Gesetzgebungsverfahren,
in der Verfassung festgelegtes förmliches Verfahren zum Erlass von Gesetzen im formellen Sinn.
In Deutschland können Bundesgesetze nur erlassen werden, soweit dem Bund die ausschließliche oder konkurrierende Gesetzgebungskompetenz zusteht oder der Bund ermächtigt ist, Rahmenvorschriften zu erlassen ( Deutschland, Staat und Recht); sonst verbleibt die Gesetzgebungszuständigkeit bei den Ländern.
Gesetzesvorlagen werden von der Bundesregierung, durch den Bundesrat oder aus der Mitte des Bundestags bei diesem eingebracht. Gesetzesvorlagen der Bundesregierung (die in der Praxis am häufigsten sind) sind zunächst dem Bundesrat zuzuleiten und gehen mit dessen Stellungnahme an den Bundestag. Vorlagen des Bundesrats sind dem Bundestag durch die Bundesregierung zuzuleiten, die dabei ihre eigene Auffassung zu der Vorlage darzulegen hat. Im Bundestag werden die Bundesgesetze in dreimaliger »Lesung« beraten. In der ersten Lesung wird in der Regel lediglich beschlossen, den Entwurf an einen oder mehrere Bundestagsausschüsse zu überweisen. Anhand von deren Stellungnahme wird dann die zweite und dritte Lesung durchgeführt; vielfach geschieht das in der gleichen Sitzung. Über die Annahme oder Ablehnung des Gesetzes wird dann nach Abschluss der Beratung, d. h. am Ende der dritten Lesung, abgestimmt. Ein Entwurf kann auch schon nach der ersten Lesung ohne Ausschussberatung abgelehnt werden.
Nach Annahme im Bundestag, für die - abgesehen von verfassungsändernden Bundesgesetzen - die einfache Mehrheit genügt, werden die Bundesgesetze dem Bundesrat vorgelegt. Dieser kann gegen das vom Bundestag beschlossene Gesetz innerhalb von drei Wochen den Vermittlungsausschuss anrufen. Schlägt dieser eine Änderung des Gesetzes vor, so muss der Bundestag darüber beschließen, ob er sich dem Änderungsvorschlag anschließen will; auf diese Weise kann unter Umständen verhindert werden, dass der Bundesrat seine Zustimmung verweigert oder Einspruch einlegt.
Ist das Vermittlungsverfahren abgeschlossen, so richtet sich das weitere Verfahren danach, ob es sich bei dem Bundesgesetz um ein Gesetz handelt, das der Zustimmung des Bundesrats bedarf oder nicht. Bei Zustimmungsgesetzen ist das vom Bundestag beschlossene Bundesgesetz endgültig abgelehnt, wenn der Bundesrat nicht zustimmt. Bei Gesetzen, die der Zustimmung des Bundesrats nicht bedürfen (Einspruchsgesetze), kann dieser nach Beendigung des Vermittlungsverfahrens Einspruch einlegen (suspensives Veto). Den Einspruch kann der Bundestag mit derselben (einfachen oder Zweidrittel-)Mehrheit zurückweisen, mit der der Bundesrat ihn beschlossen hat, mindestens jedoch mit der Mehrheit seiner Mitglieder; damit ist der Bundesrat überstimmt (Art. 76, 77 GG).
Die rechtswirksam beschlossenen Bundesgesetze werden vom Bundespräsidenten nach Gegenzeichnung durch den Bundeskanzler oder die zuständigen Bundesminister ausgefertigt. Dabei hat der Bundespräsident zu prüfen, ob das Bundesgesetz in einem ordnungsgemäßen Gesetzgebungsverfahren zustande gekommen ist, nach umstrittener, aber herrschender Meinung auch, ob es inhaltlich mit der Verfassung in Einklang steht. Voraussetzung für das In-Kraft-Treten des Gesetzes ist außerdem, dass das Bundesgesetz im Bundesgesetzblatt verkündet worden ist. Der Tag des In-Kraft-Tretens soll im Bundesgesetz selbst bestimmt sein; wenn nicht, tritt dieses mit dem 14. Tag nach Ausgabe des entsprechenden Bundesgesetzblatts in Kraft. Ein rückwirkendes In-Kraft-Treten ist nur in Ausnahmefällen möglich. Über die Vereinbarkeit der Bundesgesetze mit dem GG entscheidet das Bundesverfassungsgericht aufgrund einer abstrakten oder konkreten Normenkontrolle oder einer Verfassungsbeschwerde (Verfassungsgerichtsbarkeit).
Österreich
In Österreich werden Gesetzesvorlagen von der Bundesregierung (zu etwa 85 %), von Abgeordneten des Nationalrats, vom Bundesrat oder als Volksbegehren beim Nationalrat eingebracht. Sie werden in drei Lesungen sowie in zuständigen Ausschüssen beraten. Verfassungsgesetze und bestimmte Schulgesetze bedürfen einer Zweidrittelmehrheit. Gegen Gesetzesbeschlüsse kann der Bundesrat binnen acht Wochen ein suspensives Veto einlegen, der Nationalrat kann allerdings einen Beharrungsbeschluss fassen. Insbesondere zu Gesetzen über Finanzen und Vermögen des Bundes kommt dem Bundesrat kein Vetorecht zu, dagegen bedürfen Verfassungsgesetze, die die Kompetenzen der Länder einschränken, der Zustimmung des Bundesrates. Wenn dies der Nationalrat verlangt, ist über einen Gesetzesbeschluss eine Volksabstimmung durchzuführen. Schließlich beurkundet der Bundespräsident das verfassungsmäßige Zustandekommen der Bundesgesetze, während der Bundeskanzler ihre Kundmachung im Bundesgesetzblatt veranlasst.
Auf Bundesebene wird das Gesetzgebungsverfahren durch eine Gesetzesinitiative in Gang gesetzt. Berechtigt zum Antrag auf Erlass, Aufhebung oder Änderung eines Bundesgesetzes oder eines allgemein verbindlichen Bundesbeschlusses sind: 1) jeder der beiden Räte (Nationalrat, Ständerat), 2) jedes Ratsmitglied, 3) die parlamentarischen Kommissionen, 4) der Gesamtbundesrat und 5) jeder Kanton (»Standesinitiative«). Dagegen haben die Stimmberechtigten kein Recht, ein entsprechendes Verfahren durch eine Volksinitiative in Gang zu setzen; laut Bundesverfassung bezieht sich die Volksinitiative allein auf die Verfassunggebung. Findet die Gesetzesinitiative eine Mehrheit, arbeitet der Bundesrat einen Gesetzentwurf (»Vorlage«) aus, den er der Bundesversammlung in Form einer Botschaft unterbreitet. Nachdem die (in der Regel ständigen) parlamentarischen Kommissionen die Vorlage vorberaten haben, erfolgt die Behandlung durch die beiden Kammern (National- und Ständerat). Sie beraten die Vorlage in der Regel in verschiedenen Sessionen (Sitzungen). Am Schluss der Detaildebatte steht jeweils die Gesamtabstimmung, wobei grundsätzlich die einfache Mehrheit der Anwesenden entscheidet. Weichen die Beschlüsse der beiden Räte voneinander ab, kommt es zum »Differenzbereinigungsverfahren«, d. h., das Geschäft gelangt nochmals in den erstbehandelnden Rat, allerdings beschränkt auf die Streitpunkte. Können die Differenzen nicht behoben werden oder verwirft ein Rat die Vorlage in der Gesamtabstimmung, ist sie gescheitert und wird von der Geschäftsliste (Tagesordnung) gestrichen. Wenn hingegen die Differenzen bereinigt werden können, findet, nachdem die Vorlage von der »Redaktionskommission« bereinigt worden ist, in beiden Räten eine Schlussabstimmung statt, und der Erlass wird im Bundesblatt veröffentlicht. Innerhalb von 90 Tagen nach Veröffentlichung können 50 000 Stimmberechtigte oder acht Kantone verlangen, dass das Gesetz der Volksabstimmung unterbreitet wird (»fakultatives Referendum«). Findet keine Volksabstimmung statt, bestimmt der Bundesrat das In-Kraft-Treten des Erlasses. - Für die Verfassungsgesetze kommt hinzu, dass die Volksabstimmung in jedem Fall zu erfolgen hat (»obligatorisches Referendum«), wobei für die Annahme der Vorlage nicht bloß die Mehrheit der Stimmenden erforderlich ist, sondern auch die Mehrheit der Kantone. In den Kantonen ist das Gesetzgebungsverfahren einfacher, da die Kantone nur Einkammerparlamente kennen; die Gesetze unterstehen je nach Verfassungsrecht der obligatorischen oder der fakultativen Volksabstimmung.
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Ge|sẹtz|ge|bungs|ver|fah|ren, das: Verfahren der Gesetzgebung: ein kompliziertes G.
Universal-Lexikon. 2012.