Strạsser,
1) Gregor, Politiker, * Geisenfeld 31. 5. 1892, ✝ (ermordet) Berlin 30. 6. 1934, Bruder von 2); nach dem Ersten Weltkrieg als Oberleutnant entlassen, ab 1920 selbstständiger Apotheker in Landshut. Geprägt von den Erlebnissen des Krieges, entwickelte Strasser die Idee eines »deutschen Sozialismus« und einer organischen, ständisch gegliederten Volksgemeinschaft. Als Mitglied des Freikorps Epp baute Strasser das »Sturmbataillon Niederbayern« auf und kam in Berührung mit General E. Ludendorff und der Münchener NSDAP. Ab 1921 Mitglied der NSDAP, schloss er seine Formation der SA an und nahm als Führer der »Sturmabteilung Niederbayern« 1923 am Hitlerputsch teil. Während der Haftzeit Hitlers leitete Strasser die Natsoz. Freiheitspartei, eine Ersatzorganisation der NSDAP, und wurde im April 1924 in den bayerischen Landtag gewählt; ab Dezember 1924 Mitglied des Reichstags, war Strasser eine der wichtigsten völkischen Führungspersönlichkeiten. Nach der Wiedergründung der NSDAP 1925 baute er die Parteiorganisation in Nord- und Westdeutschland auf; dabei trat v. a. die von Strasser gegründete »Arbeitsgemeinschaft der nordwestdeutschen Gaue der NSDAP« als Wortführerin der nationalsozialistischen Linken mit einem antikapitalistischen und ständestaatlichen Programm hervor und wurde zur innenparteilichen Kontrahentin der Münchener NSDAP. Im September 1926 übernahm Strasser die Reichspropagandaleitung der NSDAP; ab Januar 1928 Reichsorganisationsleiter, setzte er die Gau- und vertikale Lenkungsstruktur der Partei durch. Obwohl Strasser nicht auf einen Bruch mit Hitler aus war, der für ihn die nationalsozialistische Bewegung verkörperte, und daher auch die Abspaltung der Linken um seinen Bruder Otto ablehnte, brachte ihn seine Popularität, die weit über die NSDAP hinaus reichte, in Rivalität zu Hitler. Zu einem offenen Konflikt kam es, als Strasser sich Ende 1932 für eine Beteiligung der NSDAP an einer Regierung unter K. von Schleicher aussprach. Als er sich damit gegen Hitler nicht durchsetzen konnte, legte er am 8. 12. 1932 alle Parteiämter nieder. Beim »Röhm-Putsch« 1934 wurde Strasser in einem Racheakt von der Gestapo umgebracht.
U. Kissenkoetter: G. S. u. die NSDAP (1978);
P. D. Stachura: G. S. and the rise of Nazism (London 1983).
2) Otto, Politiker und Publizist, * Windsheim (heute Bad Windsheim) 10. 9. 1897, ✝ München 27. 8. 1974, Bruder von 1); ab 1914 als Freiwilliger im Ersten Weltkrieg, studierte danach Wirtschaftswissenschaften in Berlin, wo er sich der SPD anschloss; beteiligte sich am Widerstand gegen den Kapp-Putsch. Nach seinem Bruch mit der SPD (April 1920) stand Strasser unter dem Einfluss unterschiedlichster politischer Denkrichtungen vom revolutionären Sozialismus bis hin zu konservativen und nationalrevolutionären Konzepten. Von seinem Bruder Gregor um Hilfe bei der Ausarbeitung einer besonders an den wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen Norddeutschlands ausgerichteten nationalsozialistischen Ideologie gebeten, schloss sich Strasser 1925 der NSDAP an, ohne sich um ein offizielles Amt zu bemühen. Als Mitgründer und Leiter des Berliner Kampf-Verlags (ab 1926) vertrat Strasser eine eigene antikapitalistische, stark antimodernistische Konzeption des Nationalsozialismus und geriet als führender Kopf der nationalsozialistischen Linken in Gegensatz zu Hitler und J. Goebbels, dann auch zu seinem Bruder. Im Machtkampf unterlegen, verließ Strasser mit seinen Anhängern im Juli 1930 die Partei und gründete die »Kampfgemeinschaft Revolutionärer Nationalsozialisten« (KGRNS; Schwarze Front). Nach dem Verbot der KGRNS 1933 emigrierte Strasser und führte vom Ausland seine Agitation gegen Hitler fort (bis 1935/36 mit Untergrundgruppen auch in Deutschland). 1956 gründete er in der Bundesrepublik Deutschland die bedeutungslos gebliebene Deutsch-Soziale Union (DSU).
R. Kühnl: Die natsoz. Linke 1925-1930 (1966);
P. Moreau: Nationalsozialismus von links. Die »Kampfgemeinschaft Revolutionärer Nationalsozialisten« u. die »Schwarze Front« O. S.s 1930-1935 (1985).
Universal-Lexikon. 2012.