Gen|the|ra|pie 〈f. 19; Med.〉 Behandlung von Krankheiten mithilfe der Veränderung od. Übertragung von Genen ● durchtrennte Nervenfasern mithilfe der \Gentherapie zu neuem Wachstum anregen
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Gen|the|ra|pie, die (Med.):
Therapieform, bei der körpereigenen Zellen ein fremdes Gen übertragen wird, das diese aufgrund eines Gendefekts nicht selbst herstellen können.
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Gentherapie,
experimentelle Behandlungsform genetisch bedingter Erkrankungen durch gezielte Veränderungen der Erbsubstanz des Menschen. Hierbei ist zu unterscheiden zwischen der somatischen Gentherapie, der Korrektur genetischer Defekte in Körperzellen, und der Keimbahn-Gentherapie, die in Zellen der Keimbahn vorgenommen wird und die Vererbung der eingeführten Veränderung an die folgenden Generationen einschließt. Ziel der Gentherapie ist die Einführung eines definierten DNA-Stückes in das menschliche Genom zur Kompensation pathologischer genetischer Veränderungen durch den Ersatz oder die Korrektur fehlender oder gestörter Genfunktionen (Substitutionstherapie), die Unterdrückung pathogener Genaktivitäten (Suppressionstherapie) oder die Stärkung vorhandener physiologischer Prozesse (Additionstherapie). Bisher (1996) sind etwa 6 600 monogen vererbte genetische Erkrankungen oder Erbmerkmale bekannt. Seit 1989 laufen Versuche, die Gentherapie auch beim Menschen anzuwenden. Hauptprobleme sind: Es ist zwar möglich, fremde Gene in den Zellkern einzubringen, jedoch kann nicht beeinflusst werden, an welcher Stelle ein Fremdgen integriert wird; ebenso wenig kann die Regulation der Genexpression kontrolliert oder beeinflusst werden, die für ein einwandfreies Funktionieren notwendig ist. Aus Experimenten zur Erzeugung transgener Organismen ist bekannt, dass durch den Einbau von Fremdgenen in das Genom eines Organismus neue Mutationen mit zum Teil schwerwiegenden Folgen entstehen können, wenn das fremde Gen innerhalb der codierenden Region eines anderen Gens eingebaut wird.
Nachdem 1990 erstmals in den USA durch Implantation gentechnisch veränderter Blutzellen der Versuch unternommen wurde, eine Krankheit durch Gentherapie zu heilen, wurden bis Mitte 1994 weltweit rd. 100 Menschen mit Gentherapie behandelt. Die ersten Gentherapien in Deutschland wurden im Frühjahr 1994 in Berlin und Freiburg im Breisgau durchgeführt, und zwar bei Patienten mit Nierenzell- und Dickdarmkrebs; bis Mitte 1994 gingen beim Bundesministerium für Forschung und Technologie (BMFT) etwa 180 Anträge zur Gentherapie ein. Es gelang bislang nicht, mittels Gentherapie eine Krankheit zu heilen, jedoch sind die ersten Patienten, die an einer erblichen Immunschwäche (ADA-Defizienz) litten, die durch die Fehlfunktion eines Enzyms (Adenosindesaminase; Abkürzung ADA) verursacht wird, seit der Gentherapie beschwerdefrei; sie müssen die Behandlung mit den gentechnisch veränderten Zellen jedoch von Zeit zu Zeit wiederholen, und es ist noch offen, ob dieser Erfolg langfristig erhalten werden kann. In der Entwicklung befinden sich zurzeit gentherapeutische Methoden zur Behandlung verschiedener Krebsformen, von Mukoviszidose, Bluterkrankheit, erblich bedingtem, extrem erhöhtem Blutfett (Hypercholesterolemie), Sichelzellenanämie, Thalassämie, Diabetes, Osteoporose, Alzheimerkrankheit, Hepatitis B, Erkrankungen des Zentralnerven- und des Herz-Kreislauf-Systems sowie Aids. Studien zur Behandlung von Erbkrankheiten, dem ursprünglichen Ziel der Gentherapie, sind unterdessen zumindest zahlenmäßig in den Hintergrund getreten. Etwa 65 % der Studien beschäftigen sich mit verschiedenen Krebskrankheiten, 10 % mit HIV-Infektionen und nur etwa 25 % mit Erbkrankheiten.
Über die Wirksamkeit der Gentherapie sind noch keine zuverlässigen Aussagen möglich, da bis heute (1996) in klinischen Studien noch keine andauernde Heilung einer Erkrankung erzielt wurde. Methodische Fortschritte in der Gentherapie, z. B. effektivere Vektoren (Genfähren) und bessere Kenntnisse der Steuerung der Genaktivität, sind durch weitere Grundlagenforschung zu erwarten. Prinzipiell wird die somatische Gentherapie als vertretbare Therapieform angesehen, gegen die keine grundsätzlichen ethischen Bedenken bestehen; dies unter der Bedingung, dass ihre Anwendung keine unkalkulierbaren Risiken birgt und ein klarer Indikationskatalog vorliegt. In Deutschland gibt es bislang keinen rechtlichen Rahmen für den Einsatz der somatischen Gentherapie. Angestrebt wird sowohl die Bildung einer bundesweiten Ethikkommission als auch eine rechtzeitige Regelung der Zulassungsvoraussetzungen für den Einsatz der Gentherapie, entweder im Arzneimittelgesetz oder in eigenen Rechtsvorschriften. Die Keimbahn-Gentherapie hingegen, die eine Weitergabe der gentechnischen Veränderung der Erbanlagen des Menschen an die Nachkommen ermöglichen würde, wird von den meisten Wissenschaftlern als ethisch nicht vertretbar abgelehnt. Sie ist in Deutschland gemäß § 5 des Embryonenschutzgesetzes vom 13. 12. 1990 verboten.
Gene therapeutics. Methods and applications of direct gene transfer, hg. v. J. A. Wolff (Boston, Mass., 1994);
Ethik u. G. zum prakt. Diskurs um die molekulare Medizin, hg. v. C. Rehmann-Sutter u. Hansjakob Müller (1995).
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
Gentechnik in der Medizin
Gentechnik: Anwendung in Pharmazie und Medizin
Medizin: Die Biotechnik eröffnet neue Wege
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Gen|the|ra|pie, die (Med.): (noch in der Entwicklung befindliche) Therapie, bei der (bes. zur Behandlung von Infektions- u. Krebskrankheiten) körpereigenen Zellen ein fremdes Gen übertragen wird, das diese Zellen aufgrund eines Gendefekts nicht selbst herstellen können: Mithilfe der G. hofft die Medizin, in Zukunft das Erbgut menschlicher Zellen verändern zu können (Welt 6. 11. 85, 1).
Universal-Lexikon. 2012.