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Elsass-Lothringen
Ẹl|sass-Loth|rin|gen; -s:
amtliche Benennung für das das Elsass u. das nordöstliche Drittel Lothringens umfassende Gebiet, das von 1871 bis 1918 zum Deutschen Reich gehörte.

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I
Elsass-Lothringen
 
Erst im Laufe der Kampfhandlungen während des Deutsch-Französischen Krieges und zunehmend mit den militärischen Erfolgen entstand in Deutschland die Forderung, im zukünftigen Frieden müsse das besiegte Frankreich Gebiete an das Deutsche Reich abtreten. Die Blicke richteten sich auf das Elsass und auf Lothringen. Die Generäle führten Sicherheitsüberlegungen ins Feld, der Erwerb des elsässischen Gebietes würde die süddeutschen Grenzen sicherer machen, die nationale Bewegung verlangte die Rückkehr der erst vor rund 200 Jahren zu Frankreich gekommenen deutschsprachigen Länder.
 
Bismarck folgte mit der Annexion Elsass-Lothringens im Friedensvertrag 1871 in Frankfurt den strategischen Überlegungen des Militärs, dass der Besitz der rheinwärts gelegenen Höhen der Vogesen und der Festungen Metz und Straßburg künftig die Bedrohung Süddeutschlands unmöglich machen würde. Er hatte bei dieser territorialen Forderung aber auch die deutsche Nationalbewegung im Auge und versprach sich eine endgültige Überwindung der unterschwellig noch immer vorhandenen antipreußischen Einstellung in der süddeutschen Bevölkerung.
 
Die Elsässer und Lothringer ihrerseits wollten lieber bei Frankreich bleiben, nur wenige begrüßten die Annexion als Heimkehr in das gemeinsame Vaterland. Staatsrechtlich erhielt das Reichsland nicht die gleiche bundesstaatliche Stellung wie die deutschen Fürstenstaaten, sondern wurde zunächst wie eine preußische Provinz verwaltet. Es gelang der Verwaltung indes nicht, die Bevölkerung in ihrer Mehrheit zu integrieren, vielmehr versteifte sich die Protesthaltung der Bevölkerung zunehmend.
 
Außenpolitisch wurde mit der Annexion Elsass-Lothringens der Grund zu einem neuen Krieg gelegt. Frankreich betrachtete die annektierten Gebiete als Teil der französischen Nation und vermochte den Verlust nicht zu verwinden. Sein Bestreben war es, einen neuen Waffengang vorzubereiten, dann aber mit starken Bündnispartnern an seiner Seite.
II
Ẹlsass-Lothringen,
 
amtlich Reichsland Elsass-Lothringen, 1871-1918 ein Gebietsteil des Deutschen Reiches mit (1910) 14 522 km2 und 1,874 Mio. Einwohnern.
 
Im Frankfurter Frieden (10. 5. 1871) musste Frankreich nach der Niederlage im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 das Elsass (außer Belfort), den nordöstlichen (zumeist deutschsprachigen) Teil Lothringens und Metz an das 1871 gegründete Deutsche Reich abtreten. Die Gebiete wurden zum Reichsland Elsass-Lothringen zusammengeschlossen, das staatsrechtlich nicht Bundesstaat des Deutschen Reiches war, sondern einen Sonderstatus hatte, in dessen Rahmen es 1871-79 nach dem Muster einer preußischen Provinz verwaltet wurde. Das Verfassungsgesetz vom 4. 7. 1879 gewährte Elsass-Lothringen Teilautonomie. Es erhielt eine Landesregierung mit einem kaiserlichen Statthalter sowie ein verantwortliches Ministerium. Die Aufhebung des »Diktaturparagraphen« (1902), der es dem Statthalter ermöglichte, bei Gefahr alle ihm geeignet scheinenden Maßnahmen zur Sicherung der öffentlichen Ordnung zu verfügen, räumte Elsass-Lothringen weitere politische Freiheiten ein. Mit dem Verfassungsgesetz vom 26. 5. 1911 wurde es einem Bundesstaat nahezu gleichgestellt. Das Reichsland verfügte über eine frei gewählte Volksvertretung sowie eine eigene Gesetzgebung (bei kaiserlichen Vorrechten) und entsandte drei Vertreter in den Bundesrat. Im Ersten Weltkrieg unterstand Elsass-Lothringen der Militärverwaltung, die sich durch ihr rigoroses Vorgehen, v. a. durch die rücksichtslose Eindeutschungspolitik und den Plan einer Aufteilung des Landes auf Baden, Preußen und Bayern, bald dem massiven Widerstand der Bevölkerung ausgesetzt sah. Die Gewährung der vollen Autonomie im Oktober 1918 hatte keinen Einfluss auf die ablehnende Haltung der Bevölkerung Elsass-Lothringens. Die französischen Truppen wurden 1918 vielfach als Befreier begrüßt.
 
Der Plan einer Annexion Elsass-Lothringens war auf deutscher Seite erst im Verlauf des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71 entstanden. Ausschlaggebend waren militärische Überlegungen (Sicherung Süddeutschlands gegen Frankreich durch ein linksrheinisches Vorfeld). Außenpolitisch wurde damit der Grund für eine erneute militärische Auseinandersetzung mit Frankreich gelegt. Die Bevölkerung Elsass-Lothringens stand der Annexion ablehnend gegenüber. Fast ein Drittel der Einwohner (rd. 550 000) optierte für Frankreich. Diese Protesthaltung führte zu einer innenpolitischen Belastung des Deutschen Reiches. Bei den Reichstagswahlen wurden in Elsass-Lothringen nur Vertreter des Protests, zumeist dem politischen Katholizismus zuzurechnende Notabeln, gewählt. Erst ab 1890 näherten sich die politischen Vertreter Elsass-Lothringens den im Reich vertretenen Parteien. Kultur (u. a. Bildungswesen) und Wirtschaftsleben (u. a. Übergang zur modernen Industriegesellschaft; mit der Annexion Elsass-Lothringens war das Deutsche Reich zum eisenerzreichsten kontinentaleuropäischen Staat aufgestiegen und hatte zugleich das Kalimonopol errungen) nahmen in dieser Zeit einen großen Aufschwung; ebenso trugen die politischen Maßnahmen (Autonomie, Aufbau einer eigenen Verwaltung) zu einer insgesamt aufgeschlosseneren Haltung der Bevölkerung gegenüber dem Deutschen Reich bei. Die Zabernaffäre (1913) bedeutete einen schweren Rückschlag. Nach dem Ersten Weltkrieg kam Elsass-Lothringen unter Aufhebung der Landesverfassung an Frankreich.
 
Literatur:
 
Das Reichsland Elsaß-L., 3 Bde. (Straßburg 1898-1903);
 H.-U. Wehler: Krisenherde des Kaiserreichs 1871-1918 (21979);
 I. Grünewald: Die Elsaß-Lothringer im Reich 1918-1933 (1984);
 H. Hiery: Reichstagswahlen im Reichsland. Ein Beitr. zur Landesgesch. von Elsaß-L.. .. (1986).

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Ẹl|sass-Loth|rin|gen; -s: amtliche Benennung für das das Elsass u. das nordöstliche Drittel Lothringens umfassende Gebiet, das (nach dem Deutsch-Französischen Krieg) von 1871 bis 1918 zum Deutschen Reich gehörte.

Universal-Lexikon. 2012.