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Henze
Hẹnze,
 
Hans Werner, Komponist, Dirigent und Regisseur, * Gütersloh 1. 7. 1926; studierte bei W. Fortner und R. Leibowitz, war 1948/49 musikalischer Leiter des Deutschen Theaters von Heinz Hilpert in Konstanz, 1950-53 künstlerischer Leiter des Balletts am Wiesbadener Staatstheater; lebt seit 1953 in Italien. 1980 übernahm er eine Kompositionsklasse an der Kölner Musikhochschule. - Ausgehend von der Tonsprache P. Hindemiths und I. Strawinskys sowie geprägt durch die Begegnung mit der Zwölftontechnik, entwickelte Henze eine äußerst vielgestaltige musikalische Sprache, bei der Tonalität, erweiterte Tonalität und Atonalität beständig nebeneinander hergehen. Moderne Strukturformen (z. B. serielle Techniken, Aleatorik, Elemente des Jazz, Geräuschmontage, instrumentales Theater) finden sich ebenso wie Rückgriffe auf traditionelle Stilmittel, die auch als Zitate eingeblendet werden. Bezeichnend ist ferner eine hohe Differenziertheit und Farbigkeit des Klanges mit einer von lyrischen Verhaltenheit bis zu hoher Expressivität reichenden Ausdrucksskala, die auch spätromantische Orchestrierungseffekte mit einbezieht, sowie ein ständiges Bemühen um die kompositorische Synthese von Musik- und Wortsprache. Politisch engagiert, versucht Henze seit den 1960er-Jahren der Musik eine neue gesellschaftliche Funktion zuzuweisen, womit auch eine Kritik am passiven Musikkonsum verbunden ist. 1976 rief er die Musikwerkstatt »Cantiere internazionale d'arte« in Montepulciano ins Leben, um durch Zusammenwirken von professionellen Künstlern und Laien zu einem neuen Musikverständnis hinzuführen. 1988 initiierte er in München ein Festival für experimentelles Musiktheater. - Henze veröffentlichte »Die englische Katze. Ein Arbeitstagebuch 1978-1982« (1983), »Musik und Politik. Schriften und Gespräche 1955-1984« (1985) und gab die Aufsatzsammlung »Neue Aspekte der musikalischen Ästhetik« (1979-86, 3 Bände) heraus. Darüber hinaus veröffentlichte er »Reiselieder mit böhmischen Quinten - Autobiographische Mitteilungen« (1996).
 
Werke: Bühnenwerke: Boulevard Solitude (1952, lyrisches Drama nach Abbé Prévosts »Manon Lescaut«); König Hirsch (1956, Oper nach C. Gozzi); Der Prinz von Homburg (1960, Oper, Text von Ingeborg Bachmann nach H. von Kleist; revidiert 1992); Elegie für junge Liebende (1961, Oper nach W. H. Auden und C. Kallman); Der junge Lord (1965, komische Oper, Text von Ingeborg Bachmann nach W. Hauff); Die Bassariden (1966, Opera seria, Text von Auden und Kallman nach Euripides' »Bacchantinnen«; revidiert 1993); La Cubana oder Ein Leben für die Kunst (1975, Vaudeville, Text von H. M. Enzensberger nach Motiven von M. Barnet); We come to the river (1976, Actions for music, nach E. Bond; deutsch Wir erreichen den Fluß); Pollicino (1980, Kinderoper); The English cat (1983, A story for 12 singers and 36 musicians, nach E. Bond); Das verratene Meer (1990, Musikdrama); Venus und Adonis (1997, Oper).
 
Ballette: Jack Pudding (1949); Rosa Silber (1950); Der Idiot (1952, Text von Tatjana Gsovsky und Ingeborg Bachmann nach F. M. Dostojewskij); Maratona (1956, nach L. Visconti); Undine (1958, nach F. de la Motte Fouqué); Orpheus (1979, nach E. Bond).
 
Orchesterwerke: 8 Sinfonien (1947, Neufassung 1963; 1949, 1951, 1955, 1962, 1969, 1984, 1993); 3 Violinkonzerte (1947, 1971, 1978); 2 Klavierkonzerte (1950, 1967); Sinfonische Etüden (1955, Neufassung 1964); 2 Violoncellokonzerte (1953, 1985); Kontrabasskonzert (1966); Compases para preguntas ensimismadas (1970, für Viola und 22 Spieler); Le miracle de la rose (1982, Imaginäres Theater für einen Klarinettisten und 13 Spieler); Heliogabalus (1972, Allegoria per musica); Tristan (1974, Préludes für Klavier, Orchester und elektronische Klänge); Barcarola (1980); Fandango (1986, szenisch 1987); Cinque piccoli concerti et ritornelli (1988); Voie lactée ô sœur lumineuse (1996, für 19 Instrumentalisten).
 
Kammermusik: 5 Streichquartette (1947, 1952, 1976, 1976, 1977); Bläserquintett (1952).
 
Vokalwerke: 5 Madrigale für kleinen gemischten Chor und 11 Instrumente (1947, nach F. Villon); Apollo et Hyazinthus (1949, für Alt, Cembalo und 8 Instrumente, nach G. Trakl); Neapolitanische Lieder (1956, für mittlere Stimme und Kammerorchester); Nachtstücke und Arien (1957, nach Ingeborg Bachmann); Das Floß der Medusa (1968, Oratorio volgare e militare in due parti per Che Guevara, für Sopran, Bariton, Sprechstimme, gemischten Chor, Knabenchor und Orchester); El Cimarrón (1969, Rezital für Bariton, Flöte, Gitarre und Schlagzeug); Der langwierige Weg in die Wohnung der Natascha Ungeheuer (1971, nach G. Salvatore); Voices (1974); The King of Harlem (1980, für eine Singstimme und 8 Instrumente); Madrigal für Orpheus (1982, für gemischten Chor a cappella, nach E. Bond).
 
Literatur:
 
K. Geitel: H. W. H. (1968);
 
H. W. H., hg. v. Klaus Schultz (1976);
 E. H. Flammer: Politisch engagierte Musik als kompositor. Problem. Dargest. am Beispiel von L. Nono u. H. W. H. (1981);
 
Der Komponist H. W. H., hg. v. D. Rexroth (1986, mit Werk-Verz.);
 
H., hg. v. E. Restagno (Turin 1986).

Universal-Lexikon. 2012.