Lamartine
[lamar'tin], Alphonse de, französischer Schriftsteller, * Mâcon 21. 10. 1790, ✝ Passy (heute zu Paris) 1. 3. 1869; war zunächst Offizier und dann in diplomatischen Missionen tätig (1820/21 in Neapel, 1825-28 in Florenz). 1820 erschienen seine von der Liebesbegegnung mit der früh verstorbenen Julie Charles (✝ 1817) inspirierten »Méditations poétiques« (1820; deutsch »Poetische Betrachtungen«), die seinen literarischen Ruhm begründeten (1830 Mitglied der Académie française). Nach dem Ausbruch der Julirevolution 1830 wandte er sich der aktiven Politik zu; 1833 wurde er als Abgeordneter in die Kammer gewählt, wo er eine von christlichem Idealismus geprägte liberale Position vertrat und als Redner eine außergewöhnliche Popularität erlangte. Aufgrund der ideologischen Wirkung seiner »Histoire des Girondins« (1847; deutsch »Geschichte der Girondisten«) hatte er Anteil am Sturz der Julimonarchie. Nach der Februarrevolution 1848 wurde er Chef der provisorischen Regierung, dann Außenminister der Republik, konnte sich jedoch bei den Präsidentschaftswahlen gegen Louis Napoléon Bonaparte nicht durchsetzen und zog sich nach dessen Staatsstreich 1851 aus der Politik zurück.
Lamartines frühe Lyrik eröffnete der französischen Dichtung die Ausdrucksbereiche der persönlichen Empfindung. Die für das romantische Lebensgefühl charakteristischen Themen - Weltschmerz, Einsamkeit, Vergänglichkeit und Tod, Natur als Spiegel seelischer Stimmungen und die Sehnsucht nach Entgrenzung und Transzendierung des Ich - werden in einem suggestiven Ton von hoher lyrischer Musikalität artikuliert. In den »Nouvelles méditations poétiques« (1823) und in den »Harmonies poétiques et religieuses« (1830; deutsch »Poetische und religiöse Harmonien«) tritt die spiritualistisch-religiöse Thematik in den Vordergrund, während sich in »Les recueillements poétiques« (1839) religiös-mystische und sozialutopische Züge verbinden. Von einem geplanten christlichen Menschheitsepos (»Les visions«) wurden nur die Teile »Jocelyn« (1836; deutsch) und »La chute d'un ange« (1838; deutsch »Der Fall eines Engels«) verwirklicht. Später entstanden u. a. idealisierende autobiographische Schriften, soziale Romane und historiographische Arbeiten. Mit seiner frühen Lyrik wirkte Lamartine teilweise noch auf den literarischen Symbolismus.
Weitere Werke: Drama: Saül (1818).
Lyrik: La mort de Socrate (1823).
Reisebericht: Souvenirs, impressions, pensées et paysages, pendant un voyage en Orient 1832-1833 (1835; deutsch Reise in den Orient in den Jahren 1832 und 1833).
Autobiographisches: Les confidences (1847; deutsch Geständnisse); Raphael (1849; deutsch); Nouvelles confidences (1851; deutsch Neue Geständnisse).
Ausgaben: Œuvres complètes, 41 Bände (1860-66); Correspondence générale, herausgegeben von M. Levaillant, 2 Bände (1943-48); Lettres inédites (1821-51), herausgegeben von H. Guillemin (1944); Œuvres poétiques complètes, herausgegeben von M.-F. Guyard (1963).
Sämtliche Werke, herausgegeben von G. Herwegh, 30 Bände (1839-53).
H. Guillemin: L., l'homme et l'œuvre (Paris 1940);
H. Guillemin: L. et la question sociale (Genf 1946);
J. Lucas-Dubreton: L. (Paris 1951);
M.-F. Guyard: A. de L. (ebd. 1956);
W. Fortescue: A. de L. A political biography (London 1983);
M. Toesca: L., ou l'amour de la vie (Neuausg. Paris 1983).
Universal-Lexikon. 2012.