Hugenọtten
[französisch, entstellt aus »Eidgenossen«], seit dem Eindringen des Kalvinismus in Frankreich (Mitte des 16. Jahrhunderts) deutsche Bezeichnung für die französischen Protestanten, die 1559 auf ihrer ersten Nationalsynode in Paris ihr Bekenntnis (Confessio Gallicana) formulierten. Die Hugenotten fanden ihre Anhänger v. a. beim hohen Adel, u. a. bei den Häusern Bourbon-Vendôme und Châtillon. Dem Ringen der Hugenotten um Anerkennung ihres Glaubens, ihrer bürgerlichen und politischen Rechte stand das Bemühen der französischen Krone gegenüber, keinerlei Abweichungen vom staatstragenden katholischen Glauben zu dulden. Dies führte zu den blutigen Hugenottenkriegen, die das Land im 16. Jahrhundert schwer erschütterten. In mehreren Friedensschlüssen und Verträgen musste die Krone Zugeständnisse machen, sodass die Hugenotten eigene staatliche Strukturen aufbauen konnten. Unter König Heinrich IV. wurden Stellung und Rechte der Hugenotten im Edikt von Nantes definiert. Richelieu, dessen erklärtes Ziel die Stärkung der Zentralgewalt war, nahm bereits im »Gnadenedikt« von Nîmes (1629) die politischen Rechte wieder zurück (gewaltsame Einnahme von La Rochelle, 1628), die religiösen Freiheiten blieben bis 1685 erhalten. Mit dem von Ludwig XIV. verkündeten Revokationsedikt von Fontainebleau wurde die Möglichkeit der Religionsausübung so stark eingeschränkt, dass die Hugenotten sich in Frankreich nur noch als »Église du désert« (Kirche der Wüste) in der Verborgenheit halten konnten. Wegen starker Bedrohung (Gütereinzug) verließen mehr als 200 000 ihre Heimat (Réfugiés). Die französische Wirtschaft erlitt damit einen Schaden, von dem sie sich bis zur Französischen Revolution nicht erholte. Gegen die Restgemeinde in Frankreich wurde 1702-04 der Cevennenkrieg geführt (Kamisarden). Unter dem Einfluss des geistigen Klimas der Aufklärung wurden die hugenottischen Gemeinden seit dem Toleranzedikt von Versailles (1787) geduldet, aber erst nach der Revolution von 1789 erhielten sie durch den Code Napoléon volle Gleichberechtigung.
Nach der Aufhebung des Edikts von Nantes fanden die Hugenotten in der Schweiz, in den Niederlanden, in England und im Heiligen Römischen Reich, hier vorwiegend in reformierten Gebieten, Aufnahme (u. a. in den hohenzollernschen Territorien Frankens, in Braunschweig-Lüneburg, in den hessischen Landgrafschaften und den lippisschen Territorien).
Von besonderer Bedeutung wurden die Hugenotten in Brandenburg-Preußen, wo der Grosse Kurfürst ihre Ansiedlung durch das Edikt von Potsdam (8. 11. 1685 förderte. Am Niederrhein, in Berlin, Magdeburg, Halle (Saale), Stendal, Frankfurt (Oder) und Königsberg (heute Kaliningrad) entstanden Kolonien mit eigenen Kirchen. Um 1700 war jeder dritte Einwohner Berlins ein Hugenotte. Als loyale Untertanen waren die Hugenotten in der Wirtschaft, Kunst und Wissenschaft sowie als Offiziere von Bedeutung. In den fränkischen Markgrafschaften wurde 1686 die Neustadt in Erlangen als Hugenottensiedlung angelegt. - Im Laufe des 19. Jahrhunderts setzte sich die Angleichung fort, u. a. im Gebrauch der deutschen Sprache, nach und nach auch in der Predigt, während das Französische Gymnasium in Berlin an der französischen Sprache noch festhielt.
Kirchlich führten die Hugenotten ein streng geordnetes Leben, sie widmeten sich in der Theologie v. a. der Erforschung von Altem Testament und Neuem Testament sowie der Kirchengeschichte.
J. Chambon: Der frz. Protestantismus (1938, Nachdr. 1977);
R. Stephan: L'épopée huguenote (Paris 1945);
R. P. Gagg: Kirche im Feuer. Das Leben der südfrz. H.-Kirche nach dem Todesurteil durch Ludwig XIV. (Zürich 1961);
Der Exodus der H., hg. v. H. Duchhardt (1985);
New essays on the political thought of the Huguenots of the refuge, hg. v. J. C. Laursen (Leiden 1995).
Universal-Lexikon. 2012.