Akademik

Seidel
Bierglas

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Sei|del 〈n. 13
1. Bierglas, Bierkrug (Bier\Seidel)
2. altes süddt. Flüssigkeitsmaß, 0,3-0,5 l
● ein \Seidel Bier [<mhd. sidel(in) <rätorom. sidla, sedla <vulgärlat. sicla <lat. situla „Eimer“]

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Sei|del, das; -s, - [mhd. sīdel(īn), über das Mlat. < lat. situla = (Wein)krug, Eimer]:
1. Bierglas:
drei S. dunkles Bier/(geh.:) dunklen Biers.
2. (veraltet) Flüssigkeitsmaß.

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I
Seidel
 
[mittelhochdeutsch sidel(in), von lateinisch situla »(Wein)krug«, »Eimer«], Seitel, alte Volumeneinheit für Flüssigkeiten in Deutschland und Österreich-Ungarn, 1 Seidel = ½ Maß = 0,535 l (Bayern), 1 Seidel = ¼ Maß = 0,354 l (Wien), 1 Seidel (Pfiff, Rimpel) = 0,423 l (Preßburg).
 
II
Seidel,
 
1) Heinrich, Schriftsteller, * Perlin (Landkreis Gadebusch) 25. 6. 1842, ✝ Groß-Lichterfelde (heute zu Berlin) 7. 11. 1906; war Ingenieur, ab 1880 freier Schriftsteller; stand der Literatenvereinigung »Tunnel über der Spree« nahe. Seidel erzählt in seinen Gedichten, Romanen und Novellen humorvoll von Sonderlingen und den versponnenen, zeitfernen Idyllen des kleinbürgerlichen Lebens. »Leberecht Hühnchen« ist eine Zentralfigur vieler zwischen 1882 und 1890 erschienenen Erzählungen und Romane (zusammengefasst 1901 unter dem Titel »Leberecht Hühnchen«). Seidel schrieb auch zahlreiche Märchen sowie »Kinderlieder und Geschichten« (1903).
 
 
Ausgabe: Gesammelte Werke, 5 Bände (1925).
 
 2) Ina, Schriftstellerin, * Halle (Saale) 15. 9. 1885, ✝ Schäftlarn 2. 10. 1974; ab 1907 Ȋ mit ihrem Cousin, dem Theologen und Schriftsteller Heinrich Wolfgang Seidel (* 1876, ✝ 1945); begann mit religiös-empfindsamer Lyrik, schrieb patriotische Trost- und Leidgedichte. In mystisch-mythischer Verbrämung und voller Schicksalspathos treten als Themen ihrer erzählenden Prosa »das Mütterliche«, das »Geheimnis des Blutes« sowie »Vererbung und Eigenleben« auf. Idealistische Schicksalsgläubigkeit kennzeichnet die Anlehnung an einen Romantizismus, der rückständige Geschichtsinterpretation konserviert. Bekannt wurde Seidel mit dem Roman »Das Wunschkind« (1930); in romantischen Versen feierte sie Hitler, was sie später als Irrtum bedauerte; ihre Verharmlosung des Faschismus kommt v. a. in dem Roman »Michaela« (1959) zum Ausdruck.
 
Weitere Werke: Romane: Das Labyrinth (1922); Lennacker (1938); Das unverwesliche Erbe (1954).
 
Erzählung: Unser Freund Peregrin (1940).
 
Autobiographie: Lebensbericht 1885-1923 (1970).
 
 3) Ludwig Philipp von, Mathematiker und Physiker, * Zweibrücken 24. 10. 1821, ✝ München 13. 8. 1896; Professor in München (ab 1856), leistete wichtige Beiträge zur Analysis (Kettenbrüche, gleichmäßige Konvergenz von Funktionenreihen, 1848) und zur Matrizenrechnung (»Gauß-S.-Algorithmus« zur Lösung von Gleichungssystemen). Seidel begründete die Theorie der optischen Abbildungsfehler (1855/56 die nach ihm benannte Abbildungsfehlertheorie 3. Ordnung) und das Optikrechnen, bestimmte die Brechung und Dispersion zahlreicher Stoffe und maß mit C. A. von Steinheil erstmals (1859-62) photometrisch die Helligkeit von Gestirnen. Er befasste sich auch mit der Anwendung der Wahrscheinlichkeitsrechnung in der Astronomie und Medizin.

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Sei|del, das; -s, - [mhd. sīdel(īn), über das Mlat. < lat. situla = (Wein)krug, Eimer]: 1. Bierglas: drei S. dunkles Bier/(geh.:) dunklen Biers; Franz grüßt ... das ganze Leben, er schwenkt sein S.: „Prost“ (Döblin, Alexanderplatz 96). 2. (veraltet) Flüssigkeitsmaß: ∙ das halbe S. Wein war lau und kamig (Rosegger, Waldbauernbub 157).

Universal-Lexikon. 2012.