Mu|sik|ge|schich|te 〈f. 19; unz.〉 (wissenschaftl. Erforschung der) Geschichte der Musik
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Mu|sik|ge|schich|te, die:
1. <o. Pl.>
a) geschichtliche Entwicklung der Musik;
b) Wissenschaft von der geschichtlichen Entwicklung der Musik als Teil der Musikwissenschaft.
2. Werk, das die Musikgeschichte (1 a) zum Thema hat.
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Musikgeschichte,
Bezeichnung sowohl für den Ablauf allen auf die Musik bezogenen Geschehens in der Vergangenheit, wie es sich in der Entwicklung von Komposition (Stile, Gattungen, Satztechniken), Tonsystemen, Notenschrift und Instrumenten offenbart, als auch für die Erforschung und Darstellung dieses Geschehens. Den wissenschaftlich-literarischen Niederschlag finden die musikhistorische Betrachtung und deren Gegenstand in der Musikgeschichtsschreibung, die auf der Basis der musikwissenschaftlichen Detailforschung eine Zusammenschau anstrebt und durch den steten Wandel ihrer Fragestellungen selbst wieder Geschichte wird. Das spätantike (Pseudo-Plutarch, 2./3. Jahrhundert) und mittelalterliche Schrifttum (z. B. Isidor von Sevilla, »Etymologiae«; Guido von Arezzo, »Micrologus«) enthält frühe Beispiele historischer Betrachtung. Während im Mittelalter die Herausbildung musikalischer Neuerungen in einem ungebrochenen, das jeweils Neue aus dem Alten ableitenden Traditionsprozess erfolgt (Ars antiqua, Ars nova), wird im Humanismus und in der Renaissance mit der Ausrichtung an antiken Vorbildern der Boden bereitet für das moderne Bewusstsein von Geschichte als Gegenstand einer Wiederentdeckung und geistigen Durchdringung der musikalischen Vergangenheit mittels Sammeln und kritischer Auswertung der Quellen, wie es im 17. Jahrhundert ansatzweise in Arbeiten von M. Praetorius, A. Kircher, W. C. Printz und G. A. Bontempi zu beobachten ist. Die musikalischen Universalgeschichten des 18. Jahrhunderts, u. a. von Charles-Henri de Blainville (* 1711, ✝ 1769), Jean-Benjamin de Laborde (* 1734, ✝ 1794), G. B. Martini, John Hawkins (* 1719, ✝ 1789), C. Burney, J. N. Forkel, vertreten die aufklärerische Auffassung eines stufenweisen Fortschritts zur Vervollkommnung, die in der Regel mit der Kanonisierung eines bestimmten Epochenstils oder eines herausragenden Komponisten verbunden ist. Im 19. Jahrhundert dringt bei F.-J. Fétis und Raphael Georg Kiesewetter (* 1773, ✝ 1850) der Gedanke des organischen Wachstums und der Eigenwertigkeit jeder musikgeschichtlichen Epoche durch, dem A. W. Ambros noch die kulturhistorische Perspektive hinzufügt. Zugleich verlagert sich das Interesse im Gefolge historischer Wiedererweckungsbemühungen (Neuausgaben alter Musik und nationale Denkmäler, Komponistengesamtausgaben) auf die Spezialforschung. Einen Schwerpunkt bildet die Musikerbiographie (G. Baini, »Memoire. .. du G. P. da Palestrina«, 2 Bände, 1828; O. Jahn, »W. A. Mozart«, 4 Teile, 1856-59; F. Chrysander, »G. F. Händel«, 3 Bände, 1858-67; A. W. Thayer, »Ludwig van Beethovens Leben«, 3 Bände, 1866-79; P. Spitta, »Johann Sebastian Bach «, 2 Bände, 1873-80). Das 20. Jahrhundert bringt ein neues Verständnis der Musikgeschichte als Problemgeschichte (H. Riemann), als Stilgeschichte (G. Adler), als Form- und Gattungsgeschichte (H. Kretzschmar, A. Schering, Hugo Leichtentritt, * 1874, ✝ 1951) und als Geistesgeschichte (W. Gurlitt, H. Besseler, J. Chailley, J. S. Handschin, Ernst Bücken, * 1884, ✝ 1949, Manfred Bukofzer, * 1910, ✝ 1955).
Die neuere Forschung ist durch die fortschreitende Spezialisierung und die Ausbildung neuer Teildisziplinen, z. B. Musikterminologie, Musikikonographie (Ikonographie), gekennzeichnet sowie durch den Versuch, die in anderen Wissenenen wie Soziologie, Psychologie, Ethnologie, Informationstheorie, Literatur- und Sprachwissenschaft erarbeiteten Methoden und Erkenntnisse für die Interpretation musikgeschichtlicher Phänomene zu nutzen. So wird alles musikalisch Geschaffene in den Kontext seiner Entstehung und seines Fortlebens gestellt und aus sozial-, ideen-, institutionsgeschichtlichen, psychologischen oder anthropologischen Gegebenheiten heraus erklärt. Oder es wird umgekehrt aus der Art der Musik auf allgemeine vorherrschende Denk- oder Bewusstseinsformen oder auf die innere Verfassung des oder der Produzenten oder der Rezipienten geschlossen. In diesem Zusammenhang treten die Gebiete der Musikrezeption und der funktionalen und populären Musik zunehmend in den Vordergrund der historiographischen Bemühung. Ein anderer Schwerpunkt ist die Kompositionsgeschichte. Sie ist traditionell auf das schriftlich fixierte musikalische Kunstwerk von Rang gerichtet, begreift es jedoch nicht mehr allein als partielles Dokument der Biographie des Komponisten oder eines Personal-, Gattungs- oder Epochenstils, sondern sucht es als ästhetischen Gegenstand in seiner Individualität und im Funktionszusammenhang der Ganzheit seiner technischen und formalen Elemente zu verstehen. Ihr Problem ist die Eingliederung des isolierten Werks in die Kontinuität der angenommenen immanenten musikgeschichtlichen Entwicklung.
G. Knepler: Zur Methode der M., in: Beitr. zur Musikwiss. 3 (1961);
W. F. Kümmel: Gesch. u. M. (1967);
Studien zur Tradition in der Musik. Kurt von Fischer zum 60. Geburtstag, hg. v. H. H. Eggebrecht u. a. (1973);
E. Hegar: Die Anfänge der neueren M.-Schreibung um 1770 (21974);
W. Braun: Das Problem der Epochengliederung in der Musik (1977);
C. Dahlhaus: Grundl. der M. (1977);
W. D. Freitag: Der Entwicklungsbegriff in der M.-Schreibung (1980);
W. Wiora: Ideen zur Gesch. der Musik (1980);
C. Kühn: Musiklehre. Grundl. u. Erscheinungsformen der abendländ. Musik (1981);
A. Schneider: Analogie u. Rekonstruktion. Studien zur Methodologie der M.-Schreibung u. zur Frühgesch. der Musik, Bd. 1 (1984);
W. Seidel: Werk u. Werkbegriff in der M. (1987);
H. H. Eggebrecht: Schreiben über Musik, in: Europ. Musik in Schlaglichtern, hg. v. P. Schnaus (1990);
J. Handschin: M. im Überblick (61990);
Epochen der M. in Einzeldarst.en, Vorw. v. F. Blume (Neuausg. 1992);
G. Dietel: M. in Daten (1994);
E. Hoetzl: M. heute? Versuch einer Perspektive (Wien 1995).
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Mu|sik|ge|schich|te, die: 1. <o. Pl.> a) geschichtliche Entwicklung der Musik; b) Wissenschaft von der geschichtlichen Entwicklung der Musik als Teil der Musikwissenschaft. 2. Werk, das die ↑Musikgeschichte (1 a) zum Thema hat.
Universal-Lexikon. 2012.