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Martini
Mar|ti|ni 〈ohne Artikel〉 = Martinstag ● an, zu \Martini

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Mar|ti|ni, das; - <meist ohne Art.>:
Martinstag.

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I
Martini,
 
Mạrtinstag, als Abschluss des bäuerlichen Wirtschaftsjahrs früher wichtiger Brauch-, Rechts- und Wirtschaftstermin. - Am Tag des heiligen Martin von Tours (11. 11.) begann seit dem 6. Jahrhundert das bis Weihnachten andauernde Adventsfasten (daher »alter Advent«); er galt auch als Winteranfang. Regional unterschiedliche Bräuche unterstrichen die Bedeutung des Tages: Umzüge, Feuer, Auftritt von Maskengestalten, Festspeisen (Martinsgans, Martinsgebäck), Bescherungen, Lieder und Spiele (Martinslieder). In protestantischen Gebieten waren die Bräuche später oft auf M. Luther bezogen. - Martini war ein Termin für den Wechsel der ländlichen Dienstboten und für Bestätigung oder Ablösung von Stadtbesoldeten; es wurden u. a. die Entlohnung des Gesindes, Abgabe des Zehnten, Zinslieferungen, die Regelung der Pacht sowie traditionelle und herrschaftliche Gegenleistungen fällig. Martini galt auch als Festtag der Hirten, die den Heiligen als Schützer der Herden verehrten. An Martini warteten sie ihrem Dienstherrn auf und wurden dafür belohnt. - Die Erinnerung an die Legende um Martin von Tours spielte zumindest mit, wenn an Martini eine Maskengestalt, der Martinsmann, den Kindern Geschenke brachte; die szenische Darstellung des Motivs der Mantelteilung knüpft ebenso an die Legende des Heiligen an. Im Rheinland wurde der Martinsbrauch schon im 19. Jahrhundert nach Maßstäben bürgerlicher Ästhetik umgestaltet, setzte sich in dieser Form mit Laternenumzug (Martinslampen), Martinsfeuer sowie Bescherung in seinen alten Verbreitungsgebieten (Rheinland, Belgien, Niederlande) als Volksfeiertag durch und bürgerte sich auch in Ober-Deutschland u. a. Regionen ein.
 
Literatur:
 
D. Sauermann: Neuzeitl. Formen des Martinsbrauches in Westfalen, in: Rheinisch-Westfäl. Ztschr. für Volkskunde, Jg. 14 (1967);
 E. Grabner: M.-Segen u. M.-Gerte in Österreich (Eisenstadt 1968);
 I. Weber-Kellermann: Saure Wochen, frohe Feste (1985);
 H. Schwedt: St. Martin vorwärtsreitend, in: Sichtweisen der Volkskunde, hg. v. A. Lehmann u. a. (1988);
 H. u. E. Schwedt: Jahresfeuer, Kirchweih u. Schützenfest (2 Karten), in: Geschichtl. Atlas der Rheinlande, Lfg. 3, Faszikel XI. 3 u. XI. 4 (1989).
 
II
Martini,
 
1) Arturo, italienischer Bildhauer, * Treviso 11. 8. 1889, ✝ Mailand 22. 3. 1947. Sein Schaffen hat die menschliche Gestalt zum Thema. Er verwendete zeitgenössische Anregungen (1911 in Paris), schloss sich nach einer expressiven Phase in Rom 1921 der Gruppe Valori Plastici an und bezog zunehmend auch die neoklassizistische Formensprache ein.
 
Werk: Livius Patavinus (1941-42; Padua, Philosophische Fakultät der Universität).
 
 2) Carlo Maria, italienischer katholischer Theologe, * Turin 15. 2. 1927; Jesuit; wurde 1952 zum Priester geweiht; war 1969-78 Rektor des Päpstlichen Bibelinstituts, anschließend der Gregoriana in Rom. Von 1980 bis Anfang Juli 2002 war Martini Erzbischof von Mailand; 1983 wurde er Kardinal. 1986-93 war er Präsident des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen. Martini ist einer der einflussreichsten Förderer des ökumenischen Dialogs in der katholischen Kirche Italiens und wurde durch seine publizistische Tätigkeit über Italien hinaus bekannt.
 
Werke: Il sogno di Giacobbe (1989; deutsch Dem Leben Richtung geben. Perspektiven für junge Leute); Il lembo del mantello (1991; deutsch Einschaltung. Ein Kardinal im Gespräch mit den Medien); Nel cuore della Chiesa e del mondo (1991; Perspektiven für Kirche und Welt); La Chiesa. Una, santa, cattolica, apostolica (1994; deutsch Die Kirche. Anregungen zu einem tieferen Verständnis); In cosa crede chi non crede? (1998, mit U. Eco; deutsch Woran glaubt, wer nicht glaubt?); Sul corpo (1999; deutsch Hören, was der Leib uns sagt).
 
 3) Ferdinando, italienischer Politiker und Schriftsteller, * Florenz 30. 7. 1841, ✝ Monsummano Terme (Provinz Pistoia) 24. 4. 1928; war seit 1875 linksliberaler Abgeordneter, 1892/93 Unterrichtsminister, 1897-1900 Statthalter von Eritrea, 1915-19 Kolonialminister und seit 1923 Senator. Trat mit Komödien nach Art der französischen »Proverbes« hervor (u. a. »Chi sa il giuoco non l'insegni«, 1872), schrieb Romane, Erzählungen (»La marchesa«, 1877), Essays und Erinnerungen (»Confessioni e ricordi«, 2 Bände, 1922-28), war einflussreicher Theaterkritiker.
 
 4) Francesco di Giorgio, eigentlich F. di Giorgio di Martino Pollaiuolo, italienischer Baumeister, Bildhauer, Maler und Kunsttheoretiker, * Siena 23. 9. 1439, ✝ ebenda 1501; kommt in seiner Vielseitigkeit dem Ideal der Renaissance vom universal tätigen Menschen nahe. Martini war v. a. als Festungsbaumeister und Militäringenieur an italienischen Höfen sehr gefragt und u. a. für Federigo da Montefeltre (* 1422, ✝ 1482) in Urbino tätig; er interessierte sich auch für römische Baukunst (Skizzenbuch). Sein Erfindungsreichtum war eine Quelle für Leonardo da Vinci, mit dem er in Mailand zusammentraf und der sein Architekturtraktat mit Notizen versah. 1485 ff. errichtete er den Kuppelbau Santa Maria del Calcinaio bei Cortona, 1498 wurde er Dombaumeister in Siena. Während er auf dem Gebiet der Architektur Ideen der Florentiner Frührenaissance weiterführte und in seinen Bronzearbeiten der Einfluss Donatellos wirksam wurde, blieb er als Maler dem sienesischen Stil seines Lehrers Vecchietta nahe.
 
Weitere Werke: Zwei Bronzeleuchterengel (Siena, Dom); Bronzerelief mit Beweinung Christi (Venedig, Chiesa del Carmine); Tafelbild Verkündigung (um 1475; Siena, Pinacoteca).
 
Ausgaben: Trattati di architettura, ingeneria e arte militare, herausgegeben von C. Maltese, 2 Bände (1967).
 
Das Skizzenbuch des F. di G. Martini, entstanden um 1470, 2 Bände (1989).
 
 
C. Maltese: F. di Giorgio (Mailand 1966);
 B. B. Fredericksen: The cassone paintings of F. di Giorgio (Los Angeles, Calif., 1969).
 
 5) Fritz, Literaturhistoriker, * Magdeburg 5. 9. 1909, ✝ Stuttgart 5. 7. 1991; wurde 1943 Professor in Stuttgart. Bekannt v. a. durch seine »Deutsche Literaturgeschichte von den Anfängen bis zur Gegenwart« (1949); daneben wichtige Arbeiten als Herausgeber (u. a. ab 1957 des »Jahrbuchs der Deutschen Schillergesellschaft«).
 
 6) Giovanni Battista, genannt Padre Martini, italienischer Musiktheoretiker und Komponist, * Bologna 24. 4. 1706, ✝ ebenda 3. 8. 1784; trat 1721 in den Franziskanerorden ein (Priesterweihe 1729) und wurde 1725 Kapellmeister an San Francesco in Bologna; galt in musikalischen Fragen zeitweise als die höchste Instanz nicht nur in Italien. Er hielt an dem Grundsatz fest, dass die Musik mathematisch begründet sei. Seine didaktische Tätigkeit war dem Studium klassischer polyphoner Werke gewidmet. So enthält seine Schrift »Esemplare ossìa Saggio fondamentale pratico di contrappunto sopra il canto fermo« (1774-76, 2 Bände) viele Kompositionen des 16.-18. Jahrhunderts, die als Vorbild für den Palestrina-Stil gelten können und die er mit kritischen Anmerkungen versah. Seine umfangreiche Bibliothek befindet sich heute in Bologna (Konservatorium). Zu seinen Schülern gehörten u. a. W. A. Mozart und J. C. Bach. Martini schrieb ferner »Storia della musica« (1757-81, 3 Bände, Band 4 unvollendet) und komponierte Messen, Oratorien, Konzerte, Orgelsonaten, Kammerduette und Kanons.
 
 
B. Wiechens: Die Kompositionstheorie u. das kirchenmusikal. Schaffen Padre M.s (1968).
 
 7) Simone, eigentlich Simone di Martino, italienischer Maler, * Siena 1284, ✝ Avignon Juli 1344. Nach vermutlich in Siena verbrachten Lehrjahren wird er 1315 durch eine Signatur und dokumentarisch um 1317 in Neapel fassbar; seit 1320 war er meist in Siena, ferner in Pisa, Orvieto und Assisi tätig, wo er mit der Freskoausstattung der Cappella di San Martino in der Unterkirche von San Francesco sein Hauptwerk schuf (1322-26; Szenen aus dem Leben des heiligen Martin von Tours); um 1340 ging er an den päpstlichen Hof nach Avignon. Martini ist neben Giotto, von dessen Werk er beeinflusst war (Raum, Licht, Bewegung), der bedeutendste italienische Maler des Trecento. Er führte die von Duccio begründete Maltradition der Schule von Siena zu höchster Blüte. Der Zauber seiner Werke beruht auf der Verbindung des gotischen Elements sanft schwingender Linien und zarter Farben mit der Wiedergabe der Stofflichkeit und lyrischer, eindringlicher Gebärdensprache. Sein Spätwerk in Avignon, v. a. die Fresken in der Vorhalle der Kathedrale (Sinopien zum Teil erhalten) und das kleinformatige Tafelbild »Der zwölfjährige Jesus im Tempel« (1342; Liverpool, Walker Art Gallery), war für die weitere Entwicklung der Malerei in Frankreich von Bedeutung (u. a. für die Schule von Avignon und die französische Buchmalerei des 14./15. Jahrhunderts).
 
Weitere Werke: Fresken: Maestà (1315, 1321 überarbeitet; Siena, Palazzo Pubblico); Reiterbildnis des Guidoriccio da Fogliano (1328; ebenda).
 
Tafelbilder: Heiliger Ludwig von Toulouse (1317; Neapel, Museo Nazionale di Capodimonte); Altarbild für Santa Caterina in Pisa (1313; Hauptteile: Pisa, Museo Nazionale di San Matteo); Verkündigung (1333; Florenz, Uffizien; zusammen mit L. Memmi); Orsini-Polyptychon (um 1333) mit Kreuztragung (Paris, Louvre), Kreuzigung (Antwerpen, Koninklijk Museum), Kreuzabnahme (ebenda) und Grablegung (Berlin, Gemäldegalerie).
 
 
L'opera completa, hg. v. M. C. Gozzoli (1970);
 R. Brandl: Die Tafelbilder des S. M. (1985);
 A. B. Rave: Fronleichnam in Siena. Die Maesta von S. M. in der Sala del Mappamondo (1986);
 C. Jannella: S. M. (a. d. Ital., 1991).

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Mar|ti|ni, das; - <meist ohne Art.>: Martinstag.

Universal-Lexikon. 2012.