Kohlenhydrate,
Kohlenstoffhydrate, Saccharide, Sammelbezeichnung für eine weit verbreitete Gruppe von Naturstoffen, zu der z. B. alle Zucker-, Stärke- und Cellulosearten gehören. Sie haben die allgemeine Summenformel Cn(H2O)m (n und m entweder gleich oder nur wenig verschieden) und wurden früher fälschlich als »Hydrate des Kohlenstoffs« aufgefasst. Kohlenhydrate sind jedoch in Wirklichkeit mehrwertige Alkohole, bei denen eine primäre oder eine sekundäre Hydroxylgruppe zur Aldehydgruppe beziehungsweise Ketogruppe oxidiert ist (Polyhydroxyaldehyde oder Polyhydroxyketone).
Entsprechend der Molekülgröße unterscheidet man Mono-, Oligo- und Polysaccharide. Die Monosaccharide stellen die Grundbausteine der Kohlenhydrate dar; sie bestehen aus jeweils einem Polyhydroxyaldehyd oder -keton und werden entsprechend in Aldosen und Ketosen unterteilt; das ihnen zugrunde liegende Kohlenstoffgerüst enthält meist fünf oder sechs Kohlenstoffatome; man unterscheidet danach v. a. Pentosen (z. B. Ribose) und Hexosen (z. B. Glucose, Fructose) mit den Summenformeln C5H10O5 beziehungsweise C6H12O6. Diese Verbindungen besitzen (meist mehrere) asymmetrische Kohlenstoffatome und treten in zahlreichen Stereoisomeren auf. Bei einem Monosaccharid mit der allgemeinen Formel CH2OH—(CHOH)4—CHO (einer Aldohexose) sind bereits 24 = 16 sterisch verschiedene Formen möglich (zu ihnen gehören D- und L-Glucose, D- und L-Mannose sowie D- und L-Galaktose). Als Bezugssubstanz für die Zugehörigkeit der Monosaccharide zur D- und L-Reihe gilt der Glycerinaldehyd, der in einer D- und einer L-Form auftritt. Näheres zur Struktur der Monosaccharide und zur Konfigurationszuordnung Monosaccharide.
Beim Zusammenschluss von zwei oder mehreren Monosacchariden (durch Wasserabspaltung und unter Ausbildung einer glykosidischen Bindung) entstehen Disaccharide (z. B. Saccharose mit der Summenformel C12H22O11), Trisaccharide usw., allgemeine Oligosaccharide, die zusammen mit den Monosacchariden wegen ihres (meist) süßen Geschmacks auch als Zucker bezeichnet werden. Die Namen dieser Verbindungen werden zusammenfassend durch die Endung -ose gekennzeichnet. - Vereinigen sich zahlreiche Monosaccharideinheiten miteinander, so entstehen die höher- bis hochmolekularen Polysaccharide (z. B. Glykogen, Stärke, Cellulose). - Auch Abwandlungsprodukte der einfachen Monosaccharide mit zum Teil abweichender Zusammensetzung oder Struktur werden zu den Kohlenhydraten gezählt, u. a. die Aminozucker, die Uronsäuren und die Zuckeralkohole, von denen einige auch als Bausteine von Polysacchariden auftreten (Aminozucker z. B. in Chitin und Mukopolysacchariden). Durch chemische Abwandlung gelingt es, Derivate der Kohlenhydrate herzustellen, von den Monosacchariden z. B. die »Anhydrozucker« (innere Anhydride), die als Weichmacher vorgeschlagen wurden, und Zuckerester, die z. B. grenzflächenaktive Eigenschaften haben. Technisch besonders wichtig sind die Celluloseäther und Celluloseester.
Kohlenhydrate sind in jeder tierischen und pflanzlichen Zelle enthalten und stellen mengenmäßig den größten Anteil der auf der Erde vorkommenden organischen Verbindungen dar. Sie sind u. a. ein Hauptbestandteil der Nahrung des Menschen und der Tiere, dienen pflanzliche (Stärke) und tierische (Glykogen) Organismen als Reservestoffe, sind Bestandteile der Nukleinsäuren, dienen als Stütz- und Gerüstsubstanzen (Cellulose, Glykosaminoglykane), sind wichtige Bestandteile der Zellmembranen (Glykoproteine und Glykolipide) und vieles andere. Kohlenhydratstoffwechsel
Kohlenhydrate sind neben Proteinen und Fetten eine der drei für den Menschen wichtigsten Nährstoffgruppen, wobei die Kohlenhydrate die wichtigsten Energielieferanten für die Zellen darstellen. Der Bedarf an Kohlenhydraten leitet sich ab von der ernährungsphysiologischen Bedeutung der Kohlenhydrate als Energielieferanten und als Lieferanten von C-Atomen für Biosynthesen im Intermediärstoffwechsel; v. a. das Gehirn deckt seinen Energiebedarf fast ausschließlich über Glucose, dementsprechend ist der Minimalbedarf an Kohlenhydraten im Wesentlichen durch den Gehirnstoffwechsel bedingt (100-150 g/Tag); quer gestreifte Muskulatur sowie Leber, Herz, Nieren hingegen können bei Kohlenhydratmangel auf Fettsäureverbrennung ausweichen. - In der Ernährung sollen Kohlenhydrate etwa 50-55 % der gesamten Energiezufuhr ausmachen. Der größte Anteil der vom Menschen aufgenommenen Kohlenhydrate ist pflanzlichen Ursprungs (davon etwa 40 % aus Getreideerzeugnissen) und besteht hauptsächlich aus Stärke sowie aus Cellulose, Hemicellulosen, Pektin u. a.; Letztere können nur in geringem Maße durch mikrobielle Tätigkeit im Dickdarm verwertet werden, haben aber als Ballaststoffe Bedeutung. An zweiter Stelle stehen zuckerreiche Erzeugnisse. Höhermolekulare Kohlenhydrate müssen im Rahmen der Verdauung in niedermolekulare Produkte (Glucose, Galaktose, Fructose) zerlegt werden, da nur diese im Darm resorbiert werden können. Mehr als 60 % der resorbierten Kohlenhydrate dienen der Energiegewinnung, ein weiterer Teil wird als Glykogen vorwiegend in Muskulatur und Leber (insgesamt etwa 300-400 g beim Erwachsenen) gespeichert.
The carbohydrates. Chemistry and biochemistry, hg. v. W. Pigman u. a., 4 Tle. in 2 Bdn. (New York 21970-80);
Carbohydrate metabolism. Quantitative physiology and mathematical modelling, hg. v. C. Cobelli u. R. N. Bergman (Chichester 1981);
The polysaccharides, hg. v. G. O. Aspinall, 3 Bde. (New York 1982-85);
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
Kohlenhydratstoffwechsel und Diabetes mellitus
Kohlenhydratstoffwechsel und Fettstoffwechsel (Normwerte)
Verdauung: Aufschließen und Bereitstellen
Universal-Lexikon. 2012.