballungsgebiete von Industrie und Bevölkerung sind v. a. das Ruhrgebiet und die »Rheinschiene«; außerdem der Aachener Wirtschaftsraum, das Niederrheingebiet, das Münsterland, Ostwestfalen-Lippe, das Siegerland und das Bergische Land. Besonders im Ruhrgebiet, in dem auf der Grundlage der Steinkohle eine bedeutende Eisen- und Stahlindustrie, Energiewirtschaft und chemische Industrie entstanden waren, sowie im Aachener Wirtschaftsraum und im Siegerland setzte nach dem Aufschwung der Nachkriegszeit bis in die 1960er-Jahre mit der Absatzkrise im Steinkohlenbergbau (seit 1957), der Einstellung des Eisenerzbergbaus und zeitweiligen Stahlkrisen ein tief greifender Strukturwandel ein. So sank die Zahl der Beschäftigten im Steinkohlenbergbau von (1957) 540 000 auf (1994) 70 000. Besonders aufgrund des Arbeitsplatzabbaus bei Kohle und Stahl ging auch der Anteil Nordrhein-Westfalens an den Beschäftigten im produzierenden Gewerbe der Bundesrepublik von (1960) 31,0 % auf (1994) 26,3 % (alte Bundesländer) zurück. Obwohl der Strukturwandel noch nicht abgeschlossen ist, zählt Nordrhein-Westfalen heute zu den Wirtschaftsregionen mit einer besonderen Vielfalt an industrie- und produktionsbezogenen Dienstleistungsunternehmen. Gemessen am Umsatz sind die wichtigsten Industriezweige (1995) die chemische Industrie, der Maschinenbau, die Nahrungs- und Genussmittelindustrie, der Straßenfahrzeugbau, die Eisen schaffende Industrie sowie die elektrotechnische und elektronische Industrie. Im Vergleich zu 1950 sind v. a. die chemische Industrie, der Maschinen- und Straßenfahrzeugbau, die Mineralöl verarbeitende Industrie sowie die Herstellung von Kunststoffen und Gummiwaren in den Vordergrund getreten, während die beiden früher führenden Branchen Textilindustrie und Bergbau stark an Bedeutung verloren haben. Bezüglich der Betriebsgrößen in der Industrie ist Nordrhein-Westfalen ähnlich strukturiert wie Deutschland insgesamt, allerdings bei großen Unterschieden zwischen Ruhrgebiet und übrigem Nordrhein-Westfalen. Während (1994) im übrigen Nordrhein-Westfalen 28 % der Beschäftigten im produzierenden Gewerbe in Unternehmen mit mehr als 1 000 Beschäftigten arbeiten, sind es im Ruhrgebiet 47,8 % (Nordrhein-Westfalen insgesamt: 32,6 %, Deutschland: 32,7 %).
 
Dienstleistungssektor:
 
Die Bedeutung der Dienstleistungen hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Besonders produktionsorientierte Dienstleistungen werden immer mehr zu einer notwendigen Voraussetzung für erfolgreiche industrielle Produktion (u. a. die Entwicklungs- und Beratungsdienste im EDV-Bereich, Bildungseinrichtungen, Unternehmen und Institutionen in den Bereichen Forschung und Entwicklung sowie Technologietransfer). Nordrhein-Westfalen bietet mit seiner Industrie und Bevölkerung auch günstige Voraussetzungen für Unternehmen der konsumorientierten Dienstleistungen (z. B. Einzelhandel, Gaststättengewerbe, Reparaturdienste). Hervorzuheben sind weiterhin die Messeplätze Düsseldorf und Köln sowie Essen und Dortmund mit insgesamt (1995) 597 000 m2 Ausstellungsfläche und vielfältigen Kongresseinrichtungen. Mit Düsseldorf als Verwaltungssitz von Banken und als Sitz der Rheinisch-Westfälischen Börse verfügt Nordrhein-Westfalen auch über ein wichtiges Finanzzentrum.
 
Tourismus:
 
Neben dem geschäftlich bedingten Fremdenverkehr in den 23 Großstädten konzentrieren sich die Übernachtungen (1995: rd. 12,2 Mio. Fremdenverkehrsgäste mit rd. 36 Mio. Übernachtungen, davon rd. 2,1 Mio. Auslandsgäste mit rd. 5,2 Mio. Übernachtungen) v. a. in den 44 Heilbädern und Luftkurorten. Die gebirgigen Teile, v. a. Sauer- und Siegerland, Bergisch-Märkisches Land und Eifel, sind Zentren der Naherholung. Hochsauerland und Rothaargebirge bieten auch Wintersportmöglichkeiten.
 
Verkehr:
 
Im Eisenbahn- und Straßenverkehr hat Nordrhein-Westfalen eines der dichtesten Netze in Europa. Das Straßennetz umfasst (1997) 29 766 km Straßen des überörtlichen Verkehrs, darunter 2 165 km Autobahnen (19,2 % des Autobahnnetzes) und 5 112 km Bundesstraßen. Das Eisenbahnnetz (1993: 6 100 km ) ist knapp zur Hälfte elektrifiziert. Zur Verbesserung der Verkehrssituation in den Ballungsräumen Köln-Bonn und Rhein-Ruhr wurde durch Aus- und Neubau von S-Bahn-Strecken unter Einbeziehung des Nahverkehrs der Deutschen Bahn AG und der Schwebebahn in Wuppertal sowie durch die Gründung der Verkehrsverbunde Rhein-Ruhr und Rhein-Sieg ein leistungsfähiges Netz des öffentlichen Personennahverkehrs geschaffen.
 
Der Rhein und das von ihm ausgehende Kanalsystem zum Mittelland- und Dortmund-Ems-Kanal sind die Hauptwege für den Binnenschiffsverkehr. Die wichtigsten der 31 Binnenhäfen sind die Duisburger Häfen (Güterumschlag 1996: 42,2 Mio. t; nach Hamburg zweitgrößter deutscher Hafen und größter Binnenhafen Europas), Köln (10,5 Mio. t), Dortmund (4,9 Mio. t), Neuss (4,6 Mio. t), Krefeld-Uerdingen (3,3 Mio. t), Wesseling (3,2 Mio. t), Essen (2,9 Mio. t). Die internationalen Flughäfen Düsseldorf (1996: 14,2 Mio. Fluggäste) und Köln-Bonn (5,1 Mio.) stehen in Deutschland an 3. und 7. Stelle.
 
 Geschichte:
 
Nach dem staatlichen Zusammenbruch des Deutschen Reiches (Mai 1945) erhielt Großbritannien das nordwestliche Deutschland (mit Ausnahme Bremens) als Besatzungszone zugewiesen. Mit der Verordnung vom 23. 8. 1946 bildete die britische Militärregierung aus dem nördlichen Teil der preußischen Rheinprovinz (die Regierungsbezirke Aachen, Köln und Düsseldorf) und der preußischen Provinz Westfalen das Land Nordrhein-Westfalen, dem 1947 (Verordnung vom 21. 1.) auch Lippe(-Detmold) angeschlossen wurde. Bereits am 17. 8. 1946 war Rudolf Amelunxen (* 1888, ✝ 1969, parteilos, später Zentrum, 1945 Oberpräsident von Westfalen) zum Ministerpräsidenten ernannt worden. Nach den ersten Landtagswahlen vom 20. 4. 1947 (CDU 37,5 %, 92 Sitze einschließlich 16 Überhangmandaten; SPD 32,0 %, 64; KPD 14,0 %, 28; Zentrum 9,8 %, 20; FDP 5,9 %, 12; andere 0,8 %, -) wählte der Landtag K. Arnold (CDU) zum Ministerpräsidenten. Dieser bildete im Juni 1947 ein Kabinett aus Vertretern der CDU, SPD, KPD und des Zentrums. Die ersten Landesregierungen sahen sich neben den Aufgaben der Versorgung der Bevölkerung, der Eingliederung der Vertriebenen sowie des Wiederaufbaus in Industrie, Verwaltung, Schul- und Wohnungswesen insbesondere mit den Demontageplänen der Siegermächte und deren Forderung nach einer Internationalisierung des Ruhrgebietes konfrontiert. 1949 wurde das Ruhrstatut unterzeichnet.
 
Durch Zustimmung zum GG wurde Nordrhein-Westfalen 1949 Bundesland der Bundesrepublik Deutschland. Aufgrund seiner Bevölkerungszahl und Wirtschaftskraft beeinflussten seine landespolitischen Probleme und Entwicklungen die bundesdeutsche Innenpolitik nachhaltig. Am 11. 7. 1950 trat eine Landesverfassung in Kraft.
 
Der bundespolitische Konflikt zwischen CDU und FDP über die Modifizierung des Wahlrechts löste den Bruch der 1950 und 1954 vereinbarten Regierungskoalition beider Parteien in Nordrhein-Westfalen aus. Im Zuge eines konstruktiven Misstrauensvotums wählte der Landtag am 20. 2. 1956 Fritz Steinhoff (SPD; * 1897, ✝ 1969) mit den Stimmen der SPD, FDP und des Zentrums zum Ministerpräsidenten. Nach den Landtagswahlen von 1958 bildete Franz Meyers (CDU; * 1908, ✝ 2002), gestützt auf die absolute Mehrheit seiner Partei im Landtag (1958-62), die Regierung; 1962-66 getragen von einer CDU-FDP-Koalition. 1966 wurde die SPD nach ihrem Wahlsieg erstmals (1966-70) stärkste Fraktion im Landtag, sah sich jedoch zunächst in die Opposition gedrängt. In engem Zusammenhang mit der Krise der CDU-FDP-Koalition und der Bildung der großen Koalition (CDU/CSU, SPD) auf Bundesebene stürzte in Nordrhein-Westfalen ein Regierungsbündnis aus SPD und FDP 1966 die Regierung Meyers und wählte H. Kühn (SPD) zum Ministerpräsidenten. Eine landespolitische Aufgabe mit starken bundespolitischen Aspekten war seit 1957 die Überwindung der Strukturkrise im Bergbau (1968 Gründung der Ruhrkohle AG). 1968 trat eine Reform des Volksschulwesens in Kraft.
 
Nach den Wahlen von 1970 und 1975, aus denen die CDU als stärkste Partei hervorging, setzten SPD und FDP ihre Regierungskoalition fort. Unter Ministerpräsident J. Rau, der 1978 die Nachfolge Kühns angetreten hatte, gewann 1980 die SPD die absolute Mehrheit (bei Wahlen bis 1995 behauptet). Die FDP scheiterte 1980 an der Fünfprozentklausel; seit 1990 sind die Grünen im Landtag vertreten. Die 80er- und 90er-Jahre waren landespolitisch v. a. durch eine Stahlkrise und ihre beschäftigungspolitischen Folgen bestimmt (1988; Stahlstandort Duisburg-Rheinhausen); neben der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit traten Fragen des Umweltschutzes und der Förderung von neuen Technologien in den Vordergrund (u. a. Auseinandersetzung um die Erschließung des Braunkohleabbaugebiets Garzweiler II). Im Juli 1995 wurde unter Ministerpräsident Rau eine Regierungskoalition von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gebildet. Im März 1998 kündigte Rau seinen Rücktritt für Sommer 1998 an und bestimmte W. Clement (SPD) zu seinem Nachfolger als Ministerpräsident. Dieser setzte nach der Landtagswahl 2000 die Koalition mit Bündnis 90/Die Grünen fort. (Berlin/Bonn-Gesetz)
 
Literatur:
 
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Statist. Jb. N.-W. (1949 ff.);
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 W. Müller-Wille: Bodenplastik u. Naturräume Westfalens, 2 Tle. (1966);
 
Westfäl. Städtebuch, hg. v. E. Keyser (1954);
 
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 T. Kraus: Das rheinisch-westfäl. Städte-System, in: Köln u. die Rheinlande. Festschr. zum 33. Dt. Geographentag. .., hg. v. K. Kayser u. a. (1961);
 
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N.-W.-Programm 1975 (1970);
 
Dt. Planungsatlas, Bd. 1: N.-W., auf zahlr. Tle. ber. (1971 ff.);
 C. Erpf u. G. Pflug: N.-W. (1971);
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N.-W.-Lex., hg. vom Landesamt für Datenverarbeitung u. Statistik N.-W.s (1974);
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Verwaltungsatlas N.-W., hg. vom Landesamt für Datenverarbeitung u. Statistik N.-W.s (31980);
 K. Eckart: Die Entwicklung der Landwirtschaft im hochindustrialisierten Raum (1982);
 
Westfäl. Gesch., hg. v. W. Kohl, 5 Bde. (1982-84);
 J. A. Hellen: North Rhine-Westphalia (Oxford 21983);
 
Westfalen u. angrenzende Regionen, hg. v. P. Weber u. a., 2 Tle. (1983);
 
Auswirkungen der kommunalen Neugliederung. Dargestellt an Beispielen aus N.-W., hg. v. P. Schöller (Neuausg. 1984);
 
Bergbau u. verarbeitendes Gewerbe in N.-W. (1985 ff., erscheint unregelmäßig);
 
Funktionsräuml. Arbeitsteilung u. ausgeglichene Funktionsräume in N.-W., bearb. v. A. Bloch (1985);
 
Geograph.-landeskundl. Atlas von Westfalen, hg. v. der Geograph. Kommission für Westfalen (1985 ff.);
 R. A. Krewerth: N.-W. (1985);
 
Erträge geographisch-landeskundl. Forschung in Westfalen. Festschr. 50 Jahre Geograph. Kommission für Westfalen (1986);
 W. Först: Kleine Gesch. N.-W.s (1986);
 A. Schlieper: 150 Jahre Ruhrgebiet. Ein Kapitel dt. Wirtschaftsgesch. (1986);
 E. Glässer u. a.: N.-W. (1987);
 
N.-W. (1988);
 Landesentwicklungsprogramm u. Landesplanungsgesetz, Neufassungen in: Gesetz- u. Verordnungsblatt für das Land N.-W., Jg. 43 (1989);
 
Bildflüge in N.-W. 1991, hg. vom Landesvermessungsamt N.-W. (301992);
 G. Voppel: N.-W. (1993);
 H. G. Steinberg: Menschen u. Land in N.-W. Eine kulturgeograph. Landeskunde (1994);
 
Gesellschafts- u. Wirtschaftsgesch. Rheinlands u. Westfalens, bearb. v. D. Briesen u. a. (1995).

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Nọrd|rhein-West|fa|len; -s: Land der Bundesrepublik Deutschland.

Universal-Lexikon. 2012.