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Jahreszeiten
Jahreszeiten,
 
die vier Abschnitte des tropischen Jahres: Frühling, Sommer, Herbst und Winter; sie werden jeweils von einer Tagundnachtgleiche (Äquinoktium) und einer Sonnenwende (Solstitium) begrenzt. Die unterschiedliche Länge der Jahreszeiten ist bedingt durch den Wechsel der Geschwindigkeit der Erde auf ihrer Bahn um die Sonne. Frühling und Sommer haben auf der Nordhalbkugel der Erde gegenwärtig eine Dauer von zusammen 186 d 10 h, Herbst und Winter von zusammen 178 d 20 h. Die Dauer der Jahreszeiten ist infolge der Apsidendrehung und der Präzession der Erde leicht veränderlich.
 
Der klimatische Charakter der einzelnen Jahreszeiten beruht darauf, dass die Erdachse mit der Erdbahnebene einen Winkel von etwa 66,5º einschließt. Die Sonne erreicht deshalb in den Solstitien eine Deklination von + 23º 27' (Sommersonnenwende) beziehungsweise von — 23º 27' (Wintersonnenwende). Da die Lage des Himmelsäquators über dem Horizont von der geographischen Breite des Beobachtungsortes abhängig und für ein und denselben Ort immer gleich ist, erreicht die Sonne zu verschiedenen Jahreszeiten unterschiedlicher Höhen über dem Horizont. Dieser Unterschied der Höhe, der zwischen den beiden Extremwerten, der Sommer- und Wintersonnenwende, etwa 47º ausmacht, bedingt einen unterschiedlich schrägen Einfall der Sonnenstrahlen auf der Erde. Dazu kommt ein weiterer Effekt: Die Tages- beziehungsweise Nachtlänge eines Tages ist mit der Höhe der Sonne über dem Horizont, d. h. mit der jeweiligen Deklination der Sonne, verbunden. Nur bei einem Durchgang der Sonne durch die Äquinoktialpunkte, die Punkte der Frühlings- und Herbsttagundnachtgleiche, sind Tag und Nacht gleich lang (abgesehen von einer Beobachtung vom Erdäquator aus, auf dem alle Tage gleiche Tages- und Nachtlängen haben). Im Sommerhalbjahr ist, abhängig von der geographischen Breite, der Tag länger als die Nacht und die Dauer der Sonneneinstrahlung deshalb größer. Die unterschiedliche Dauer der Sonneneinstrahlung und der unterschiedlich steile Einfall der Sonnenstrahlen bedingen die klimatischen Unterschiede der Jahreszeiten. Die Einstrahlungsverhältnisse in den verschiedenen Jahreszeiten unterscheiden sich umso mehr voneinander, je weiter ein Ort vom Äquator entfernt ist. Insgesamt ist das warme Halbjahr auf der Nordhalbkugel um 7¾ Tage länger als das kalte Halbjahr. Auf der Südhalbkugel ist es umgekehrt. Ursache hierfür ist die Tatsache, dass die Erde im Nordsommer im Aphel ihrer Bahn steht und langsamer umläuft, während sie im Nordwinter im Perihel ist, wo sie eine höhere Bahngeschwindigkeit hat.
 
Man begrenzt die astronomischen Jahreszeiten (bis auf geringe Verschiebungen durch die Anpassung des bürgerlichen an das astronomische Jahr) folgendermaßen:
 
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| Nordhalbkugel    | Zeit                   | Südhalbkugel    |
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| Frühling             | 21. 3. 21. 6.       | Herbst              |
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| Sommer            | 21. 6. 23. 9.       | Winter              |
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| Herbst               | 23. 9. 21. 12.     | Frühling            |
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| Winter               | 21. 12. 21. 3.     | Sommer           |
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Die meteorologischen Jahreszeiten decken sich selbst in den mittleren Breiten nicht völlig mit den astronomischen Jahreszeiten. Polwärts verkürzen sich der Sommer und die Übergangsjahreszeiten. In den Tropen ist der Niederschlag bestimmend für die Jahreszeiteneinteilung: eine oder zwei Regen- und Trockenzeiten. In den Subtropen durchdringen sich die Einteilungen nach Temperatur und Niederschlag; in Nordindien und Pakistan unterscheidet man z. B. die kühle (Winter), die heiße (Frühsommer) und die Regenzeit (Hochsommer).
 
Religionsgeschichte:
 
Wechsel und charakteristische Verschiedenheit der Jahreszeiten werden, verbunden mit Saat, Wachstum, Ernte, Fruchtbarkeit und Dürre, Werden und Vergehen sowie mit dem als heilig geltenden periodisch wiederkehrenden Jahr, in frühen Religionen dem Wirken göttlicher Mächte zugeschrieben. Im Wechsel der Jahreszeiten sah man die schöpferische Kraft von Himmel und Erde symbolisiert, nach chinesischer Religion den regelmäßigen Umlauf des Dao, der Weltordnung, zwischen Yang als männliches Prinzip und Yin als weibliches Prinzip. Der Wechsel im Jahreslauf wurde auch als kämpferischen Dualismus der Leben und Fruchtbarkeit bringenden Mächte des Lichtes und der lebens- und ordnungsfeindlichen Mächte der Finsternis aufgefasst; Erstere galt es zu fördern, Letztere zu bekämpfen. In diesem Sinne müssen die Feste aufgefasst werden, die etwa die Saaten im Frühjahr und die Ernten im Herbst unter göttlichen Schutz stellen. Mit den Jahreszeiten verbundene Feste sind z. B.: in der griechischen Antike die Eleusinischen Mysterien der Saat- und Fruchtbarkeitsgöttin Demeter; bei den Germanen das Frühlingsfest zur Austreibung des Winters, bis in die Gegenwart tradiert im Osterfeuer; im Hinduismus das Frühlingsfest Holi; Wintersonnenwend- oder Neujahrsfeste und Sommersonnenwendfeste in vielen Kulturen, Herbstfeste, z. B. das jüdische Laubhüttenfest als Fest der Traubenernte. In den alten Mysterienreligionen wurde das Sterben und Wiedererwachen der Natur im Verlauf des Jahres in Verbindung gebracht mit dem Sterben und Auferstehen des als schöpferische Macht verehrten Kultgottes (rituell vollzogen in dem babylonischen Tammuz-Adonis-Kult, in den Kulten um Demeter, Dionysos in Griechenland, um Osiris in Ägypten).

Universal-Lexikon. 2012.