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Müntzer
Mụ̈ntzer,
 
Mụ̈nzer, Thomas, evangelischer Theologe und Anführer im Bauernkrieg, * Stolberg/Harz 1486 oder 1489/90, ✝ (hingerichtet) bei Mühlhausen (Thüringen) 27. 5. 1525; wurde nach Studium in Leipzig (ab 1506) und Frankfurt/Oder (1512) früh von M. Luther für die Reformation gewonnen (1519) und 1520 von ihm als Prediger nach Zwickau gesandt. Hier kam er mit der Gruppe der Zwickauer Propheten in Kontakt und entwickelte eine mystische Theologie des Mit-Leidens mit Jesus Christus. Durch seine mehr und mehr gesellschaftsverändernden radikalen Vorstellungen geriet er zunehmend in Gegensatz zu Luther. Müntzer musste deshalb im April 1521 aus Zwickau fliehen und ging nach Böhmen (Kontakt zu den Böhmischen Brüdern), wo er das »Prager Manifest« verfasste (November 1521), das erstmals die Grundlage seiner Theologie enthielt: die Vorstellung von der unmittelbaren Wirkung des göttlichen Wortes durch den Heiligen Geist und von der praktischen Realisierbarkeit des Evangeliums in einem Reich Gottes auf Erden. (Vor Ostern) 1523 wurde er Pfarrer in Allstedt und führte dort den Gottesdienst in deutscher Sprache ein, für den er eine Gottesdienstordnung schuf (»Deutsche evangelsche Messe«, gedruckt 1524). Im Frühjahr 1524 begann er in Allstedt Bürger, Bauern und Bergleute um sich zu sammeln, um im Geiste des ursprünglichen Christentums einen »Bund getreulichen und göttlichen Willens« (auch »Allstedter Bund«) gegen die Gottlosen aufzurichten. Es kam zum Bruch mit Luther, nachdem Müntzer v. a. wegen seiner Ablehnung des Schriftprinzips (sola scriptura) und über die Frage des Widerstandsrechts in einen theologisch unüberbrückbaren Gegensatz zu ihm geraten war. Nachdem Müntzers Versuch, den sächsischen Kurfürsten auf seine Seite zu ziehen und zum Eintritt in den Bund zu bewegen (»Fürstenpredigt«, 13. 7. 1524), u. a. an Luthers »Brief an die Fürsten von Sachsen« gescheitert war, wurde er aus Allstedt (7./8. 8. 1524), danach aus Mühlhausen (27. 9.) vertrieben und floh nach Nürnberg. Ausdruck des endgültigen Bruchs mit Luther wurden Müntzers Schrift »Ausgedrückte Entblößung« und die »Hochverursachte Schutzrede und Antwort wider das geistlose sanftlebende Fleisch zu Wittenberg« (beide 1524). 1524/25 nahm Müntzer Kontakt zu den Täufern sowie den aufständischen Bauern Oberdeutschlands auf und kehrte Ende Februar 1525 nach Mühlhausen zurück, wo er zum Pfarrer gewählt wurde. Von Mühlhausen aus, wo er eine radikaldemokratische Verfassung (»Ewiger Rat«, 17. 3. 1525) durchgesetzt hatte, wurde Müntzer zum (v. a. geistigen) Anführer im Bauernkrieg in Thüringen. Nach der vernichtenden Niederlage des Bauernheeres bei Frankenhausen am 15. 5. 1525 wurde Müntzer gefangen genommen, gefoltert und danach enthauptet. - Es sind keine zeitgenössischen Bildnisse Müntzers überliefert.
 
Bis ins 19. Jahrhundert blieb Müntzers Bild in der Geschichtsschreibung bestimmt von der polemisch-abwertenden Haltung des Protestantismus (P. Melanchthon, E. Cordus, H. E. Hessus, N. Frischlin, M. Rinckart) gegenüber Müntzer (»Fanatiker«, »Schwärmer«). Die revolutionäre Bewegung von 1848 (u. a. Wilhelm Zimmermann, * 1807, ✝ 1878; F. Engels), der Nationalsozialismus, aber auch marxistische Historiker nach 1945 betonten seine Rolle als Politiker und Revolutionär; neuere Forschungen sowie die Kirchengeschichtsschreibung untersuchen vorrangig seine Bedeutung als Reformator und dabei speziell Müntzers spezifisch theologische Vorstellungen.
 
Ausgaben: Briefwechsel, herausgegeben von H. Böhmer u. a. (1931); Müntzers deutsche Messen und Kirchenämter, herausgegeben von O. J. Mehl (1937); Politische Schriften, herausgegeben von C. Hinrichs (1950); Schriften und Briefe, herausgegeben von G. Franz (1968); Politische Schriften, Manifeste, Briefe 1524/25, herausgegeben von M. Bensing u. a. (21973); Theologische Schriften aus dem Jahr 1523, herausgegeben von S. Bräuer und W. Ullmann (21982).
 
Literatur:
 
G. Franz: Bibliogr. der Schriften M.s, in: Ztschr. des Vereins für thüring. Gesch., Bd. 42 (1940);
 C. Hinrichs: Luther u. M. (21962, Nachdr. 1971);
 H.-J. Goertz: Innere u. äußere Ordnung in der Theologie T. M.s (Leiden 1967);
 W. Elliger: T. M. (31976);
 E. Bloch: T. M. als Theologe der Revolution (Neuausg. 24. Tsd. 1984);
 M. Steinmetz: T. M.s Weg nach Allstedt (ebd. 1988);
 E. Wolgast: T. M.: Ein Verstörer der Ungläubigen (Neuausg. Berlin-Ost 1988);
 M. Bensing: T. M. (Leipzig 41989);
 
Der Theologe T. M. Unters. zu seiner Entwicklung u. Lehre, hg. v. S. Bräuer u. a. (1989);
 H.-J. Goertz: T. M. (1989);
 G. Vogler: T. M. (Berlin-Ost 1989);
 
T. M. im Urteil der Gesch., hg. v. K. Ebert (1990).

Universal-Lexikon. 2012.