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gehorsam
anständig; untertänig; brav; konditioniert; folgsam; artig; pflichtgemäß; pflichtbewusst; treu; willig; gefügig; hündisch; unterwürfig; fügsam; leicht beeinflussbar; rückgratlos; lenksam; dienstbeflissen; willensschwach; willfährig; erbittlich; weichlich; nachgiebig

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ge|hor|sam [gə'ho:ɐ̯za:m] <Adj.>:
sich ganz dem Willen einer Person, die eine entsprechende Autorität besitzt, unterordnend, ihre Anordnungen genau und widerspruchslos befolgend:
ein gehorsamer Untertan; er setzte sich gehorsam auf die Bank; »Wir gehen jetzt«, sagte sie. Und der Junge folgte ihr gehorsam.
Syn.: artig, brav, folgsam, fügsam.

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ge|họr|sam 〈Adj.〉 willig gehorchend, folgsam, fügsam ● (Ihr) \gehorsamster Diener! (als Briefschluss u. Grußformel veraltet); ich bitte \gehorsamst 〈veraltet〉; den Eltern \gehorsam sein [→ gehorchen, horchen]

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ge|hor|sam <Adj.> [mhd. gehōrsam, ahd. gihōrsam, für lat. oboediens = gehorsam, willfährig; zu hören]:
a) sich dem Willen einer Autorität unterordnend:
ein -er Untertan;
sie war seinen Anordnungen jederzeit g. gewesen;
(veraltet; Höflichkeitsformeln:) -ster Diener;
danke -st;
b) als Kind die Autorität einer Respektsperson anerkennend u. ihren Forderungen sofort u. pünktlich nachkommend; brav, folgsam:
die Kinder sind nicht g.

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I
Gehorsam,
 
Unter Gehorsam wird die Übernahme des Willensziels eines anderen in den eigenen Willen verstanden. Zu unterscheiden ist zwischen erzwungenem (»unbedingtem«), Macht voraussetzendem und freiwilligem (»bedingtem«) Gehorsam, dessen Voraussetzung Autorität ist.
 
Auch der vermeintlich freiwillige Gehorsam beruht vermutlich zum größten Teil auf einer stammesgeschichtlich erworbenen Verhaltensdisposition, die sozusagen das »Gegenstück« zum Rangstreben darstellt. Offensichtlich nämlich fällt es vielen Menschen schwer, sich den Anweisungen einer Autorität zu widersetzen. Diese Unterordnungsbereitschaft wurde zu Beginn der 1960er-Jahre von dem amerikanischen Sozialpsychologen S. Milgram experimentell untersucht (Milgram-Experiment). Milgram befahl z. B. den zuvor zu absolutem Gehorsam verpflichteten Versuchspersonen, mithilfe eines angeblich funktionstüchtigen Gerätes anderen Testpersonen Elektroschocks von zunehmender Intensität zu verabfolgen, ohne sich von deren »Schmerzreaktionen« beeinflussen zu lassen. Diese Versuche haben eine erschreckend weit reichende menschliche Bereitschaft zu bedenkenlosem Gehorsam aufgezeigt, selbst wenn er äußerst aggressives, ja destruktives Verhalten erfordert.
 
Gehorsam kann außerdem in der Kindheit durch operante Konditionierung (Konditionierung) erlernt werden, da Autoritäten (z. B. Eltern) Ungehorsam häufig (etwa durch Liebesentzug) »bestrafen«, während sie Gehorsam belohnen.
II
Gehorsam,
 
beim Menschen Ausführung oder Unterlassung einer Handlung aufgrund eines Gebotes oder Verbotes. Zu unterscheiden ist zwischen freiwilligem (»bedingtem«) Gehorsam, der Autorität voraussetzt, und erzwungenem (»unbedingtem«) Gehorsam, dessen Voraussetzung Macht ist.
 
Aber auch der vermeintlich freiwillige Gehorsam erfolgt nach einer phylogenetisch erworbenen Verhaltensdisposition. Diese schon von Aristoteles, C. Darwin, S. Freud u. a. angesprochene, bei gesellig lebenden Tieren anzutreffende Unterordnungsbereitschaft - ethologisches Gegenstück zum Rangstreben - wurde Anfang der 1960er-Jahre experimentell von dem amerikanischen Sozialpsychologen S. Milgram untersucht (Milgram-Experiment). Gehorsam wird außerdem in der Kindheit durch operante Konditionierung erlernt. Ungehorsam ahnden Autoritäten häufig durch Strafe (z. B. Liebesentzug), während sie »Folgsamkeit« belohnen. Die Autorität der Eltern wird später von Lehrern, Ausbildern, Vorgesetzten, politischen Führern u. a. beansprucht.
 
Gehorsam als Korrelat zu Autorität spielt in den Religionen eine nicht unbedeutende Rolle. In den einfacheren Religionen wird fast nur kulturelle Gehorsam gefordert (Erfüllung der kulturellen Vorschriften). In den Hochreligionen steht der Gehorsam der Gottheit gegenüber insofern im Mittelpunkt des religiösen Verhaltens, als er als Anspruch des »Heiligen« und als Unterwerfung unter den Willen Gottes auftritt. Im Alten Testament ist Gehorsam die Unterwerfung unter den Willen Jahwes, der sich in Gebot und Gesetz äußert. Deshalb ist Ungehorsam das Wesen der Sünde (z. B. 1. Mose 3). - Im Neuen Testament sind gegenüber dem Gehorsam Glaube und Liebe stärker akzentuiert. Dennoch stellt Jesus nach den synoptischen Evangelien sein Leben unter den Gehorsam gegen den Vater (z. B. Matth. 26, 39), der im Philipperbrief zum Grundmotiv von Jesu erlösendem Handeln wird. Der Gehorsam des Christen ist frei von Legalismus, nur das Gewissen entscheidet, wie das Gesetz zu befolgen ist. - Auf der Bibel aufbauend, versteht die christliche Theologie Gehorsam als Bereitschaft, den Willen Gottes zu erfüllen. Gehorsam ist eine Tugend. - Im katholischen Ordenswesen ist der Gehorsam Gegenstand der Ordensgelübde.
 
Recht:
 
Eine öffentlich-rechtliche Pflicht zum Gehorsam trifft die Beamten und Soldaten. Der Beamte hat dienstliche Anordnungen der Vorgesetzten auszuführen und ihre allgemeinen Richtlinien zu befolgen. Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit einer Anordnung hat er geltend zu machen (Remonstrationspflicht; §§ 37 f. Beamtenrechtsrahmengesetz). Der Soldat hat Befehle nach besten Kräften vollständig, gewissenhaft und unverzüglich auszuführen (§ 11 Soldatengesetz). Der Gehorsam gegenüber den Befehlen der Vorgesetzten bildet die Grundlage der militärischen Disziplin. Die Gehorsamspflicht setzt die Verbindlichkeit des Befehls voraus. Bei Beamten und Soldaten kann ein Verstoß gegen die Gehorsamspflicht als Dienstvergehen bestraft werden (Disziplinarrecht). Darüber hinaus wird bei Soldaten das vorsätzliche oder leichtfertige Nichtbefolgen eines Befehls (Ungehorsam), wenn dadurch eine Gefahr für die Sicherheit Deutschlands, die Schlagkraft der Truppe, Leib oder Leben eines Menschen oder für Sachen von bedeutendem Wert herbeigeführt wird, mit Freiheitsstrafe geahndet. Ähnlich wird auch bestraft, wer, ohne Soldat zu sein, vorsätzlich zum Ungehorsam verleitet. Auch wenn keine der genannten schweren Folgen herbeigeführt werden, ist die Gehorsamsverweigerung strafbar, wenn der Soldat sich gegen den Befehl mit Wort oder Tat auflehnt oder ihn trotz Wiederholung nicht befolgt. Der Untergebene handelt in den oben genannten Fällen nicht rechtswidrig, wenn der Befehl nicht verbindlich ist, besonders wenn er nicht zu dienstlichen Zwecken erteilt wurde, die Menschenwürde verletzt oder ein Vergehen oder Verbrechen zum Inhalt hat. Führt der Untergebene einen Befehl nicht aus, weil er die Befolgung irrtümlicherweise für eine strafbare Handlung hält, macht er sich nur strafbar, wenn der Irrtum vermeidbar war (§§ 19 ff. Wehrstrafsgesetz, WStG). Begeht ein Untergebener ein Vergehen oder Verbrechen auf Befehl, so trifft ihn nur dann eine Schuld, wenn ihm die Rechtswidrigkeit bekannt war oder bekannt sein musste (§ 5 WStG). Gesondert zu betrachten ist die Situation des »Befehlsnotstandes«, in der der Täter eine strafbare Handlung auf Befehl begeht, um befürchtete schwere Nachteile für sich oder seine Angehörigen abzuwehren. Hat der Täter die Unverbindlichkeit des Befehls erkannt, kann eine strafausschließende Entschuldigung wegen Notstands in Betracht kommen. Mit der Bestrafung der Verstöße gegen die Gehorsamspflicht korrespondiert die Strafbarkeit des Missbrauchs der Befehlsgewalt durch Vorgesetzte (§ 32 WStG).
 
Früher im Arbeitsrecht verwendeter Oberbegriff für verschiedene Nebenpflichten des Arbeitnehmers als Gegenstück zum Direktionsrecht des Arbeitgebers.
 
Literatur:
 
F. Hammer: Autorität u. G. (1977);
 
Verantwortung u. G. Aspekte der heutigen Autoritäts- u. G.-Problematik, hg. v. K. Hörmann u. a. (Innsbruck 1978).

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Ge|hor|sam, der; -s [mhd. gehōrsam(e), ahd. gihōrsami]: Unterordnung unter den Willen einer Autorität: blinder, bedingungsloser G.; G. gegen das Gesetz, gegenüber Vorgesetzten; du musst dir G. verschaffen; jmdm. den G. aufsagen, kündigen (geh.; jmdm. nicht mehr gehorchen); eine Mehrheit kann doch nicht über mein Gewissen entscheiden! Bisweilen muss man den G. verweigern (Brückner, Quints 202).

Universal-Lexikon. 2012.