Hẹrbart,
Johann Friedrich, Philosoph und Pädagoge, * Oldenburg (Oldenburg) 4. 5. 1776, ✝ Göttingen 14. 8. 1841; war 1797-1800 Hauslehrer in Bern, wo er J. H. Pestalozzi kennen lernte, seit 1805 Professor der Philosophie in Göttingen, 1809 Nachfolger von I. Kant in Königsberg (Pr), seit 1833 wieder in Göttingen. Herbart bestimmte die Aufgabe der Philosophie als »Bearbeitung der Begriffe«. Der Philosophie kommt kein bestimmter Gegenstand zu; sie ist vielmehr Grundlagenwissenschaft für alle anderen Wissenschaften. Als Gegner der »idealistischen« Richtung des Kantianismus versuchte er v. a. den Begriff des »Ich« von den ihm anhaftenden Widersprüchen zu reinigen. Er nahm (ähnlich wie G. W. Leibniz) eine Vielheit einfacher und unveränderlicher Wesen an, die »Reale«, durch deren Beziehungen zueinander der Schein des Mannigfachen und Veränderlichen hervorgebracht werde. Diese von ihm als »realistisch« bezeichnete Metaphysik war in der Übertragung auf die Psychologie erfolgreich: Fundamental beim »Reale« der Seele sind die Vorstellungen, die gegeneinander dynamische Einflüsse ausüben, in ihrer Tendenz zur Selbsterhaltung sich gegenseitig hemmen und im gehemmten Zustand als Triebe erscheinen, wenn sie unter die Bewusstseinsschwelle verdrängt werden. Diesen Ansatz machte Herbart in seiner Pädagogik fruchtbar: Die Klärung der Vorstellungen durch den Unterricht müsse sich dann, da sich diese vom Willen ihrem Wesen nach nicht unterscheiden, als geordnete Willenstätigkeit auswirken. Der Unterricht habe von der Klärung der Vorstellungen über deren Verbindung (Assoziation) und Systematisierung bis zur »Methodik« fortzuschreiten, das heißt zur freien Bewegung im Gewussten. Da alle diese Vorstellungen auch Kräfte sind, entsteht ein ausgewogenes Verhältnis von Interessen, und die so aufgrund der »Bildsamkeit« der Kinder erreichbare moralische Fähigkeit ist die Tugend (»Charakterstärke der Sittlichkeit«). Ihrer Formierung dienen Unterricht, »Zucht« und »Regierung«. - Mit seiner weit gespannten systematisch-begrifflichen Erziehungs- und Unterrichtstheorie ist Herbart einer der Begründer der wissenschaftlichen Pädagogik (Herbartianismus).
Ein weiterer kennzeichnender Gedanke Herbarts liegt in seiner Zurückführung der Ethik auf die Ästhetik. Die »Geschmacksurteile« haben mit dem Erkennen nichts zu tun, sie formulieren ein unmittelbares und reflexionsloses Wohlgefallen an Verhältnissen von Formen (Ästhetik) oder von Willenshandlungen (Ethik). Wissenschaftshistorisch ist der Einfluss von Herbart auf B. Riemann bedeutsam.
Werke: Pestalozzis Idee eines ABC der Anschauung (1802); Allgemeine Pädagogik aus dem Zweck der Erziehung abgeleitet (1806); Lehrbuch zur Einleitung in die Philosophie (1814); Psychologie als Wissenschaft, 2 Bände (1824-25).
Ausgaben: Sämtliche Werke, herausgegeben von G. Hartenstein, 12 Bände (21883); Sämtliche Werke, herausgegeben von K. Kehrbach und anderen, 19 Bände (1887-1912, Neudruck 1964).
Hauslehrerberichte und pädagogische Korrespondenz 1797-1807, herausgegeben von W. Klafki (1966); Kleine pädagogische Schriften, herausgegeben von A. Brückmann (1968).
G. Weiss: H. u. seine Schule (1928);
W. Asmus: J. F. H. Eine pädagog. Biogr., 2 Bde. (1968-70);
F. Träger: H.s realist. Denken (1982).
J. N. Schmitz: H.-Bibliogr. 1842-1963 (1964).
Universal-Lexikon. 2012.