Akademik

Bier
Hopfen und Malz (umgangssprachlich); Maß (Bayern); Gerstensaft (umgangssprachlich); Hopfentee (umgangssprachlich); Maurerbrause (derb); Schoppen (umgangssprachlich); Krawallbrause (umgangssprachlich)

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Bier [bi:ɐ̯], das; -[e]s, -e:
alkoholisches Getränk, das aus (meist aus Gerste hergestelltem) Malz und Hopfen hergestellt wird:
Bier vom Fass; ein [Glas] helles, dunkles Bier trinken; in- und ausländische Biere (Biersorten); Herr Ober, noch zwei Bier (Gläser Bier), bitte!
Zus.: Bockbier, Dosenbier, Exportbier, Fassbier, Flaschenbier, Freibier, Malzbier, Starkbier, Weißbier, Weizenbier.

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Bier 〈n. 11aus Hopfen, Malz, Hefe u. Wasser durch Gärung gewonnenes alkoholisches Getränk ● ein Glas, ein Krug \Bier; ein Liter, ein, 〈bair.〉 eine Maß \Bier ● \Bier ausschenken, brauen, zapfen ● dunkles, helles, Pilsner \Bier; ein \Bier, ein halbes \Bier trinken ● beim \Bier (im Gasthaus) sitzen ● das ist (nicht) sein \Bier 〈umg.〉 das ist (nicht) seine Sache, seine Angelegenheit, dafür ist er (nicht) verantwortlich [<ahd. bior, engl. beer, vermutl. <vulgärlat. biber „Trunk“; zu lat. bibere „trinken“]

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Bier , das; -[e]s, (Sorten:) -e [mhd. bier, ahd. bior, viell. < spätlat. biber = Trank, zu lat. bibere = trinken]:
aus Malz, Hopfen, Hefe u. Wasser gegorenes, kohlensäurehaltiges, würziges, leicht alkoholisches Getränk:
helles, dunkles, starkes B.;
alkoholfreies B.;
das ist hiesiges, auswärtiges B.;
B. in Flaschen, in Dosen;
das B. ist frisch, gut, gepflegt, süffig, schal;
B. brauen;
B. zapfen, ausschenken, abfüllen;
einen Kasten B. (Kasten mit Bier in Flaschen) holen;
ein großes, kleines B. (Glas Bier) bestellen;
ein, zwei B. (Glas Bier) trinken;
etw. wie sauer/saures B. anbieten, anpreisen (ugs.; eifrig für etw. werben, was niemand haben will: in den Kaufhäusern wurden die Ringelsocken wie saures B. angepriesen);
das ist [nicht] mein B. (ugs.; das ist [nicht] meine Angelegenheit, [nicht] mein Geschäft; wohl urspr. zu einer gleichlautenden mundartl. [westmd.] Form von »Birne«: darum kümmere ich mich nicht, das ist nicht mein B.)

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I
Bier
 
Bier ist eines der ältesten biotechnologisch hergestellten Produkte der Menschheit. Es war bereits den Sumerern und im alten Ägypten bekannt. Getreide ist das Ausgangsprodukt, das bei der Bierherstellung in Malz und danach in eine Maische umgewandelt wird. Die in der Maische enthaltenen Zucker werden von Hefe zu Alkohol vergoren. In Deutschland darf seit 1516 nach dem Reinheitsgebot nur Gerste, Weizen, Wasser, Hopfen und Hefe zum Bierbrauen verwendet werden.
 
 Die alkoholische Gärung
 
Bei der alkoholischen Gärung verwendete Hefepilze sind einzellige Pilze, die sich von Glucose (Traubenzucker) ernähren (und von den Zuckern Fructose, Galaktose, Saccharose und Maltose, indem sie diese in Glucose umwandeln). Die Hefe verdaut unter Wärmeabgabe Glucose zu Äthanol und Kohlendioxid:
 
C6H12O6 → 2 CH3CH2OH + 2 CO2 + Wärme.
 
Im Traubensaft ist Glucose direkt enthalten, und man gelangt durch die Gärung im Fass zu Wein, wobei das Kohlendioxid durch ein Gärröhrchen aus dem Fass entweicht. Wenn diese Gärung in der geschlossenen Flasche stattfindet, erhält man Sekt. Im Falle des Bieres muss die Stärke des Getreides erst im Maischprozess zu Maltose gespalten werden, danach kann die Hefe diesen Zucker in Gärbottichen zu Alkohol vergären. In »Hungerzeiten« bildet die Stärke Sporen, d. h. verkapselte Zellen ohne nennenswerten Stoffwechsel, die zum Leben erwachen, wenn die Nährstoffsituation wieder befriedigend ist. Diese Sporen sind überall in der Luft vorhanden und sorgen beispielsweise dafür, dass offen stehender Apfelsaft oder zerquetschte Früchte spontan vergären.
 
 Die Technologie des Bierbrauens
 
Die Bierherstellung verläuft in mehreren Schritten. Im ersten Schritt werden Gersten- oder Weizenkörner in Wasser gegeben, sodass sie austreiben. In den Keimlingen entstehen dabei die Enzyme α-Amylase und β-Amylase. Diese Enzyme spalten die Stärke, die dem Keimling als erste Nahrungsquelle dient, zu den Zuckern Maltose und Glucose auf. In zwei Tagen entstehen daraus aufgekeimte Getreidekörner - das Grünmalz. Es wird einen Tag lang auf Darren bei 50-60 ºC getrocknet und anschließend für helles Bier bei etwa 80 ºC und für dunkles Bier bei 100-150 ºC vier bis fünf Stunden lang gedarrt. Der Keimling stirbt bei diesem Prozess ab und bei den höheren Temperaturen setzt die Maillard-Reaktion zwischen den Aminosäuren und Zuckern ein, die dunkle Farbstoffe und Aromastoffe liefert. Nach dem Darren werden die Keimlinge abgetrennt und das Malz eingelagert. Aus 100 kg Gerste erhält man etwa 80 kg Malz.
 
Das abgelagerte Malz wird im zweiten Schritt des Bierbrauens in Schrotmühlen zerkleinert und mit dem Brauwasser vermischt. Die so entstandene Maische wird im Sudhaus in den Maischpfannen stufenweise erhitzt, um für die Enzyme, die beim Mälzen entstanden sind, günstige Arbeitsbedingungen zu schaffen. Bei 40-45 ºC werden die Gerüstsubstanzen der Gerstenzellen zerstört, sodass die Stärke freigelegt wird. Bei 45-55 ºC werden die Pflanzenproteine zu Peptiden und Aminosäuren abgebaut und bei 60-65 ºC wird dann die Stärke von den Amylasen zu Maltose und Glucose umgewandelt. Die Zusammensetzung des Brauwassers hat Einfluss auf diesen hochkomplizierten biochemischen Vorgang; deswegen war gutes Brauwasser im Mittelalter für ein gutes Bier überaus wichtig. Inzwischen kann mithilfe von Ionenaustauschern jede beliebige Wasserbeschaffenheit künstlich hergestellt werden. Abschließend wird die Maische in einem Läuterbottich oder durch Filterpressen filtriert. Der wasserunlösliche Rückstand, der Treber, dient als proteinreiches Viehfutter. Das Filtrat, Extrakt genannt, wird mit 100-400 g Hopfen (genauer gesagt mit weiblichen Hopfenblütenständen) versetzt und in der Sudpfanne (Würzepfanne) etwa zwei Stunden lang gekocht. Die nun entstehende Würze wird durch das Kochen sterilisiert und konzentriert, die Hopfeninhaltsstoffe lösen sich, und die Enzyme werden zerstört. Der Hopfen gibt dem Bier den bitteren Geschmack und das Hopfenaroma. Die Hopfenblüten enthalten zum einen ätherische Öle (Myrcen, Humulen und andere Terpene) und andererseits die Hopfenbittersäuren Humulon und Lupulon (der botanische Name des Hopfens ist Humulus lupulus). Diese Inhaltsstoffe wirken beruhigend auf das menschliche Gehirn und haben eine antibiotische Wirkung, die das Bier haltbar macht. Die Menge der gelösten Stoffe in der Würze, die Stammwürze, bestimmt den Geschmack und den Alkoholgehalt des späteren Bieres. Bei einem Stammwürzgehalt von weniger als 7 % spricht man von Einfachbier, bei 7-11 % von Schankbier, bei 11-14 % von Vollbier und bei Gehalten über 16 % von Starkbier oder Bockbier. Die fertig gekochte Würze wird dann noch filtriert und auf 5-15 ºC abgekühlt.
 
Der dritte Schritt beim Bierbrauen ist die eigentliche Gärung. Es gibt hierbei zwei leicht unterschiedliche Methoden: ein obergäriges und ein untergäriges Verfahren. Beim untergärigen Verfahren setzt sich die Hefe nach der Gärung am Boden des Gefäßes ab, beim obergärigen Verfahren steigt sie nach oben. Untergärige Biere werden mit der Hefesorte Saccharomyces uvarum vergoren. Hierzu wird die auf 5-7 ºC abgekühlte Würze (reine Gerstenwürze) mit 0,5 Liter Hefebrei pro Hektoliter versetzt. Die gärende Flüssigkeit erwärmt sich schnell auf 8-10 ºC und wird bei dieser Temperatur zwei bis drei Tage gehalten und anschließend auf 5 ºC abgekühlt. Die Hauptgärung dauert etwa eine Woche; danach wird das Bier noch 4-12 Wochen im Lagerkeller bei 1 ºC zum Nachgären aufbewahrt und nach einer letzten Filtration in Fässer, Flaschen und Dosen gefüllt. Zu den untergärigen Bieren gehören das helle, kräftig gehopfte Pilsener, das ebenfalls helle, aber weniger gehopfte Exportbier, das mittelfarbige Märzenbier und das dunkle malzaromatische Münchner Bier.
 
Obergärige Biere
 
werden mit der Hefesorte Saccharomyces cerevisiae bei 15-25 ºC in 2-3 Tagen vergoren. Bei den Weizenbieren wird eine 1 : 1-Mischung aus Gersten- und Weizenmalz eingesetzt. Der hohe Kohlensäuregehalt resultiert aus der Nachgärung in Drucktanks oder direkt in den Flaschen. Dies führt übrigens gelegentlich zu spontanen Explosionen von Weizenbierflaschen, die zu lange im Warmen gestanden haben. Zu den obergärigen Bieren gehören das dunkle, bittere Altbier, das hellere und mildere Kölsch, das britische Ale und die Berliner Weiße, bei der allerdings auch Milchsäurebakterien am Gärprozess beteiligt sind.
 
 Geschichte des Bieres
 
Wann und wo das Bierbrauen von der Menschheit erfunden wurde, ist unsicher. Die ältesten Beschreibungen stammen von den Sumerern aus dem 4. Jahrtausend v. Chr. Die Sumerer betrachteten das Bier als göttliches Getränk und opferten es ihren Göttern.
 
Die Babylonier lösten die Sumerer im 2. Jahrtausend v. Chr. in der Herrschaft über Mesopotamien ab, und auch sie brauten Bier, und zwar schon 20 verschiedene Sorten: acht aus Emmer, acht aus Gerste und vier aus einem Getreidegemisch. All diese frühen Biere waren trüb und unfiltriert und man benötigte zum Trinken ein dünnes Röhrchen (eine frühe Form des Strohhalms), um nicht die ziemlich bitteren Braurückstände in den Mund zu bekommen. In der frühesten uns bekannten Gesetzessammlung des Königs Hammurabi ist auch ein Gesetz enthalten, dass jedem Bürger Babylons eine tägliche Ration Bier zugesteht; normalen Arbeitern zwei Liter, Beamten drei Liter und Verwaltern und Oberpriestern fünf Liter pro Tag. Hammurabis Gesetze waren hart. Wer minderwertiges Bier verkaufte, wurde im eigenen Produkt ertränkt. Im ältesten erhaltenen Epos der Menschheit - dem »Gilgameschepos«, das im 3. Jahrtausend v. Chr. niedergeschrieben wurde, aber ältere mündliche Überlieferungen zusammenfasst - wird die Entwicklung vom Urmenschen zum zivilisierten Menschen beschrieben. König Gilgamesch, der Halbgott, schickt eine Dirne zu Enkidu, einem rohen, wilden Urmenschen, der Gras frisst und wilde Tiere zähmt, um ihn Kultur zu lehren: »... nicht wusste Enkidu, was Brot war und wie man es zu essen pflegt. Auch Bier hat er noch nicht gelernt zu trinken.« Da öffnete die Dirne ihren Mund und sprach zu Enkidu: »Iss nun das Brot, oh Enkidu, denn das gehört zum Leben, trink auch vom Bier, wie es des Landes Brauch. ..« Enkidu trank sieben Becher Bier und ihm wurde leicht ums Herz. In dieser Verfassung wusch er sich und wurde so ein Mensch. Fragt man einen Ägyptologen, wer das Bier erfunden hat, dann waren es die alten Ägypter. Sie benutzten den ungebackenen Brotteig zum Bierbrauen und gaben Datteln zu dem Sud, um den Geschmack zu verbessern. Den Stellenwert des Bieres in Ägypten kann man daran ablesen, dass es eine eigene Hieroglyphe für Brauer gibt.
 
In Griechenland war Bier ebenfalls bekannt, Aristoteles empfahl es als Schlafmittel. Die Römer schätzten das Bier weniger, sie tranken Wein - das Getränk der Götter - und hielten das Bier für ein Getränk der Barbaren. Nur in den Teilen des Römischen Imperiums, in denen kein Wein wuchs, wurde Bier gebraut. Tacitus meint in seiner »Germania« zum Bier: »Als Getränk haben die Germanen ein schauerliches Gebräu, aus Gerste oder Weizen gegoren, ein Gebräu, welches mit Wein eine sehr entfernte Ähnlichkeit hat.« Ein heutiger Mitteleuropäer käme vielleicht zu dem gleichen Urteil, denn das damalige Bier schäumte so gut wie nicht - es schmeckte also von vornherein schal - und es war trüb und wurde schnell sauer.
 
Die ältesten Zeugnisse von Bier auf deutschem Boden stammen aus der Hallstattzeit (ab etwa 700 v. Chr.) aus der Gegend von Kulmbach. In dem damals rein keltischen Siedlungsgebiet wurden einige Bieramphoren gefunden. Die Brautradition blieb bestehen und bei den Germanen war - laut der »Edda« - Bier das Getränk der Lebenden, Met das Getränk der Toten und Wein das Getränk der Götter. Man musste nun nicht unbedingt ein Gott oder tot sein, um an ein anderes alkoholisches Getränk außer Bier heranzukommen, doch war Bier mit Abstand das billigste und am weitesten verbreitete alkoholische Getränk in Germanien, mit Ausnahme des romanisierten und Wein anbauenden Südwestens. In den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung waren das Brotbacken und das Bierbrauen Aufgabe der Frauen und wurden nicht als Handwerk betrieben. Dies änderte sich erst um die Jahrtausendwende, als sich Mönche auf die Suche nach einem wohlschmeckenden und nahrhaften Getränk für die Fastenzeit begaben. Die Mahlzeiten zur Fastenzeit waren in den Klöstern mehr als karg, doch war die Aufnahme von Flüssigkeiten nicht verboten. Die Mönche perfektionierten das Brauwesen, und der Bierverbrauch in den Klöstern nahm enorme Ausmaße an: Jedem Mönch war es erlaubt, fünf Liter Bier am Tag zu trinken. Bald darauf begannen die Klosterbrauereien auch Bier zu verkaufen, das wegen seiner hohen Qualität sehr beliebt war. In den aufblühenden Städten des Mittelalters wollte man auf derart gutes Bier nicht verzichten, und so entstanden auch dort Brauereien, die in die Handwerkerzünfte integriert waren. Die jeweiligen Landesfürsten entdeckten sehr schnell, dass man mit Bier Geld machen kann, und führten Bierabgaben und Biersteuern ein. Davon waren aber die Klosterbrauereien durch altes Recht ausgenommen. Um diese steuerlichen Verluste zu minimieren, schlossen viele Landesherren kurzerhand die Klosterbrauereien, die im besten Falle nur noch für den internen Bedarf brauen durften. Dieser klare Rechtsbruch wurde von Kaiser Sigismund (1368-1437, König ab 1410, Kaiser ab 1433) legitimiert.
 
Die Brauereien des Mittelalters verwendeten allerhand seltsame Kräuter und andere Dinge, um ihren Gerstensaft zu würzen. Diese Mixtur wurde Grut genannt. Die Grut einer jeden Brauerei war, wie wir heute sagen würden, patentiert und sicherte den Braumeistern eine Art Monopolstellung. In der Grut war alles Mögliche enthalten, unter anderem Wacholder, Schlehe, Eichenrinde, Wermut, Kümmel, Anis, Lorbeer, Schafgarbe, Stechapfel, Enzian, Rosmarin, Rainfarn, Johanniskraut, Fichtenspäne, Kiefernwurzelteile und Bilsenkraut. Einige dieser Substanzen machen das Bier haltbar, andere sind schlichtweg giftig und wieder andere sind Rauschgifte, die Halluzinationen hervorrufen. Der Hopfen würzt das Bier ebenfalls und macht es haltbar (transportfähig). Er war seit dem 8. Jahrhundert in Mitteleuropa verbreitet, hätte jedoch die Grut überflüssig gemacht, und es wären dadurch Monopole gefährdet gewesen, sodass interessierte Kreise die Verwendung von Hopfen verboten.
 
Die Brauerei mit Grut war eine unkalkulierbare Sache. Das Gebräu war manchmal giftig, manchmal ein übles Halluzinogen und hauptsächlich instabil und sehr schnell sauer. In der Renaissancezeit blühte der Hexenwahn auf, und erfolglose Brauversuche wurden Brau- oder Bierhexen zugeschrieben. (So heißt es in »Macbeth« von William Shakespeare: »Um den Kessel dreht euch rund, werft das Gift in seinen Schlund; Kröte, die im kalten Stein Tag und Nächte dreimal neun, zähen Schleim im Schlaf gegoren, soll zuerst im Kessel schmoren! Sumpf'ger Schlange Schweif und Kopf, brat und koch im Zaubertopf; Molchesaug und Unkenzehe, Hundemaul und Hirn der Krähe; zäher Saft des Bilsenkrauts, Eidechsenbein und Flaum vom Kauz: Mächt'ger Zauber würz die Brühe, Höllenbrei im Kessel glühe!«) Diese düsterste Zeit der Bierbrauerei endete 1591 mit der letzten Verbrennung einer Brauhexe. Auf Dauer setzte sich der Hopfen als Würze des Gerstenbreis durch. Im Jahre 1493 verkündete Herzog Georg (der Reiche) von Bayern-Landshut die Anordnung: »Item die Bierbrauer und andere sollen auch nichts zum Bier gebrauchen, denn allein Malz, Hopfen und Wasser, noch dieselben Bräuer auch durch Bierschänken und andere nichts in das Bier thun, bey Vermeidung von Strafe an Leib und Gut.« Im Jahre 1516 wurde diese Verordnung auf ganz Bayern ausgedehnt. Seither ist sie als deutsches Reinheitsgebot bekannt und immer noch gültig: Wasser, Hopfen und Getreide sind zum Bierbrauen zugelassen, sonst nichts.
 
Das deutsche Bier wurde im späten Mittelalter zu einem wichtigen Exportprodukt. Bremen war im 14. Jahrhundert der Hauptlieferant von Bier für Holland, England und Skandinavien. Die Hanse lieferte Bier bis nach Indien. Weitere Brauzentren waren Hamburg (mit etwa 600 Brauereien um das Jahr 1500), Braunschweig und Einbeck. Das »einpöckisch Bier«, wie es genannt wurde, war in halb Europa verbreitet und gab dem heutigen Bockbier seinen Namen.
 
Der technologische Fortschritt ging auch am Bier nicht vorbei. Als im Jahre 1835 die erste deutsche Eisenbahn von Nürnberg nach Fürth fuhr, waren zwei Fass Bier das erste Transportgut. Carl von Linde erfand 1876 die Kältemaschine. Zur Herstellung von gutem Bier sind tiefe Temperaturen erforderlich, und so wurde seine Maschine zum ersten Mal in einer Münchner Brauerei erprobt. Ab dieser Zeit konnte nun auch im Sommer mit gleicher Qualität gebraut werden. Im gleichen Jahr veröffentlichte der Mikrobiologe Louis Pasteur seine »Études sur la bière« (Untersuchungen über das Bier), in denen er den wissenschaftlichen Hintergrund des Brauvorgangs darlegte. Bald darauf züchteten die verschiedenen Brauereien ihre eigenen Brauhefen (z. B. Saccharomyces carlsbergiensis). Eine letzte technologische Neuerung war die Einführung der Kegfässer im Jahre 1964. Zuvor war das Bier in Holzfässern aufbewahrt und transportiert worden. Die Kegfässer bestehen aus Edelstahl und besitzen ein Steigrohr, was das An- und Abschlagen sowie die Reinigung der Fässer wesentlich vereinfacht.
 
II
Bier
 
[zu spätlateinisch biber »Trank«, »Getränk«], jedes aus stärkehaltigen Materialien durch alkoholische Gärung gewonnene Getränk. Auf der Grundlage des 1516 in Deutschland erlassenen Reinheitsgebots darf nach dem deutschen Biersteuergesetz von 1993 untergäriges Bier nur aus Gerstenmalz, Wasser, Hopfen und Hefe hergestellt werden, obergäriges Bier auch aus Weizenmalz und außerhalb Bayerns und Baden-Württembergs aus Zucker und Zuckercouleur. Im Ausland finden auch 10-40 % ungemälztes Getreide (Gerste oder Weizen), meist Reis und Mais unter Zusatz von Enzympräparaten, Verwendung. - Die Bierherstellung gliedert sich in Malzbereitung, Würzebereitung und Gärung.
 
 Malzbereitung
 
Der aus den Schritten Weichen, Keimen und Darren bestehende Malzprozess von Braugerste (auch Weizen oder Reis) dient der Aktivierung und Neubildung der in der Rohfrucht vorgebildeten Enzyme (α- und β-Amylase, β-Glucanhydrolase, Peptidasen, Phosphatasen), dem partiellen Abbau der Inhaltsstoffe sowie der Bildung erwünschter und Beseitigung unerwünschter Verbindungen. Das Endprodukt der Keimung heißt Grünmalz, nach dem anschließenden Trocknen und Darren oder Rösten Darrmalz. Zur Einleitung der Keimung wird die Gerste geweicht und dabei intensiv gewaschen. Im Verlauf von 24 bis 27 Stunden steigt bei einer Weichtemperatur von 10 bis 12 ºC der Wassergehalt der Gerste von etwa 15 % auf 38 %; hier beginnt das Wachstum der Wurzelkeime am gleichmäßigsten. Zu diesem Zeitpunkt wird das Gut in einen Keimkasten (früher auf eine Malztenne) überführt, in dem die Temperatursteuerung durch einen gekühlten, befeuchteten Luftstrom erfolgt und das Gut zweimal täglich gewendet wird. Im Verlauf von zwei Tagen wird bei etwa 17 ºC der Wassergehalt schrittweise auf 45-50 % erhöht; dabei erreicht der Wurzelkeim die 1- bis 1½fache, der Blattkeim ¾ der Kornlänge, der Mehlkörper wird zerreibbar. Zuletzt wird das Keimgut auf 12-13 ºC abgekühlt und dann dem Trocknungs- und Darrprozess unterworfen, der auf einer Einhorden-Hochleistungsdarre 20 Stunden dauert. Auch Zweihordendarren oder kontinuierlich arbeitende Systeme, die besonders energiesparend arbeiten, werden eingesetzt. Helle Malze werden rasch und mit viel Luft bei 50-60 ºC getrocknet (»geschwelkt«) und schließlich vier Stunden bei 80-85 ºC gedarrt; der Wassergehalt sinkt auf etwa 4 %. Dunkle Malze werden ebenfalls bei 50-60 ºC, aber langsamer entwässert und dann vorsichtig auf 100 ºC aufgeheizt; während eines fünf Stunden währenden Röstvorganges bei 100-150 ºC entstehen aus niedermolekularen Stickstoffsubstanzen (Aminosäuren) und Kohlenhydraten die typischen Farb- und Aromastoffe. Der Wassergehalt sinkt auf 1,5-2,5 %. Der Keimling stirbt bei diesen hohen Temperaturen ab. Anschließend wird das Malz abgekühlt, von den Malzkeimen befreit und eingelagert. Die Ausbeute beträgt etwa 80 kg Darrmalz aus 100 kg Gerste. Dunkles Bier erfordert einen Zusatz von 1 % Farbmalz, das man durch Rösten in Kugelbrennern erhält. Ähnlich ist auch die Herstellung der süß-malzig schmeckenden Karamellmalze. Der besondere Charakter eines Biers wird durch die Beschaffenheit des Malzes bestimmt.
 
 Würzebereitung
 
Bei dem aus den Schritten Maischen und Würzekochen bestehenden Prozess wird das abgelagerte Malz zunächst in Schrotmühlen zerkleinert und mit Wasser (Brauwasser) zu einer Maische vermischt. Durch eine der optimalen Enzymwirkung angepasste Temperaturführung wird die Verzuckerung der Maische vollzogen. In anderen Ländern ist der Einsatz von Rohfrucht zulässig, dabei werden noch Enzympräparate zugegeben. Zur Zerkleinerung des Malzes dienen Zwei-, Vier- und Sechswalzenmühlen. Die Zusammensetzung des Schrotes richtet sich nach der später verwendeten Abläutervorrichtung: So benötigt der Läuterbottich ein etwas gröberes Schrot mit gut erhaltenen Spelzen, die als Filterschicht dienen. Maischefilter verarbeiten dagegen ein feineres, manche Systeme sogar Pulverschrot. Im Sudhaus wird die Maische in der Maischpfanne zunächst stufenweise erhitzt (»Temperaturrasten«). Bei 45-50 ºC erfolgt ein weiterer Abbau von Stütz- und Gerüstsubstanzen, bei 45-55 ºC von Eiweiß zu Peptiden, zum Teil auch bis zu den Aminosäuren. Die Stärke ist zunächst noch unlöslich, doch werden die Stärkekörner durch den vorausgehenden Abbau der aus Eiweiß und Hemicellulosen bestehenden Zellwände beim Mälzen und Maischen freigelegt; sie nehmen Wasser auf und werden bei Temperaturen über 60 ºC verkleistert und verflüssigt. Bei 60-65 ºC setzt der Abbau durch die Malzenzyme ein, wobei in diesem Bereich mehr vergärbare Zucker, hauptsächlich Maltose (Malzzucker), bei 70-75 ºC dagegen mehr unvergärbare Dextrine entstehen. Die Beendigung des Stärkeabbaus wird durch die Jod-Stärke-Reaktion festgestellt. Auf die geschilderten Abbauvorgänge hat auch das Brauwasser einen Einfluss, da die in ihm enthaltenen Mineralsalze (Ionen) mit den Phosphaten des Malzes reagieren und so die Acidität der Maische bestimmen. Die klassischen Biertypen wie Dortmunder, Münchener und Pilsener waren durch einen ganz bestimmten Brauwassertyp geprägt. Heute ist es möglich, durch Entkarbonisierungs- oder Entsalzungsverfahren nahezu jede erforderliche Wasserbeschaffenheit zu erzielen.
 
Das klassische Maischverfahren ist das Dreimaischverfahren, ein Dekoktions- oder Kochverfahren, bei dem der Maischprozess mit 35 ºC beginnt. Ein Drittel der hier vorliegenden Dickmaische wird zunächst in einer eigenen Pfanne auf 70 ºC zur »Verzuckerung« erhitzt, anschließend 20-35 Minuten lang gekocht und dann auf die im Maischbottich verbliebene Restmaische zurückgepumpt, wodurch die Temperatur der Gesamtmaische auf 50-53 ºC ansteigt. Danach wird wiederum ein Drittel der Maische erhitzt, 20-30 Minuten lang gekocht und zurückgeleitet, wobei sich die Gesamtmaische auf 62-65 ºC erwärmt. Das letzte Drittel wird meist »dünn«, d. h. als Läutermaische abgezogen, gekocht und zum Rest gegeben, wodurch die Gesamtmaische eine Temperatur von 75-78 ºC erreicht. Dieses, v. a. für dunkle Biere entwickelte Verfahren dauert 4-5 Stunden. Für helle Biere kommen kürzere Maischverfahren zur Anwendung, bei denen der Maischprozess bei 50 oder 60 ºC beginnt und nur eine oder zwei Teilmaischen gekocht werden. Die Infusionsmaischverfahren bestehen aus einem einfachen Erhitzen der Maischen auf die gewünschten Rasttemperaturen und schließlich auf 72-78 ºC. In Großbritannien wird entweder bei nur einer Temperatur (z. B. 65 ºC) oder aber »abwärts« durch Einleiten (»Einspringen«) der kalten Maische in heißes Wasser von 78 auf 65 ºC gemaischt. - Durch die Wahl und Dauer der Rasten bei 45-55 ºC, 62-68 ºC und 70-72 ºC ist es möglich, auf die verschiedenen Malzqualitäten einzugehen und die Zusammensetzungen der Würze für ganz bestimmte Biertypen festzulegen. Weitere Möglichkeiten bestehen in der Variation der erwähnten Kochmaischen, der Maischekonzentration und der Zusammensetzung des Brauwassers, die die Acidität der Maische beeinflusst.
 
Nach Beendigung des Maischens werden die ungelösten Bestandteile (Treber) von den gelösten Bestandteilen (Extrakt) abgetrennt; hierzu wird die Maische in eine Abläutervorrichtung gegeben, z. B. in einen Läuterbottich, einen Behälter mit Siebboden, oder auf Rahmenfilterpressen. Die vom Läuterbottich zuerst ablaufende trübe Würze wird so lange zurückgegeben, bis sie klar ist. Die dann gewonnene Haupt- oder Vorderwürze hat einen Extraktgehalt von 15-18 %. Die Treber werden mit heißem Wasser von 75 bis 78 ºC mehrmals ausgewaschen (»Anschwänzen«), bis die zuletzt ablaufende Lösung (»Nachguss«) nur noch einen Extraktgehalt von 0,5-1 % hat. Die Treber werden als eiweißreiches Viehfutter verwendet. Bei der weiteren Verarbeitung wird die abgeläuterte Würze mit 100-400 g Hopfen je hl versetzt und in der Sudpfanne (Würzepfanne) 1½ -2 Stunden gekocht. Durch das Kochen wird die Würze konzentriert und sterilisiert, die Hopfeninhaltsstoffe werden gelöst, die hochmolekularen Eiweißsubstanzen koaguliert und die Malzenzyme inaktiviert. Der Hopfen verleiht dem späteren Bier den Bittergeschmack und ein charakteristisches Hopfenaroma, außerdem hat er eine bakteriostatische Wirkung auf bestimmte Mikroorganismen. Der Extraktgehalt (die Menge der gelösten Stoffe) der Würze, die Stammwürze, ist für die verschiedenen Biersorten vorgeschrieben: Bier mit einem Stammwürzegehalt von weniger als 7 % (bis Mai 1991 als Einfachbier bezeichnet), Schankbier mit 7-11 %, Vollbier mit 11-14 %, Starkbier, Bockbier oder Ähnliches mit mindestens 16 % Stammwürze. Unter Verwendung von Zucker hergestelltes Bier darf nur mit der Angabe »unter Zuckerverwendung hergestellt« gehandelt werden. - Auch beim Würzekochen sind neue Systeme, v. a. zur Energieersparnis, eingeführt worden, z. B. verkürzt die Hochtemperaturwürzekochung bei 135 ºC die Kochzeit auf 2½ Minuten.
 
Die fertige, gehopfte und gekochte Würze (»Ausschlagwürze«) wird von den Hopfenrückständen und vom koagulierten Eiweiß befreit, in Plattenkühlern auf 5-15 ºC (je nach dem späteren Gärverfahren) abgekühlt und für die Vermehrung der Hefe bei der Gärung belüftet.
 
 Gärung
 
Der aus den beiden Teilschritten Gärung und Reifung bestehende Prozess erfolgt in großen Gärbottichen, in die die Anstellhefe eingeleitet wird. Es ist eine Reinkultur der verschiedenen Rassen von Saccharomyces cerevisiae (obergärig) oder Saccharomyces uvarum (untergärig), die aus einer einzigen Hefezelle gewonnen, weitergezüchtet und in Reinzuchtapparaten vermehrt wird. Obergärige Hefen gären bei 15-20 ºC; sie steigen am Ende der Gärung nach oben. Untergärige Hefen werden bei 5-10 ºC geführt; sie setzen sich nach beendeter Gärung am Boden des Gärbehälters ab.
 
Bei der Herstellung der untergärigen Biere wird die Würze mit 0,5 l dickbreiiger Hefe pro hl versetzt. Von der Anstelltemperatur 5-7 ºC erwärmt sich die gärende Flüssigkeit rasch auf 8-10 ºC; sie wird bei dieser Temperatur 2-3 Tage gehalten und anschließend auf circa 5 ºC abgekühlt. Äußerlich zeigt sich die Gärung an einer starken Kohlendioxidentwicklung. Hierdurch und unter dem Einfluss sich bildender organischer Säuren (Abfall des pH-Wertes) werden Hopfenharze und Stickstoffsubstanzen ausgeschieden und in die Schaumdecke (»Kräusen«) getragen. Die Hauptgärung dauert bis zur Vergärung von rund 75 % der Zucker 6-8 Tage, bei höheren Temperaturen nur 3-4 Tage. Die anschließende Nachgärung im Lagerkeller dauert 4-12 Wochen, wobei bei Temperaturen von 0-1 ºC die restlichen Extraktmengen vergoren, Kohlendioxid angereichert und eine Klärung und Reifung bewirkt werden. Durch die Anwendung von höheren Temperaturen und Druck werden die Gär- und Lagerzeiten auf insgesamt 2-4 Wochen verkürzt. Zum Ausstoß wird das Bier filtriert und in Transportfässer, Flaschen oder Dosen abgefüllt. Bei circa 7 ºC gelagert, hält es sich in Flaschen mehrere Wochen, verschiedentlich durch Stabilisierung mit (erlaubten) Fällungsmitteln 6 Monate und mehr. - Die untergärigen Biere gliedern sich in helle, mittelfarbige und dunkle Typen. Die heute zu 90 % hellen Biere leiten sich vom ursprünglichen Pilsener und Dortmunder ab. Das Pilsener ist zum Gattungsbegriff für stark gehopftes, kräftig bitteres Bier, das Dortmunder für ein stärkeres, hoch vergorenes, mild bitteres Bier geworden. Der mittelfarbige Typ leitet sich vom Wiener Bier ab, es ist auch als Märzenbier bekannt. Die dunklen Biere vom ursprünglichen Münchener Typ sind malzaromatisch und süßlich, der Hopfencharakter tritt dabei zurück. Die Biersorten variieren innerhalb der Stammwürzegrenzen.
 
Bei der Herstellung der obergärigen Biere verläuft die Gärung zwischen 15 und 20 (zum Teil bis 25) ºC in 2-3 Tagen. Weizenbiere enthalten je zur Hälfte Weizen- und Gerstenmalz; die Nachgärung im Drucktank oder in Flaschen vermittelt hohen Kohlensäuregehalt. Die Berliner Weiße wird durch eine Mischgärung von Hefen und Milchsäurebakterien gewonnen. Das Altbier ist ein mittel- bis dunkelfarbiges bitteres Bier, das Kölsch ist heller und milder. Die beiden letzteren Typen schließen an das britische Ale an, mit seinen Varianten Porter und Stout, zwei sehr stark gehopften und sehr dunklen Biersorten. Vor dem Zweiten Weltkrieg gab es noch die Braunschweiger Mumme oder das Danziger Jopenbier, die wie die belgische Geuze oder das Lambic durch die brauereieigene Mikroflora »spontan« vergoren wurden.
 
Nährbiere sind alkoholarm (unter 1,5 Volumenprozent Alkohol) oder alkoholfrei (unter 0,5 Volumenprozent Alkohol); sie haben einen hohen Extraktgehalt. Diätbiere sind sehr hoch vergoren; hier ist die Restmenge der vom Diabetiker verwertbaren Kohlenhydrate auf 0,75 % beschränkt.
 
Wirtschaftliches und statistisches. Angaben Brauerei.
 
 Geschichtliches
 
Seit frühester Zeit haben fast alle Völker der Erde nicht nur aus zuckerhaltigen, sondern auch aus stärkehaltigen Stoffen durch Gärung alkoholischer Getränke hergestellt. Schon im 3. Jahrtausend v. Chr. war Bier in Mesopotamien ein verbreitetes Volksgetränk; die Sumerer verbacken gemälztes Getreide zu Broten, die sie dann in Wasser auflösten und vergären ließen. Die Kunst des Bierbrauens wurde von den Babyloniern anderen Völkern des Vorderen Orients vermittelt und verbreitete sich in der Antike im gesamten Mittelmeerraum, durch die Römer u. a. auch in Germanien.
 
In Europa wurde Bier ursprünglich aus gemälztem oder ungemälztem Getreide (Hirse, Gerste, Weizen, Hafer, Roggen) obergärig gebraut. Um das süßliche Getränk schmackhafter zu machen, setzte man Baumrinde, Honig, Wacholder, Pilze oder Ähnliches hinzu, vermutlich auch Hopfen, der in Deutschland erstmals 736 in Geisenfeld (Bayern) erwähnt wird; er wurde dort schon im 7. Jahrhundert von slawischen Kriegsgefangenen eingeführt. Die älteste Bierurkunde stammt aus dem Jahre 764; sie weist nach, dass Bier von Geisingen (an der oberen Donau) an das Kloster Sankt Gallen geliefert worden ist.
 
Während in Norddeutschland genossenschatlichen und Bürgerbrauereien (»Hausbrauereien«) Bier erzeugten, waren es im Süden v. a. Klöster wie Sankt Gallen und Weihenstephan in Bayern. An der Wende vom 13. zum 14. Jahrhundert traten, besonders in Norddeutschland, »Handelsbrauereien« (größere private Brauereien) neben die Kloster- und Hausbrauereien; zur selben Zeit entwickelten sich die Bierbrauerzünfte. Im 14. Jahrhundert verdrängte der Hopfen endgültig die bis dahin verwendeten Würz- und Bitterstoffe.
 
Bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts blieb Norddeutschland Schwerpunkt der Biererzeugung. Danach verschob sich das Gewicht nach Bayern, wo sich die Brauereien schon frühzeitig, zuerst seit 1500 in den Klöstern, auf das neu entwickelte untergärige Verfahren umstellten. Das Ansehen des bayerischen Biers beruhte v. a. auf der Einhaltung des 1516 erlassenen Reinheitsgebots. Die Beliebtheit des Biers stieg so stark an, dass im 18. Jahrhundert schließlich fast überall Bier gebraut wurde, organisiert und reglementiert durch landesherrliche Vorschriften. Adel und Klöster besaßen das Braurecht aufgrund ihrer Privilegien, Bürgern wurde es verliehen. Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Bierbrauerei mit zunehmenden technologischen Möglichkeiten aus einem handwerksmäßigen Gewerbe zu einer bedeutenden Industrie.
 
Literatur:
 
L. Narziss: Die B.-Brauerei, begr. v. K. Schuster u. a., 3 Bde. (3-71963-92);
 J. de Clerck: Lb. der Brauerei, 2 Bde. u. 4 Erg.-H. (a. d. Frz., 21964-70);
 
Dt. B.-Spezialitäten, bearb. v. H.-G. Burger u. a.(1993);
 M. Jackson: B. international (a. d. Engl., 1994);
 L. Narziss: Abriß der B.-Brauerei (61995).
 
III
Bier,
 
August, Chirurg, * Helsen (heute zu Arolsen) 24. 11. 1861, ✝ Sauen (Landkreis Beeskow) 12. 3. 1949; 1907-32 Professor in Berlin. Bier verbesserte die Amputationschirurgie, entwickelte (nach Eigenversuchen) die Lumbalanästhesie (Anästhesie) und führte die Blutstauung (Hyperämie) als Behandlungsmethode (wieder) ein (Bier-Stauung, Saugglocke). Er trat auch für die Homöopathie und Naturheilkunde ein.

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Bier, das; -[e]s, (Sorten:) -e [mhd. bier, ahd. bior, viell. < spätlat. biber = Trank, zu lat. bibere = trinken]: aus Malz, Hopfen, Hefe u. Wasser gegorenes, kohlensäurehaltiges, würziges, leicht alkoholisches Getränk: helles, dunkles, einfaches, starkes B.; alkoholfreies B.; das ist hiesiges, auswärtiges B.; B. in Flaschen, in Dosen; das B. ist frisch, gut, gepflegt, süffig, schal, sauer, bitter; B. brauen; B. zapfen, ausschenken, abfüllen; Stanislaus sollte die Gläser spülen, B. anstecken, Eis auflegen (Strittmatter, Wundertäter 142); einen Kasten B. (Kasten mit Bier in Flaschen) holen; ein großes, kleines B. (Glas Bier) bestellen; ein, zwei B. (Glas Bier) trinken; Cha-cha geht einkaufen, ich auf ein B. (ein Glas Bier; Sobota, Minus-Mann 208); es roch nach Aschenbechern und abgestandenem B. (Gaiser, Jagd 108); *etw. wie sauer/saures B. ausbieten, anpreisen (ugs.; eifrig für etw. werben, was niemand haben will): in den Kaufhäusern wurden die Ringelsocken wie saures B. angepriesen; das ist [nicht] mein B. (ugs.; das ist [nicht] meine Angelegenheit, [nicht] mein Geschäft; wohl urspr. zu einer gleich lautenden mundartl. [westmd.] Form von „Birne“): Noch besser als Vorbeugehaft sei eine rechtzeitige Resozialisierung ... Aber das ist nicht mein B. Ich bin Polizist und kein Pädagoge (MM 8. 5. 69, 6).

Universal-Lexikon. 2012.