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Meteorite
Meteorịte
 
[zu Meteor gebildet] Singular Meteorịt der, -s und -en, kleine Festkörper außerirdischen Ursprungs (oder Teile davon), die beim Eindringen in die Erdatmosphäre nicht vollständig zerstört wurden und bis zur Erdoberfläche gelangen. Interplanetare Kleinkörper (Meteoroide), mit einem Durchmesser kleiner als etwa 0,1 mm werden beim Eindringen in die Erdatmosphäre in großen Höhen so stark abgebremst, dass sie langsam zu Boden sinken und als Mikrometeorite gefunden werden können; die Unterscheidung von irdischem Material ist sehr schwierig. Größere, die Sternschnuppen (Meteor) verursachende Meteoroide mit einem Durchmesser bis zu etwa 10 cm werden bei der Wechselwirkung mit den Luftmolekülen meist vollständig zerstört, ohne dass ein Rest zur Erde fällt. Sehr große Körper verlieren einen großen Teil ihrer Masse, ein Rest kann aber im freien Fall auf die Erde gelangen und als Meteorite geborgen werden. Manche Meteoroide zerbrechen infolge der Lufteinwirkung in viele Teile und erzeugen einen Meteoritenschauer mit einer meist elliptisch begrenzten Aufschlagstelle auf der Erde.
 
Meteoritenkrater:
 
Die sehr viel größeren Meteoritenkrater (auch Meteorkrater, Impaktkrater, Astrobleme genannt), mit Tiefen von über 100 m und Durchmessern von mehr als 100 km, sind auf Meteorite zurückzuführen, die beim Aufprall vollständig zertrümmert wurden. Bisher sind mehrere durch meteoritisches Material belegte (z. B. der Meteor Crater in Arizona, USA) sowie über 100 wahrscheinliche, durch Indizien erwiesene Meteoritenkrater bekannt, davon 26 in Europa, u. a. das Nördlinger Ries (Ries) und das Steinheimer Becken. Beim Einschlag eines Meteorits kommt es zu Schmelz- und Verdampfungsvorgängen sowie zum Ausschleudern von Gesteinsmaterial, zu mechanischer Deformation (Bildung von Shattercones und Trümmergesteinen, Impakt), zur Umwandlung von Mineralen in Glas oder zu Hochdruckmodifikationen (z. B. durch Stoßwellenmetamorphose). Das nach dem Fluss »Steinige Tunguska« in Sibirien benannte »Tunguska-Ereignis« (1908) richtete großflächige Zerstörungen in der Taiga an und hinterließ zahlreiche kleine Krater; bislang konnte aber noch kein meteoritisches Material gefunden werden, möglicherweise kommt ein in niedriger Atmosphärenschicht explodierter Kometenkern als Verursacher infrage.
 
Chemisch-mineralische Zusammensetzung:
 
Nach ihrer chemisch-mineralischen Zusammensetzung unterscheidet man mehrere Meteoritengruppen:
 
1) Steinmeteorite bestehen überwiegend aus den Silikatmineralen Olivin, Pyroxenen und Feldspäten, enthalten aber auch Meteoreisen; durchschnittliche Zusammensetzung: 42 % Sauerstoff, 20,6 % Silicium, 15,8 % Magnesium, 15,6 % Eisen. Es gibt zwei Haupttypen: In den Chondriten sind rundliche, aus rasch erstarrten Schmelztröpfchen entstandene silikatische Körper, die Chondren, mit einem Durchmesser von 0,2 bis einige Millimeter, in eine feinkörnige, ebenfalls silikatische Grundmasse eingebettet. Chondrite sind etwa zehnmal so häufig wie die Achondrite, Steinmeteorite ohne Chondren, die durch Schmelzprozesse aus primärem Material hervorgegangen sind. Kohlige Chondrite weisen in der Grundmasse bis zu 5 % Kohlenstoff und Kohlenstoffverbindungen auf; sie enthalten außerdem neben freiem Wasser auch Kristallwasser. Sie stellen das ursprünglichste, am wenigsten veränderte Meteoritenmaterial dar, das sich bei der Entstehung des Planetensystems aus dem solaren Nebel bildete.
 
2) Eisenmeteorite (Nickeleisenmeteorite) bestehen zu über 90 % aus Meteoreisen. Andere Minerale treten oft in runden Knollen (v. a. aus Graphit und dem Eisensulfid Troilit) auf. Eine weitere Unterteilung erfolgt nach den durch Anschliff und leichtes Anätzen der Oberfläche zutage tretenden Strukturen: durch feine, parallele Linien, die neumannschen Linien, zeichnen sich die Hexaedrite aus; sie bestehen aus dem Meteoreisen Kamazit. Gröber sind die widmanstättenschen Figuren, Kennzeichen der durch Verwachsung von Kamazit und Taenit gebildeten Oktaedrite; die Zwischenräume sind mit Plessit gefüllt. Selten sind Ataxite aus feinkörniger, strukturloser Meteoreisenmasse.
 
3) Unter den Stein-Eisen-Meteoriten unterschied man früher die achondritischen Siderolithe, bei denen die Silikate gegenüber dem Meteoreisen überwiegen, von den Lithosideriten, bei denen das anteilmäßig vorherrschende Meteoreisengerüst mit Silikaten gefüllt ist. In den Pallasiten enthalten die Hohlräume des Meteoreisens u. a. große Olivinkristalle. Mesosiderite bestehen ebenfalls aus Silikaten und Meteoreisen, aber in viel feinerer, unregelmäßiger Verwachsung. Lodranite sind seltene Mesosiderite mit etwa gleichem Anteil aus Nickeleisen, Olivin und Pyroxenen.
 
Meteorite enthalten keine chemischen Elemente, die nicht auf der Erde vorkommen. Alle bekannten Elemente sind auch in den Meteoriten vertreten, allerdings in anderer Häufigkeit. Meteorite sind z. B. relativ reich an Edelmetallen wie Iridium, Osmium und Rhenium (Argumente für ein Auslöschen der Dinosaurier durch Meteoriteneinfall) sowie Nickel, am häufigsten sind Sauerstoff, Eisen und Silicium. Die Kohlenstoffverbindungen der kohligen Chondrite sind nicht biogen, bieten also keine Beweise für die Anwesenheit von Leben außerhalb der Erde.
 
Durch Aufschmelzvorgänge während des Eindringens in die Erdatmosphäre ist die Oberfläche der Meteoriten geglättet, abgerundet. Kleinere Steinmeteorite sind meist rundlich-knollig. Häufig sind konische, seltener keulen- und säulenartige oder zackige Formen. Beim Durchqueren der Atmosphäre sind Vorder- und Rückseite manchmal unterschiedlich gestaltet worden: Flache, näpfchenförmige Vertiefungen (»Regmaglyphen«) entstanden durch ungleichmäßiges Abschmelzen, sie sind oft radial angeordnet. Die dünnen Schmelzrinden aus eisenhaltigem Glas oder Eisenoxid werden durch Verwitterung rasch zerstört.
 
Gefährdungspotenzial:
 
Die Anzahl der jährlich auf die Erdoberfläche niederfallenden Meteorite wird auf fast 20 000 geschätzt. Bisher wurden etwas mehr als 900 Meteoritenfälle direkt beobachtet und die Meteorite geborgen. Von den mehr als 10 000 Meteoritenfunden stammen nur etwa 2 600 nicht vom antarktischen Inlandeis, das selbst sehr kleine Meteorite wegen der mangelnden Verwitterung gut bewahrt. An den Meteoritenfällen sind Steinmeteorite mit 94 %, Eisenmeteorite mit 5 % und Zwischenformen mit 1 % beteiligt, wobei aber Eisenmeteorite durchschnittlich erheblich größer als Steinmeteorite sind. Der größte bisher entdeckte Meteorit ist der Eisenmeteorit auf der Hoba-Farm in Namibia (54,4 t; 1920), der größte Steinmeteorit stammt von Jilin, China (1,8 t; 1976). Durch Mikrometeorite und kosmischen Staub erhält die Erde jährlich einen Zuwachs von einigen 10 000 t, doch sind diese Angaben sehr unsicher.
 
Die Gefährdung von Menschen durch Meteoriteneinschlag ist trotz der Häufigkeit der aufgefundenen Objekte nur gering - es ist kein Fall bekannt, bei dem ein Mensch von einem Meteoriten erschlagen worden wäre. Nur wenn die geologische Vergangenheit der Erde betrachtet wird, lassen sich Anzeichen für wirklich globale Katastrophen finden, die in den letzten 500 Millionen Jahren mehrmals zu einem Massenaussterben eines großen Teils der fossil nachgewiesenen Tierarten geführt haben und von Einschlägen sehr großer Meteoroiden oder Planetoiden verursacht worden sein könnten. Um die potenzielle Gefahr solcher Planetoiden auf einer einheitlichen Skala angeben zu können, führte die Internationale Astronomische Union (IAU) 1999 die Turiner Skala (Turiner Einschlagsgefahrenskala) ein. Sie ordnet das Gefährdungspotenzial der Planetoiden in 10 Stufen mit steigendem Gefährdungsgrad an, bei dem der Wert null (»weiße Zone«) keine Kollisionsgefährdung bedeutet.
 
Stufen 1-4: Die ersten Stufen enthalten bedenkliche Planetoiden, die mit einer Wahrscheinlichkeit von bis zu 1 % mit der Erde kollidieren können. Der Wert 1 wird der »grünen Zone«, die Werte 2 bis 4 der »gelben Zone« zugerechnet.
 
Stufen 5-7: Die Werte 5 bis 7 (»orange Zone«) umfassen gefährliche Planetoiden, bei denen die erhöhte Gefahr einer Kollision besteht, wobei die Wirkung von lokal (etwa ein mittelgroßer Staat) über regional (etwa ein Kontinent) bis global reicht.
 
Stufen 8-10: In den letzten drei Stufen (»rote Zone«) sind Planetoiden erfasst, die sicher mit der Erde kollidieren werden, wiederum mit lokalen bis globalen Auswirkungen. Die geschätzte Häufigkeit der in der Skala berücksichtigten Einschläge reicht von einmal alle 50 Jahre für kleine Meteorite bis zu einmal alle 100 000 Jahre für große Objekte. Bislang gibt es jedoch keinen bekannten Planetoiden, der über die Stufe 1 hinauskäme, und selbst die Kandidaten der Stufe 1 konnten bisher nach einer genauen Vermessung ihrer Bahn fast immer wieder zur Stufe null zurückgestuft werden.
 
Bedeutung von Meteoritenfunden:
 
Als einzige direkte Zeugen extraterrestrischer Materie - neben Gesteinsproben vom Mond - sind die Meteorite von hohem wissenschaftlichem Interesse, v. a. durch ihr Alter und ihre Herkunft, die wichtige Schlüsse zur Entstehung des Sonnensystems zulassen. Das Alter wird aufgrund der Isotopenhäufigkeitsverhältnisse bestimmt (Altersbestimmung); es beträgt für die Eisen- und Steinmeteorite als Gesteine etwa 4,6 Mrd. Jahre. Dieses Erstarrungsalter wird gleichzeitig als Alter der Erde und des Sonnensystems angesehen. Die Verweilzeit im Weltraum, während der die Meteoroiden der kosmischen Strahlung ausgesetzt waren (Bestrahlungsalter), unterscheidet sich dagegen deutlich zwischen Steinmeteoriten (1-200 Mio. Jahre) und Eisenmeteoriten (1 Mio. bis über 2 Mrd. Jahre). Ähnliches gilt für das terrestrische Alter (seit dem Fall auf die Erde): der älteste datierte Eisenmeteorit (Tamarugal, Chile) ist 1,5 Mio. Jahre, der älteste Chondrit über 20 000 Jahre alt.
 
Beobachtungen von Meteorbahnen ergaben, dass die Meteorite zum Sonnensystem gehören. Das im Vergleich zum Erstarrungsalter geringe Bestrahlungsalter zeigt, dass die Meteorite aus großen Mutterkörpern hervorgegangen sind, die beim Zusammenstoß mit anderen Körpern zerstört wurden. Bisher wurden mindestens 20 verschiedene Ursprungskörper der Meteorite identifiziert. Eine kleine Gruppe von Meteoriten stammt vermutlich vom Mars (12 Funde bis Anfang 1996), andere vom Mond (15 Funde). Meteoreisen wurde schon seit dem 6./5. Jahrtausend gelegentlich als Rohstoff verwendet. Erste Berichte über Meteoritenfälle sind in China 861, in Europa (Ensisheim) 1492 verzeichnet worden. E. F. F. Chladni wies als Erster auf den kosmischen Ursprung der Meteorite hin (1794). Tektite
 
Literatur:
 
R. W. Bühler: M. (Basel 1988);
 F. Heide: Kleine M.-Kunde (31988);
 
Meteorites and the early solar system, hg. v. J. F. Kerridge u. a. (Tucson, Ariz., 1988).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
Meteoriten und Meteore: Kosmische Katastrophen
 

Universal-Lexikon. 2012.