Kokoschka
[kɔ'kɔʃka, 'kɔkɔʃka], Oskar, österreichischer Maler, Grafiker und Dichter, * Pöchlarn 1. 3. 1886, ✝ Villeneuve (Kanton Waadt) 22. 2. 1980; studierte 1905-09 an der von G. Klimt geprägten Kunstgewerbeschule in Wien und war ab 1907 Mitarbeiter der Wiener Werkstätte. 1908 veröffentlichte er die Verserzählung »Die träumenden Knaben«, illustriert mit Lithographien, in denen noch der Einfluss des Jugendstils nachwirkt. Im gleichen Jahr wurde er mit A. Loos bekannt, der ihn förderte. 1909 entstanden die ersten psychologisierenden Porträts (A. Loos, P. Altenberg, K. Kraus). 1910-16 belieferte er in Berlin H. Waldens Zeitschrift »Der Sturm« mit grafischen Beiträgen. Seine 1912 angeknüpfte Beziehung zu Alma Mahler-Werfel thematisierte er in einem seiner Hauptwerke, »Die Windsbraut« (1914; Basel, Kunstmuseum). 1914 meldete er sich freiwillig zum Militär und erlitt 1916 eine schwere Verwundung. 1917-24 lebte er in Dresden, wo er 1919 als Professor an die Kunstakademie berufen wurde. Danach unternahm er zahlreiche Reisen durch Europa, Nordafrika und den Nahen Osten. 1933 kehrte er nach Wien zurück. 1934 übersiedelte er nach Prag. 1937 wurden 417 Werke Kokoschkas als »entartet« aus öffentlichen Sammlungen in Deutschland entfernt. 1938 emigrierte er nach London, wo er 1947 die englische Staatsangehörigkeit erhielt. 1953 gehörte er zu den Mitbegründern der »Schule des Sehens« an der Internationalen Sommerakademie in Salzburg, deren Hauptkurs er bis 1962 leitete. Ab 1953 lebte er in Villeneuve am Genfer See. 1975 nahm er wieder die österreichische Staatsbürgerschaft an. - In Kokoschkas von leidenschaftlicher Unruhe bewegter Kunst, einer individuellen Form des Expressionismus, leben sowohl klassische Vorstellungen als auch der österreichische Barock fort. Träger des dynamischen Ausdrucks sind die expressiven Farben in spontanem pastosem Auftrag. Seine Porträts, Landschafts- und Städtebilder suchen den suggestiv gesteigerten Ausdruck. Während der Emigration herrschte in seinem Werk die Anklage gegen die zerstörenden Kräfte der Zeit vor (»Das rote Ei«, 1939; Prag, Národní Galerie). Das Spätwerk wird durch mythologische Themen bestimmt (»Prometheus-Saga«, Triptychon, 1950, London, Privatsammlung). Kokoschka hinterließ auch zahlreiche Zeichnungen. Er fertigte oft Illustrationen zu seinen Texten an (auch Bühnenbilder) und verfasste umgekehrt auf seine Bilder bezogene Texte. - Mit seinen Dramen (»Der brennende Dornbusch«, 1911, gedruckt 1913; »Orpheus und Eurydike«, 1919) wurde er zu einem der Begründer des expressionistischen Theaters. Daneben schrieb er Lyrik, Erzählungen, kunstkritische Essays und Erinnerungen (»Mein Leben«, 1971). Auch durch die Sprache wollte er sichtbar machen, was hinter den Äußerlichkeiten liegt. - 1988 wurde im ehemaligen Haus Alma Mahler-Werfels in Breitenstein (Niederösterreich) ein als zerstört geglaubtes monumentales Wandbild (von Kokoschka um 1914 ausgeführt), das in einer dämonisierenden Darstellung den Künstler mit Alma Mahler-Werfel zeigt, wieder entdeckt. Das in »al secco« ausgeführte Bild wurde bis 1991 freigelegt, dann vom Verputz abgenommen, restauriert und 1995 auf der Basler Kunstmesse erstmals der Öffentlichkeit präsentiert.
Ausgaben: Das schriftliche Werk, herausgegeben von H. Spielmann, 4 Bände (1973-76); Briefe, herausgegeben von Olda Kokoschka und anderen, 4 Bände (1984-88).
G. J. Lischka: O. K. Maler u. Dichter (1972);
A. Reisinger: K.s Dichtungen nach dem Expressionismus (Wien 1978);
W. J. Schweiger: Der junge K. (ebd. 1983);
W. J. Schweiger: O. K. »Der Sturm« (ebd. 1986);
O. K., Arbeiten fürs Theater 1907-70, Ausst.-Kat. (1986);
O. K., bearb. v. H. Spielmann u. a., Ausst.-Kat. (1986);
O. K. Das Frühwerk (1897/98-1917). Zeichnungen u. Aquarelle, hg. v. A. Strobl u. A. Weidinger, Ausst.-Kat. Graph. Sammlung Albertina, Wien (Wien 1994);
O. K. Reisen u. Figuren, hg. v. V. Mauron (Bellinzona (1995, ital., dt., frz.);
Sehnsucht nach Glück. Wiens Aufbruch in die Moderne: Klimt, K., Schiele, hg. v. Sabine Schulze (1995);
K. u. Alma Mahler, hg. v. A. Weidinger (1996);
K. u. Dresden, hg. v. Werner Schmidt u. B. Dalbajewa, Ausst.-Kat. Staatl. Kunstsammlungen Dresden (1996).
Universal-Lexikon. 2012.