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Burschenschaft
Bụr|schen|schaft 〈f. 20; seit 1815〉 studentische Verbindung

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Bụr|schen|schaft, die; -, -en:
Farben tragende [waffenstudentische] Korporation:
einer B. angehören.
Dazu:
Bụr|schen|schaf|ter, Bụr|schen|schaft|ler, der;
Bụr|schen|schaf|te|rin, Bụr|schen|schaft|le|rin, die;
bụr|schen|schaft|lich <Adj.>.

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I
Burschenschaft
 
Die aus den Befreiungskriegen gegen Napoleon (1813 bis 1815) in die Hörsäle der Universitäten zurückgekehrten Studenten waren tief enttäuscht von der politischen Entwicklung, die den erhofften Einheitsstaat aller Deutschen nicht gebracht hatte. Als Reaktion darauf vereinigten sich die vorher in verschiedenen Landsmannschaften organisierten Jenaer Studenten zu einer alle Studenten zusammenschließenden »Burschenschaft«. Symbolisch wollten sie mit ihrem Einheitsbund die kommende Einheit des deutschen Vaterlandes vorbereiten. Als Bundesfarben wählten sie die Farben der Uniform des ehemaligen Lützowschen Freikorps, in dem viele Studenten am Krieg gegen Napoleon teilgenommen hatten: schwarz-rot-gold.
 
Die studentische Bewegung breitete sich rasch aus. Als die Jenaer Burschenschaft zu einem Studententreffen auf der Wartburg einlud, dem Wartburgfest am 18. Oktober 1817, kamen Studentenabordnungen aus elf deutschen Universitäten. Am 18. Oktober 1818 wurde in Jena die »Allgemeine Deutsche Burschenschaft« durch Vertreter aus 14 deutschen Universitäten gegründet. Die politische Entwicklung unter den Studenten erregte mehr und mehr das Misstrauen der staatlichen Behörden, zumal sich einige Gruppen radikalisierten. Nach der Ermordung des in russischen Diensten stehenden Schriftstellers August von Kotzebue 1819 durch den Studenten Karl Ludwig Sand wurden die Burschenschaften in den Karlsbader Beschlüssen verboten. In vielen Universitätsstädten bestanden sie jedoch als Geheimbünde weiter. Viele ehemalige Burschenschaftler wurden 1848 Abgeordnete in der Frankfurter Nationalversammlung.
 
II
Burschenschaft,
 
erstmals 1791 verwendete Bezeichnung für die Gesamtheit der Studenten einer Universität. Die Bezeichnung übertrug sich nach 1815 auf eine auf die nationale Einigung Deutschlands und politischen Reformen (v. a. Herstellung der bürgerlichen Freiheiten) abzielende studentische Bewegung, die sich in den an verschiedenen Hochschulorten entstehenden einzelnen »Burschenschaften« manifestierte. Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts entwickelten sich die Burschenschaften zu einer besonderen (burschenschaftlichen) Gruppe unter den studentischen Verbindungen.
 
Unter Aufnahme früherer Reformbestrebungen, besonders aber unter dem Eindruck der Befreiungskriege, formten ehemalige Angehörige der Freiwilligenverbände, besonders des Lützowschen Freikorps, und Anhänger der Turnbewegung F. L. Jahns (»Ordnung zur Einrichtung von Burschenschaften«, 1811; zusammen mit F. K. Friesen) die Landsmannschaften der Universität Jena zur Jenaischen Burschenschaft um (12. 6. 1815). Vorläufer dieser ersten Burschenschaft (»Urburschenschaft«) waren »Teutonia« in Halle/Saale (gegründet 1814), durch E. M. Arndt angeregte »Deutsche Lesegesellschaften« in Gießen und Heidelberg (gegründet 1814) und der Gießener Germanenbund, genannt »Die Schwarzen« (gegründet 1815). Die an den Universitäten sich rasch ausbreitende Bewegung forderte über die Reform des studentischen Lebens hinaus unter scharfer Bekämpfung der »deutschen Kleinstaaterei« die staatliche Einigung Deutschlands. Höhepunkt wurde das Wartburgfest am 18. 10. 1817, zu dem die Jenaische Burschenschaft eingeladen hatte. Die »Grundsätze und Beschlüsse des 18. Oktobers« forderten staatliche, wirtschaftliche und kirchliche Einheit, einheitliches Recht, verfassungsmäßige Erbmonarchie, Rede- und Pressefreiheit, Gleichheit vor dem Gesetz, allgemeine Wehrpflicht u. a. Die Burschentage zu Jena schufen 1818 die Grundlagen der Allgemeinen Deutschen Burschenschaft. Die Farben der Jenaischen Burschenschaft (Rot-Schwarz mit goldener Einfassung), den Uniformen des Lützowschen Freikorps entlehnt, wurden von den Burschenschaften allgemein angenommen (deutsche Farben).
 
Die wachsende politische Radikalisierung eines Teils der Burschenschaften, besonders der »Unbedingten«, sowie die Ermordung A. von Kotzebues durch den »Unbedingten« K. L. Sand (23. 3. 1819) verschärften das Misstrauen der deutschen Einzelstaaten gegen die Burschenschaften und führten auf Initiative K. W. von Metternichs zu den Karlsbader Beschlüssen (angenommen am 20. 9. 1819), die ein Verbot der Burschenschaften und eine Verfolgung ihrer Mitglieder auslösten. Trotzdem bestanden viele Burschenschaften insgeheim fort. Ihre Ziele wirkten zum Teil über den eigenen Rahmen hinaus (Hambacher Fest). Um 1825 spaltete sich die Burschenschaft in die gemäßigte »arministische Richtung«, die auf die Verinnerlichung des burschenschaftlichen Lebens abzielte, und in die »germanistische« Richtung, die einen politischen Aktivismus vertrat. Nach dem Frankfurter Wachensturm (3. 4. 1833, an dem sich etwa 40 radikale Burschenschafter beteiligten, wurden zwischen 1833 und 1839 viele Burschenschafter wegen umstürzlerischer Tätigkeit zu Festungshaft verurteilt.
 
Nach 1840 näherten sich viele Burschenschaften den unpolitischen Corps, andere entwickelten sich zu politisch radikalen »Progressverbindungen«, die weitgehende Reformen im Studenten- und Universitätsleben forderten. An den Revolutionskämpfen von 1848/49 nahmen viele Burschenschafter teil (u. a. die »Akademische Legion« in Wien). Etwa 150 Mitglieder der Frankfurter Nationalversammlung, so auch deren Präsident, H. von Gagern, waren Burschenschafter.
 
Seit der Mitte der 50er-Jahre des 19. Jahrhunderts hörte die Behinderung der Burschenschaften auf, in den folgenden Jahrzehnten bildete sich ein einheitlicher Burschenschaftstypus heraus: die Farben tragende Verbindung mit dem Prinzip der unbedingten Satisfaktion (studentisches Brauchtum) und der Bestimmungsmensur (Mensur). Mit der Bildung des Deutschen Reiches 1871 machten die progressiven Kräfte in den Burschenschaften stärker konservativen Vorstellungen Platz. Von dem 1881 als Rahmenorganisation für alle reichsdeutschen Burschenschaften gebildeten »Allgemeinen Deputierten-Convent« (ADC) spaltete sich 1883 ein Verband von Reformburschenschaften, der »Allgemeine Deutsche Burschenbund« (ADB), ab. 1902 gab sich der ADC den Namen Deutsche Burschenschaft (DB); zum Wahlspruch wurde ein Motto aus dem Bundeslied von 1883: Ehre, Freiheit, Vaterland. 1919 verschmolzen der »Rüdesheimer Delegierten-Convent« (an den Technischen Hochschulen) und der »Verband der österreichischen Burschenschaften« (»Burschenschaften der Ostmark«) mit der DB. Seit 1920 bekannte sich diese offiziell zum Antisemitismus und forderte seit 1924 von ihren Mitgliedern den Nachweis »arischer« Abstammung.
 
Nach Errichtung der NS-Diktatur in Deutschland (30. 1. 1933) lösten sich 1934 der ADB, am 18. 10. 1935 die DB zwangsweise auf, wobei einzelne Burschenschaften »Kameradschaften« im »Natsoz. Deutsche Studentenbund« (unter Bewahrung ihrer burschenschaftlichen Tradition) bildeten.
 
1950 entstand die national orientierte DB als Dachverband der deutschen Burschenschaften in Marburg neu. In der DDR waren die Burschenschaften verboten; ehemalige ostdeutsche Verbindungen wurden an westdeutsche Universitäten weitergeführt. Nach 1990 entstanden die Burschenschaften an den meisten ostdeutschen Universitäten neu. Erstmals tagte 1991 wieder die DB in Eisenach (Deutscher Burschentag). - Seit 1970 ist die Bestimmungsmensur nicht mehr obligatorisch. - Die meisten österreichischen Burschenschaften vereinigten sich 1952 im »Allgemeinen Delegierten-Convent«, seit 1959 als »Deutsche Burschenschaften in Österreich« (DÖB) bezeichnet. Das seit 1952 bestehende Arbeits- und Freundschaftsabkommen mit der DB wurde 1965 in einen Dachverband DB-DBÖ umgewandelt. (studentische Verbindungen)
 
Literatur:
 
Quellen u. Darst. zur Gesch. der B. u. der dt. Einheitsbewegung, hg. v. H. Haupt, 17 Bde. (1-21910-77);
 
Darstellungen u. Quellen zur Gesch. der dt. Einheitsbewegung im 19. u. 20. Jh., hg. v. P. Wentzcke u. a., 11 Bde. (1957-81);
 G. Steiger: Aufbruch. Ur-B. u. Wartburgfest (Leipzig 1967);
 
Student. B.en u. bürgerl. Umwälzung, hg. v. H. Asmus (1992).
 

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Bụr|schen|schaft, die; -, -en: Farben tragende [waffenstudentische] Korporation: einer B. beitreten, angehören.

Universal-Lexikon. 2012.