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Bildungspolitik
Bịl|dungs|po|li|tik 〈f.; -; unz.〉 das Bildungswesen betreffende Politik

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Bịl|dungs|po|li|tik, die:
Teil der Kulturpolitik, der die Maßnahmen u. Richtlinien für das Bildungswesen bestimmt.

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Bildungspolitik,
 
alle im Rahmen der allgemeinen Kultur-, Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik auf den Ausbau und die Umgestaltung des Bildungswesens gerichteten politischen Aktivitäten. Während die herkömmliche reaktive Bildungspolitik das bestehende Schul- und Hochschulwesen an die gewandelten gesellschaftlich-ökonomische Rahmenbedingungen nur nachvollziehend anpasste und ihnen durch Änderungen der Lehrpläne und Schulstrukturen gerecht zu werden suchte, will die heute favorisierte projektive Bildungspolitik für vermutete künftige Entwicklungen rechtzeitig entsprechende Bildungsgänge konzipieren. Damit unterscheidet sie sich grundsätzlich von der partikularen Schulpolitik der Vergangenheit und bezieht das Bildungswesen in seiner Gesamtheit ein; Beispiel dafür ist der Bildungsgesamtplan der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung. Grundlage einer projektiven Bildungspolitik ist eine auf umfassender Bildungsforschung beruhende Bildungsplanung, wie sie seit etwa 30 Jahren im früheren Bundesgebiet und heute in Deutschland schrittweise entwickelt wird. Bildungsplanung hat unterschiedliche Aspekte. Bei grundsätzlicher Zustimmung zu den Strukturen des bestehenden Bildungssystems wird sie als Ausbauplanung betrieben (Bereitstellung der erforderlichen finanziellen, personellen und sachlichen Voraussetzungen); sofern partielle oder radikale Eingriffe in die organisatorische Grundstruktur erstrebt werden, stellt sich Bildungsplanung als Reformplanung dar. Im Hinblick auf die Realisierung von Bildungspolitik ist zu unterscheiden zwischen Konzeptplanung (z. B. das Modell der horizontal gegliederten Stufenschule anstelle der vertikalen Gliederung nach Schularten), Entscheidungsplanung angesichts von Alternativplänen als Basis für die zu treffenden legislativen Maßnahmen und Realisierungsplanung zur Verwirklichung vorausgegangener Grundsatzentscheidungen. Jeder längerfristige Bildungsplan muss der tatsächlichen Entwicklung fortlaufend angepasst werden. Instanzen der Bildungspolitik sind die legislativen und exekutiven staatlichen Stellen. Für Deutschland ergibt sich eine besonders Problematik aus dem Prinzip des Kulturföderalismus der Länder; verfassungsrechtlich ist Bildungspolitik prinzipiell Ländersache. Da dadurch jedoch die Zersplitterung des Bildungswesens droht, die eine Binnenwanderung innerhalb Deutschlands für Familien mit Kindern sehr erschweren, wenn nicht unmöglich machen und zudem die Flexibilität bei beruflicher Ausbildung und Studium beeinträchtigen kann, setzten schon früh Bemühungen um eine Koordinierung der Bildungspolitik der Länder ein. Institutionell stellt die Konferenz der Kultusminister der Länder das wichtigste Konsultationsgremium dar; die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für eine koordinierte Bildungspolitik von Bund und Ländern wurden durch die Einfügung der Artikel 91 a und b in das GG geschaffen. Verbindliche Rahmenabkommen wurden durch die Ministerpräsidenten abgeschlossen (Düsseldorfer Abkommen, Hamburger Abkommen). Von Bund und Ländern gemeinsam bestellte Expertengremien haben Empfehlungen zur strukturellen Umgestaltung des Bildungswesens erarbeitet (Deutscher Ausschuss für das Erziehungs- und Bildungswesen, Deutscher Bildungsrat, Wissenschaftsrat); schließlich wurde durch ein Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Ländern 1970 die Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung geschaffen, die 1973 den Bildungsgesamtplan vorgelegt hat. Durch das Hochschulrahmengesetz des Bundes von 1976 wurden verbindliche Vorgaben für die Hochschulgesetze der einzelnen Länder gemacht.
 
Wenn auch der Weg dahin umstritten bleibt, sind allgemein anerkannte Ziele der Bildungspolitik Verbesserung der Chancengleichheit, Steigerung der Leistungsfähigkeit und Individualisierung der Bildungsgänge, Bereitstellung ausreichender Kapazitäten in allen Bereichen des Bildungssystems, eine wissenschaftliche fundierte Curriculumreform in den allgemein bildenden und beruflichen Schulen und die Erprobung neuer Organisationsstrukturen und Curricula durch Schulversuche samt wissenschaftlicher Begleitforschung, ehe sie verbindlich eingeführt werden, sowie Ausbildungs- und Studienförderung, damit möglichst jeder den ihm rechtlich zugestandenen Bildungsweg gemäß seiner Eignung und Neigung wahrnehmen kann.
 
Bildungspolitik ist aus Gründen des Budgets genötigt, Prioritäten zu setzen, die selber wieder bildungs- und gesellschaftspolitisch zu verantworten sind. So hat z. B. die Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung 1972 Konsens über folgende fünf Prioritäten gefunden: Verbesserungen im Elementarbereich - berufliche Bildung bis zum Abschluss des Sekundarbereichs II - Einführung der Orientierungsstufe - Ausgleich des Lehrerbedarfs - Erweiterung der Kapazität im Hochschulbereich. Diese relativ globalen Ziele gewinnen ihre konkrete Gestalt erst im Zuge der Verwirklichung. Dabei sind durch die Verteilung der Entscheidungskompetenzen zwischen Ländern und den kommunalen Schulträgern sowie die verfassungsmäßige Ordnung von Exekutive, Legislative und Gerichtsbarkeit regulative Faktoren gegeben. Während in der Vergangenheit die Exekutive sehr viele Probleme des inneren und äußeren Schulbetriebs auf dem Erlasswege regeln konnte, werden heute nicht nur einzelne Verwaltungsakte, sondern auch Lehrplanfragen, Reformpläne, Zielformulierungen u. a. weiter reichende Entscheidungen der gerichtlichen Überprüfung unterworfen. Dies führt zu einer Stärkung des Einflusses der Legislative. Der gewonnenen Transparenz steht durch den Erlass von Rechtsverordnungen eine »Verrechtlichung« des Bildungswesens gegenüber, durch die pädagogischen Freiräume und damit Möglichkeiten schöpferischer Gestaltung eingeengt werden können. Auf jeden Fall ist der Rechtsraum für die Bildungspolitik von wachsender Relevanz.
 
Zu den Streitpunkten der Bildungspolitik in Deutschland gehört v. a. die Frage der organisatorischen Ausgestaltung des Sekundarbereichs I. Während die einen im Ausbau des traditionellen dreigliedrigen Schulsystems mit Hauptschule, Realschule und Gymnasium die Gewährleistung einer qualifizierten Schulbildung sehen, lehnen ihre Kritiker dieses System als Reproduktion der Standesschule des 19. Jahrhunderts ab und plädieren für die differenzierte und integrierte Gesamtschule als organisatorischer Rahmen für eine optimale Verwirklichung der Chancengleichheit und Steuerungsmittel gegen das konstatierte Bildungsgefälle. Je nach parteipolitischer Konstellation in den einzelnen Ländern ist die Gesamtschule Schulversuch oder Regelschule neben Hauptschule, Realschule und Gymnasium. In Nordrhein-Westfalen sieht sich die Bildungspolitik vor das Problem gestellt, unter welchen Voraussetzungen die Gemeinde als Schulträger notfalls gezwungen werden kann, eine Gesamtschule auch gegen den Willen der Mehrheit einzurichten. Bei abnehmenden Schülerzahlen erweist es sich zudem als schwierig, die Bestandsgarantie für die traditionellen Schulformen neben der Gesamtschule einzulösen.
 
Bildungspolitik steht nicht nur in innerstaatlichen, sondern auch in übernationalen Zusammenhängen. So hat die Freizügigkeit innerhalb der EU, die Anerkennung des Abiturs als Hochschulzugang in den europäischen Ländern nachhaltigen Einfluss auf die nationale Bildungspolitik; Überlegungen zur Aufrechterhaltung oder Anhebung der Konkurrenzfähigkeit mit anderen Industrienationen durch eine angemessene Struktur und Angebote im Bildungswesen bleiben ebenfalls nicht ohne Folgerungen. Auch die Hilfe für die Dritte Welt hat nicht nur eine wirtschafts- und sozialpolitische, sondern auch eine bildungspolitische Komponente.
 
Österreich:
 
Österreich, Bildungswesen.
 
In der Schweiz ist die Bildungspolitik Sache der einzelnen (26) Kantone, zum Teil (Berufsbildung, Hochschulen) auch des Bundes. Die Vorsteher der Erziehungsdepartemente (Mitglieder der Kantonsregierungen) bilden seit 1987 die »Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren« (EDK). Die EDK vollzieht das »Konkordat über die Schulkoordination« von 1970, dem 25 Kantone beigetreten sind. Wichtige Themen der Bildungspolitik sind: Chancengerechtigkeit, Anerkennung der schulischen und beruflichen Abschlüsse, Gleichwertigkeit von beruflicher und allgemeiner Bildung, einheitliche Lehrerbildung, Integration der Ausländerkinder, Finanzierung und Koordination der Universität, Aufbau von Fachhochschule (seit 1995).
 
Literatur:
 
M. Bormann: Bildungsplanung in der Bundesrep. Dtl. System u. Grundlagen (1978);
 J. Baumert u. a.: Das Bildungswesen in der BRD (1979);
 E. Rau u. P. Wordelmann: Einf. in Theorien u. Methoden polit. Planung am Beispiel der Bildungsplanung (1980);
 J. W. Süvern: Die Reform des Bildungswesens. Schr. zum Verhältnis von Pädagogik u. Politik (1981);
 A. Antweiler: Ist Bildung planbar? (1982);
 
Schule zw. Recht, Politik u. Planung, hg. v. R. Brockmeyer u. P. Hamacher (1982);
 K. Spiekermann: Bürgerl. Herrschaft u. Bildungsfreiheitsrechte (1982);
 Klaus-Dieter Schmidt: Arbeitsmarkt u. B. (1984);
 M. G. Lieb: Organisationsstruktur u. Bildungssystem (1986);
 
B. im Umbruch, hg. v. H. Giger (Zürich 1991);
 
B. in Dtl. 1945-1990, hg. v. O. Anweiler u. a. (1992);
 C. Hölzle: B. in der Europ. Gemeinschaft (1994);
 
B. seit der Wende. Dokumente zum Umbau des ostdt. Bildungssystems (1989-1994), hg. v. H.-W. Fuchs u. L. R. Reuter (1995).
 
Schweiz: S. Kislig: Bildungsfinanzierung u. Bildungsplanung (Bern 1982);
 U. K. Hedinger u. S. Wyttenbach: Zur Entwicklung der Schulstrukturen (Bern 1984);
 
B. im schweizer. Föderalismus. Festschrift für E. Egger (Bern 1985).

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Bịl|dungs|po|li|tik, die: Teil der Kulturpolitik, der die Maßnahmen u. Richtlinien für das Bildungswesen bestimmt.

Universal-Lexikon. 2012.