Dickens
['dɪkɪnz],
1) Charles, englischer Schriftsteller, * Portsmouth 7. 2. 1812, ✝ Gadshill Place (bei Rochester) 9. 6. 1870. Dickens stammte aus ärmlichen, aber bürgerlichen Verhältnissen. Er wurde 1827 Schreiber bei einem Rechtsanwalt, 1829 Berichterstatter über Gerichts- und 1831 über Parlamentsverhandlungen, schließlich Reporter des »Morning Chronicle«. Seine literarische Laufbahn begann er mit scharf beobachteten und witzigen Skizzen aus dem Londoner Leben (»Sketches«, 1834-35 in Fortsetzungen erschienen, Erstausgabe 1836, 2 Bände) unter dem Schriftstellernamen Boz. Berühmt wurde er durch die »Pickwick papers« (1836-37 in Fortsetzungen erschienen, Erstausgabe 1837, 2 Bände; deutsch »Die Pickwickier«), denen er in rascher Folge eine große Zahl von Romanen folgen ließ, meist ebenfalls in Lieferungen in Familienzeitschriften, was den lockeren Aufbau vieler seiner Werke erklärt. 1850 gründete er die Familienzeitschrift »Household Words«, die 1859 von »All the Year Round« abgelöst wurde.
Die frühen Romane wie »Oliver Twist« (1838, 3 Bände; deutsch), »Nicholas Nickleby« (1839, 3 Bände; deutsch), »The old curiosity shop« (1841; deutsch »Der Raritätenladen«) sowie die jährlichen Weihnachtsgeschichten (z. B. »A Christmas carol in prose«, 1843; deutsch u. a. als »Ein Weihnachtslied in Prosa«) machten Dickens zu einem der gefeiertsten Schriftsteller seiner Zeit. In diesen Werken erschloss er der Literatur die Welt der kleinen Leute, der Stiefkinder der Gesellschaft, die er mit Liebe und groteskem Humor darstellte, um das Gewissen seiner Zeitgenossen für die sozialen Probleme des frühindustriellen England zu sensibilisieren. Während seine Hauptfiguren meist liebenswert-schrullenhaft dargestellt sind, wodurch sie zum Klischee neigen, sind die Nebenfiguren detaillierter gezeichnet. Eindrücke einer Amerikareise (1841) schlugen sich in dem Roman »Martin Chuzzlewit« (1844, 3 Bände; deutsch) und in den Essays »American notes« (1842, 2 Bände) nieder. Autobiographisches ist zudem in Dickens' Lieblingswerk, dem Roman »David Copperfield« (1850; deutsch), verarbeitet.
Die späten Romane, deren Hauptcharaktere weniger liebenswerte als fast krankhaft-auffällige Sonderlinge sind, klagen in symbolhafterer Darstellung herrschende Institutionen und gesellschaftliche Missstände an, so »Bleak house« (1852; deutsch »Bleakhaus«) das Gerichtswesen, »Hard times« (1854; deutsch »Schwere Zeiten«, auch unter dem Titel »Harte Zeiten«) die Industriewelt, »Little Dorrit« (1857, 3 Bände; deutsch »Klein Dorrit«) die Schuldgefängnisse und den Verwaltungsapparat, »Great expectations« (1861, 3 Bände; deutsch »Große Erwartungen«) Ideologien des sozialen Aufstiegs, »Our mutual friend« (1865, 2 Bände; deutsch u. a. als »Unser gemeinsamer Freund«) die Vorherrschaft des Geldes. Der historische Roman »A tale of two cities« (1859; deutsch u. a. als »Zwei Städte«) schildert London und Paris zur Zeit der Französischen Revolution.
Dickens begründete mit seinem Werk den sozialen Roman. Er übte eine letztlich aus tiefem Mitleid geborene Kritik an den sozialen Missständen und den menschlichen Unzulänglichkeiten seiner Zeit und gab damit den Anstoß für viele soziale Reformen. Ein Grund für die große Volkstümlichkeit v. a. seiner früheren Romane liegt in dem sentimentalen Pathos. Dickens' Werke wurden in viele Sprachen übersetzt und erfuhren zahlreiche Bearbeitungen für Film und Bühne.
Weitere Werke: Romane: Barnaby Rudge (1841; deutsch); Dombey and Son (1848; deutsch Dombey und Sohn); The mystery of Edwin Drood, 6 Teile (1870, Fragment; deutsch u. a. als Das Geheimnis um Edwin Drood).
Ausgaben: The new Oxford illustrated Dickens, herausgegeben von T. Holme und anderen, 21 Bände (1948-58); The speeches, herausgegeben von K. J. Fielding (1960); The letters, herausgegeben von M. House und anderen, 5 Bände (1965-81); The Clarendon Dickens, herausgegeben von J. Butt und K. Tillotson, auf mehrere Bände berechnet (1966 folgende).
Werke, 16 Bände (1958-75); Gesammelte Werke in Einzelausgaben, auf mehrere Bände berechnet (1-21966 folgende).
J. Forster: C. D.' Leben, 3 Bde. (a. d. Engl., 1872-75);
Die Welt des C. D., hg. v. E. W. F. Tomlin (a. d. Engl., 1969);
N. Page: A D. companion (New York 1984);
G. Orwell: C. D. (a. d. Engl., Zürich 1986);
P. Ackroyd: D. (London 1990);
Periodika: The Dickensian (1905 ff., Ztschr.);
D. Studies (1965 ff., seit 1970: D. Studies Annual).
2) Monica Enid, verheiratet Stratton [strætn], englische Schriftstellerin, * London 10. 5. 1915, ✝ Reading (England) 25. 12. 1992, Urenkelin von 1); bezog den Stoff für ihr literarisches Werk häufig aus eigenen Erlebnissen als Krankenschwester, Rüstungsarbeiterin und Journalistin. Ihre Romane, konventionell in der Technik, zeichnen sich durch eine beachtliche Charakterzeichnung und Situationskomik aus.
Werke: Romane: Mariana (1940; deutsch); The happy prisoner (1946; deutsch Zwölf um ein Bett); The winds of heaven (1955; deutsch Immer wehte der Wind); Man overboard (1958; deutsch An Land ist alles anders); The landlord's daughter (1968; deutsch Das Geheimnis um Peter Clive); Spring comes to world's end (1973; deutsch Frühling im Haus am Ende der Welt); The hauntings of Bellamy 4 (1986); Enchantment (1989; deutsch Tims Zauberwelt); Closed at dusk (1990); One of the family (herausgegeben 1993).
Universal-Lexikon. 2012.