Gla|rus:
Schweizer Kanton u. Stadt.
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Glarus,
1) Hauptort des gleichnamigen Kantons in der Schweiz, im Tal der Linth, am Fuß des Glärnisch, 472 m über dem Meeresspiegel, 5 500 Einwohner; Handelszentrum der Region.
Haus Brunner (1811, mit reicher Sammlung von Glasmalereien des 16./17. Jahrhunderts), Kunsthaus (1952, Sammlung Schweizer Kunst des 19./20. Jahrhunderts), Gerichtshaus und monumentale Stadtkirche (1862-65).
Aus einem bereits im 8. Jahrhundert erwähnten Meierhof mit Kirche erwuchs der heutige Ort Glarus, 1419 wurde er Hauptort des Kantons. Nach dem Brand von 1861 wurde Glarus planmäßig als rechtwinklige Stadtanlage wieder aufgebaut.
2) Kanton im Osten der Schweiz, im deutschsprachigen Gebiet, 685 km2, (1999) 38 700 Einwohner (10 % der Einwohner sind italienischsprachig). Hauptort ist Glarus. Der Kanton ist Gebirgsland und umfasst das Einzugsgebiet der Linth (Limmat) vom Hauptkamm der Glarner Alpen mit dem Tödi (3 614 m über dem Meeresspiegel) bis zum Walensee.
Nach der Verfassung vom 1. 5. 1988 liegt die gesetzgebende Gewalt bei der Landsgemeinde und dem Landrat. Der Landsgemeinde, welche sich jährlich einmal versammelt, obliegt die Verabschiedung von Verfassungsänderungen, aller Gesetze, gewisser Ausgabenbeschlüsse sowie die Wahl des Landammanns, des Landesstatthalters, der Richter und des Staatsanwalts. Der Landrat zählt 80 Mitglieder und wird alle vier Jahre nach dem Proporzverfahren neu gewählt (Stimm- und Wahlrecht für Frauen seit 1971). Vollziehende Behörde ist der siebenköpfige Regierungsrat (mit dem Landammann als Präsident und dem Landesstatthalter als Vizepräsident), der auf vier Jahre gewählt wird. Glarus entsendet 2 Vertreter in den Ständerat und ein Mitglied in den Nationalrat. Oberste kantonale Gerichte sind das Obergericht und das 1987 neu eingeführte Verwaltungsgericht.
Allgemeine Schulpflicht neun Jahre; sechs Jahre Primarschule, drei Jahre Oberstufe: Oberschule, Realschule oder Sekundarschule. Der Kanton führt eine Kantonsschule mit einem Gymnasium (Maturitätstypen A, B, C), einer Lehramtsschule und einer Diplommittelschule, außerdem eine kaufmännische und gewerbliche Berufsschule.
44 % der Kantonsfläche sind landwirtschaftliche Nutzfläche, die v. a. weidewirtschaftlich (vorwiegend Almwirtschaft) genutzt wird; der Ackerbau beschränkt sich v. a. auf Talgebiete (Getreide, Kartoffeln und Feldgemüse). Wald bedeckt knapp 23 % der Kantonsfläche. Im Sernftal wird Flyschsandstein abgebaut; der Schieferbergbau wurde stillgelegt. Wichtigste Industriezweige sind Maschinenbau und elektronische sowie Textilindustrie, ferner Papier-, chemische Industrie, die Verarbeitung landwirtschaftlicher Produkte (v. a. Milch und Fleisch) sowie von Steinen und Erden. 1990 arbeiteten 5,4 % der Erwerbstätigen in der Landwirtschaft, 47,8 % in Industrie und Gewerbe und 45,6 % im Dienstleistungssektor. Der Tourismus hat an Bedeutung gewonnen; die wichtigsten Ferienorte sind Braunwald, Elm und Filzbach. Mit einem Volkseinkommen je Einwohner von (1993) 44 337 sfr. liegt der Kanton an 7. Stelle unter den 26 Kantonen (Schweiz: 43 704 sfr.).
Das ursprünglich rätisch, in der Völkerwanderungszeit seit dem 7. Jahrhundert von Alemannen besiedelte Tal der Linth, Kernstück des späteren Kantons, kam wahrscheinlich im 9. Jahrhundert an das Kloster Säckingen. Das Tal war dem Kloster als Grundherrn bis zum Freikauf 1395 abgabenpflichtig und zahlte ihm noch bis 1798 einen jährlichen Zins. Seit 1288 unter der Gerichtsbarkeit der Habsburger und von ihrer Herrschaft bedroht, verband es sich am 4. 6. 1352 (Bundesbrief) mit den Eidgenossen und vereinbarte in ersten Landessatzungen Ansätze einer demokratischen Verfassung (11. 3. 1387). In der Schlacht von Näfels (9. 4. 1388 erkämpfte Glarus die volle Unabhängigkeit von Österreich (verbrieft 1415; Festlegung der Landesgrenzen) und wurde 1473 vollberechtigtes Mitglied der Eidgenossenschaft (der »Acht alten Orte«). Bis 1528 schloss sich die Mehrzahl der Bevölkerung der Reformation an; nach langen Auseinandersetzungen mit der altgläubischen Minderheit (Führer: A. Tschudi; »Glarner Handel«) wurden nach der gleichberechtigten Anerkennung der Konfessionen im Landesvertrag (1552) auf Druck der katholischen Orte 1623 getrennte Verwaltungen für beide Konfessionen eingeführt (in sechs Landesverträgen geregelt). Unter französischer Besatzung 1798-1803 war Glarus mit seinem Untertanenland Teil des Kantons Linth (Helvetische Republik); 1803/15 entstand der Kanton Glarus (1814 restaurative Verfassung). Die 1836 revidierte Verfassung (in Kraft seit 1837; abgeändert 1887) hob v. a. die konfessionelle Landesteilung auf. Im 18./19. Jahrhundert entwickelte sich Glarus zu einem Zentrum der Textilindustrie (Höhepunkt um 1860; 6 000 Beschäftigte in der Baumwolldruckerei [Indiennes]).
J. Winteler: Gesch. des Landes G., 2 Bde. (Glarus 1952-54);
G. u. die Schweiz. Streiflichter auf wechselseitige Beziehungen, hg. v. J. Davatz (Glarus 1991).
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Gla|rus: Kanton und Stadt in der Schweiz.
Universal-Lexikon. 2012.