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Ritschl
Rịtschl,
 
1) Albrecht, evangelischer Theologe, * Berlin 25. 3. 1822, ✝ Göttingen 20. 3. 1889, Vetter von 2), Großvater von 3); war 1852-64 Professor in Bonn, ab 1864 in Göttingen. Zunächst von der Tübinger Schule (F. C. Baur) und damit von der Philosophie G. W. F. Hegels beeinflusst, wandte sich Ritschl Mitte der 1850er-Jahre der Philosophie I. Kants zu. Charakteristisch für seinen theologischen Ansatz wurde seither die Abkehr von Metaphysik und Spekulation und die Hinwendung zum Positivismus. Ausgangspunkt war für Ritschl die Wirklichkeit und Exklusivität der Offenbarung: Gott offenbart sich in Jesus Christus als Liebe, rechtfertigt damit den Menschen von Schuld und Sünde und befreit ihn zur geistigen Herrschaft über die Welt. Christus stellte sich für Ritschl v. a. als ein ethisches Vorbild dar; das Reich Gottes, für ihn zugleich das höchste Gut und sittliches Ideal, lässt sich in der sittlichen Vervollkommnung des Menschen als eine innerweltliche Größe realisieren. Ritschl war der herausragende evangelische Theologe der wilhelminischen Zeit. In Ritschls weitgehender Identifikation von Christentum und Kultur (Kulturprotestantismus) und seinem Appell an die Pflichterfüllung im beruflichen Alltag spiegelt sich das bürgerlich-protestantische Selbstverständnis des deutschen Kaiserreiches.
 
Werke: Die Entstehung der altkatholischen Kirche (1850); Die christliche Lehre von der Rechtfertigung und Versöhnung, 3 Bände (1870-74); Geschichte des Pietismus, 3 Bände (1880-86).
 
Ausgabe: Gesammelte Aufsätze, herausgegeben von D. Ritschl (1893).
 
Literatur:
 
Gottes Reich u. menschl. Freiheit. R.-Kolloquium, hg. v. J. Ringleben (1990).
 
 2) Friedrich Wilhelm, klassischer Philologe, * Großvargula (bei Erfurt) 6. 4. 1806, ✝ Leipzig 8. 11. 1876, Vetter von 1); wurde 1832 Professor in Halle (Saale), 1833 in Breslau, 1839 in Bonn und 1865 in Leipzig; war 1842-76 Herausgeber des »Rheinischen Museums für Philologie«, grundlegende Arbeiten zum Altlatein.
 
Werke: Opuscula philologica, 5 Bände (1866-79).
 
Herausgeber: T. M. Plauti comoediae, 9 Teile (1848-54).
 
 3) Hans, Finanzwissenschaftler, * Bonn 19. 12. 1897, ✝ Freiburg im Breisgau 12. 11. 1993, Enkel von 1); seit 1928 Professor u. a. in Basel, Straßburg, Tübingen und Hamburg (1946-66); Forschungen v. a. zu finanztheoretischen und -politischen Themen (v. a. Theorie der Kollektivbedürfnisse) sowie zur Lehre von den Wirtschaftsordnungen.
 
Werke: Gemeinwirtschaft und kapitalistische Marktwirtschaft (1931); Theoretische Volkswirtschaftslehre, 2 Bände (1947-48); Die Besteuerung der Genossenschaften (1955); Die Besteuerung der öffentlichen Unternehmen (1960); Marktwirtschaft und Gemeinwirtschaft (1973).
 
 4) Otto, Maler und Grafiker, * Erfurt 9. 8. 1885, ✝ Wiesbaden 1. 7. 1976; Autodidakt. Sein Werk bis 1925 reflektiert kubistische und surrealistische Tendenzen; seit den 30er-Jahren (Malverbot 1933) entstanden abstrakte Kompositionen. Über eine konstruktivistische Phase in den 50er-Jahren gelangte er ab 1959 zu freien Farbharmonien in lockerer Malweise.
 
Literatur:
 
O. R., das Gesamtwerk, 1919-1972, hg. v. K. Leonhard (1973);
 
O. R. 1885-1976, bearb. v. K. Schlichtenmaier, Ausst.-Kat. Galerie Schlichtenmaier, Schloss Dätzingen (1994).

Universal-Lexikon. 2012.