Bau|ern|krieg, der (Geschichte):
revolutionäre Bewegung der Bauern im Feudalismus.
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I Bauernkrieg,
1) Erhebung der Bauern und einzelner Städte in Süd- und Mitteldeutschland 1524-26. Der Bauernkrieg ging aus einer Krise der spätmittelalterlichen Gesellschaft hervor, die sich seit dem 14. Jahrhundert in zahlreichen bäuerlichen Unruhen u. a. in der Schweiz, in Oberschwaben, in Württemberg (Aufstand des Armen Konrad 1514), in Österreich sowie in den Verschwörungen des Bundschuhs am Oberrhein (zwischen 1493 und 1517; J. Fritz) äußerte. Seine Ursachen waren wirtschaftlicher, sozialer und politischer Natur. Die Bauern wehrten sich gegen den zunehmenden Druck der Grundherrschaft, gegen die Steuerforderungen des frühmodernen Staates, gegen die Einschränkung der Allmendenutzung, die v. a. die stark anwachsenden landarmen oder landlosen bäuerlichen Schichten traf, gegen die Leibeigenschaft, die den weltlichen und geistlichen Herren dazu diente, ihre Einnahmen zu steigern sowie einen geschlossenen Untertanenverband herzustellen, in dem immer weniger Raum für die überkommene dörfliche Autonomie blieb.
Schon 1524 kam es u. a. in Forchheim in der Nähe von Nürnberg und in der Landgrafschaft Stühlingen zu Unruhen, in denen die Wiederherstellung verletzten »alten Rechts« verlangt wurde. In Oberschwaben begann die Erhebung des »gemeinen Mannes« Anfang 1525; dort entstanden in kurzer Zeit drei Bauernbünde: der Baltringer Haufe in der Nähe von Biberach, der Allgäuer Haufe im Gebiet um Kempten und der Seehaufe am nördlichen Bodenseeufer. Ende Februar fasste der Kürschnergeselle Sebastian Lotzer unter Mitwirkung des Zwingli-Schülers Christoph Schappeler die Beschwerden der Baltringer in »Zwölf Artikeln« zusammen, in denen die bäuerlichen Forderungen (u. a. Pfarrerwahl durch die Gemeinde, Abschaffung des kleinen Zehnten, Aufhebung der Leibeigenschaft) mit dem Evangelium, dem »göttlichen Wort«, begründet wurden. Die Reformation hat die bäuerliche Erhebung zwar nicht verursacht, ihr jedoch eine Legitimationsbasis verschafft, die die Ausbreitung der Bewegung im Frühjahr 1525 erleichterte. Während sich die oberschwäbischen Bauern am 7. 3. in einer »Christlichen Vereinigung«, die sich eine auf dem Wahlprinzip für politische Ämter beruhende Bundesordnung gab, vereinigten, erfasste der Aufstand bis Anfang Mai den Südwesten und Süden des Heiligen Römischen Reiches einschließlich der Alpenländer (außer Bayern), Teile der Schweiz sowie die Pfalz, das Elsass und Thüringen/Vogtland. Auch landesherrliche Städte und Teile der reichsstädtischen Unterschichten schlossen sich an. In Franken sammelten sich die Bauern u. a. im Odenwälder und Neckartaler Haufen, dessen Führung Götz von Berlichingen schließlich unter Druck übernahm. Der politische Kopf des Haufens war Wendel Hipler, der den vergeblichen Versuch unternahm, die zersplitterte Bewegung auf der Basis eines von Friedrich Weygandt erarbeiteten Programms, das ein Bauernparlament in Heilbronn verabschieden sollte, zusammenzufassen. Als Führer des Tauberhaufens trat Florian Geyer hervor. Ende April 1525 erhoben sich die Bauern und Ackerbürger in Thüringen. Thomas Müntzer, der sich im März in der Reichsstadt Mühlhausen durchgesetzt hatte, suchte die Aufständischen in den Dienst einer radikalen Verchristlichung der Welt zu stellen. Nachdem die oberschwäbischen Bauern sich zunächst um einen gütlichen Ausgleich mit den Herren bemüht hatten, kam es seit Ende März zu den ersten Gewalttaten, die in der Weinsberger Bluttat der Bauern unter Jäcklein Rohrbach (✝[verbrannt] 20. oder 21. 5. 1525) an Herren und Knechten (16. 4.) einen Höhepunkt erreichten. In Tirol begann der Aufstand am 9. 5. 1525. Sein Führer wurde Michael Gaismair, der in seiner »Tiroler Landesordnung« von 1526 die Utopie eines christlichen, demokratischen Bauernstaates entwickelte.
Die fehlende politische und militärische Geschlossenheit des Aufstandes, der größten politisch-sozialen Massenbewegung der deutschen Geschichte, erleichterte seine Niederwerfung durch Georg Truchseß von Waldburg, den Heerführer des Schwäbischen Bundes, durch Herzog Anton II., den Guten, von Lothringen sowie durch Landgraf Philipp I., den Großmütigen, von Hessen in den Schlachten von Leipheim (4. 4.), Wurzach (14. 4.) sowie - nach der Wende des Bauernkrieges durch den Vertrag von Weingarten (17. 4.; Entwaffnung des Seehaufens, am 19. 4. Anschluss des Allgäuer Haufens) - in den Schlachten von Böblingen (12. 5.), Königshofen (2. 6.), Zabern (16. 5.) und Frankenhausen (15. 5.; heute Bauernkriegsgedenkstätte mit Panoramagemälde von W. Tübke). Nach dem Scheitern der Bauernbewegung war, besonders im Südwesten des Reiches, die Obrigkeit bestrebt, neuen Erhebungen des »gemeinen« Mannes vorzubeugen und verbesserte nicht selten die ökonomische und politische Situation der Bauern. Trotz M. Luthers zorniger Verurteilung der aufständischen Bauern »beschleunigte« der Bauernkrieg im Eigentlichen »die Entwicklung zum evangelischen Landes- und Stadtkirchentum« (H. Rabe).
In der marxistischen Forschung wurden Reformation und Bauernkrieg ab 1960 als Einheit gedeutet (These von der »frühbürgerlichen Revolution«, die sich schon mit H. Böhm 1476 angekündigt hätte) und der Bauernkrieg als ihr Höhepunkt interpretiert.
Quellen zur Gesch. des B. (1524/25), hg. v. G. Franz (1963);
Der dt. B. Aktenband, hg. v. G. Franz: (51980);
G. Franz: Der dt. B. (121984);
Der dt. B., hg. v. H. Buszello u. a. (1984);
P. Blickle: Die Revolution von 1525 (31993).
2) In Ober- und Niederösterreich erhoben sich Bauern 1595/96 gegen die Einführung neuer Lasten und die Unterdrückung des protestantischen Glaubens. Nach dem Frankenburger Würfelspiel kam es 1625/26 in Oberösterreich, das 1620 an Bayern verpfändet worden war, erneut zum Aufstand; er richtete sich gegen das Regiment des bayerischen Statthalters Graf Herberstorff, der das Land finanziell ausbeutete und die Gegenreformation weiterführte. Führer der Erhebung, der sich die Städte bis auf Linz und Enns anschlossen, war Stephan Fadinger. Nachdem dieser bei der Belagerung von Linz (Juli 1626) den Tod gefunden hatte, gelang es dem kaiserlichen General G. H. Graf zu Pappenheim, die Bauern in mehreren Schlachten niederzuwerfen. Zahlreiche Protestanten mussten das Land verlassen.
F. Stieve: Der oberösterr. B. im Jahre 1626, 2 Bde. (21904);
Der oberösterr. B. 1626, Ausst.-Kat. (Linz 1976).
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
Reformation und Reich bis zum Augsburger Religionsfrieden 1555: Wenn du werest in deiner tauff ersoffen
Bauernkrieg
Schon im 14. und 15. Jahrhundert hatte es in Deutschland Bauernrevolten gegeben, die allerdings regional begrenzt blieben wie die »Bundschuh«-Bewegung am Oberrhein. Der große Bauernkrieg von 1524/25 erfasste dagegen fast ganz Oberdeutschland vom Elsass bis Tirol und Steiermark und griff nach Franken, Thüringen und Sachsen über. Die sozialen Forderungen der Bauern waren größtenteils nicht neu; ihr Protest richtete sich im Allgemeinen weniger gegen übermäßige Fronen und Abgaben an die Grundherren als gegen Eingriffe der Landesherren in althergebrachte Rechte wie dörfliche Selbstverwaltung und Nutzungsrechte an Wald, Wiesen und Gewässern.
Seine Stoßkraft erhielt der Aufstand vor allem durch das Zusammentreffen mit der zweiten Massenbewegung dieser Zeit, der Reformation. Erstmals beriefen sich die Bauern nicht nur auf das »alte Recht«, sondern auf das Evangelium. Die im Februar 1525 zusammengestellten »Zwölf Artikel der Bauernschaft in Schwaben« begründeten z. B. die - als solche schon früher laut gewordene - Forderung nach Aufhebung der Leibeigenschaft mit der Erlösungstat Christi und verlangten unter anderem freie Pfarrerwahl und reine Predigt. Auf diese Artikel nahmen die Bauern in der Folgezeit auch anderswo Bezug. Es gab jedoch trotz der Beteiligung kriegserfahrener Adliger wie Florian Geyer und Götz von Berlichingen keine einheitliche Führung, was sich als entscheidende Schwäche erwies. Zum Teil versuchten die Bauern, ihre Ziele auf dem Verhandlungsweg zu erreichen, andere griffen bereitwilliger zu Plünderung und Brandschatzung.
Luther, der die berechtigten Anliegen der Bauern anfangs unterstützte und die Fürsten zur Einsicht mahnte, sah in der Radikalisierung der Bewegung bald eine Gefahr für das »weltliche Regiment«. Besonders die Entwicklung in Thüringen, wo der Theologe Thomas Müntzer den Kampf gegen die Obrigkeit mit der Verwirklichung des Reiches Gottes gleichsetzte, veranlasste Luther zu dem scharfen Pamphlet »Wider die räuberischen und mörderischen Rotten der Bauern«. Wenngleich diese Parteinahme nicht der ihm vielfach vorgeworfenen Fürstenhörigkeit entsprang, sondern seiner Theologie, schadete sie sowohl seinem persönlichen Ansehen als auch der Sache der Reformation.
Unterdessen warfen die Fürsten die Erhebung gewaltsam nieder. Innerhalb weniger Wochen (Mai/Juni 1525) brach der Widerstand zusammen; die Sieger vollzogen ein grausames Strafgericht. Während das Landesfürstentum gestärkt aus den Kämpfen hervorging, waren die Bauern für Jahrhunderte kein politischer Faktor mehr.
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Bau|ern|krieg, der: revolutionäre Bewegung der Bauern im Feudalismus.
Universal-Lexikon. 2012.