Prometheus,
griechisch Prometheus, griechischer Mythos: Sohn des Titanen Iapetos, Bruder des Atlas und des Epimetheus, Vater des Deukalion; nach späterer Überlieferung bildete er aus Lehm den ersten Menschen. Nach älterer (von Hesiod erzählter) Sage übervorteilte er Zeus bei der Verteilung des Speiseopfers unter Götter und Menschen; als Zeus den Menschen deshalb das Feuer vorenthielt, entwendete es Prometheus und brachte es auf die Erde. Darauf sandte Zeus den Menschen Pandora, Prometheus aber fesselte er an eine Säule oder einen Felsen im Kaukasus; ein Adler fraß ihm täglich die Leber ab, die nachts nachwuchs, bis Herakles den Adler erschoss und Prometheus befreite. Nach der Darstellung in der ersten Tragödie des Aischylos (im Rahmen seiner Prometheustrilogie) hatte sich Prometheus mit Zeus gegen die Titanen verbündet, dann aber das von Zeus zum Untergang bestimmte Menschengeschlecht gerettet, indem er ihm das Feuer und die Kultur brachte. Zeus ließ ihn deshalb durch Hephaistos an einen Felsen schmieden. Da Prometheus das ihm allein bekannte Geheimnis, wie Zeus seinem drohenden Sturz entgehen könne, nicht preisgeben wollte, schleuderte Zeus ihn durch einen Blitz in den Tartaros. Später, in der (nicht erhaltenen) zweiten Tragödie, muss der Versöhnung mit Zeus und der Befreiung des Prometheus die Verkündigung vorausgegangen sein, dass der Thetis ein Sohn bestimmt sei, der stärker als sein Vater sein werde; Zeus verzichtete daher auf die Heirat mit Thetis und übergab sie dem Peleus als Gattin.
Seit der Renaissance war der Mythos erneut beliebter literarischer Stoff. Prometheus wurde als Schöpfer menschlicher Kultur dargestellt (G. Boccaccio, F. Bacon, P. Calderón de la Barca), als ein Sinnbild der unerlösten Menschheit an den Felsen geschmiedet (P. de Ronsard), seit G. Bruno war er Wahrheitssucher und Empörer gegen den mächtigen Zeus, ein Motiv, das durch A. Shaftesbury, Voltaire und den jungen Goethe (z. B. in der Ode »Prometheus«, 1774) in der Folgezeit beherrschend wurde, wobei Prometheus zugleich zum Symbol des duldenden Menschen erhoben wurde, so in G. Byrons Gedicht »Prometheus« (1816) und in dem Drama von P. B. Shelley (»Prometheus unbound«, 1820). Seit dem späteren 19. Jahrhundert trug die Interpretation der Gestalt des Prometheus einerseits antikonfessionelle beziehungsweise atheistische Züge, daneben diskutierte man auch F. Nietzsches These vom Übermenschen am Prometheusstoff, z. B. in C. Spittelers Epen (»Prometheus und Epimetheus«, 2 Teile, 1881, Neufassung 1924 unter dem Titel »Prometheus der Dulder«) und den Dramen von A. Gide (»Le Prométhée mal enchaîné«, 1899), auch bei N. Kasantzakis (»Prometheus-Trilogie«, 1941-43). Im weiteren Verlauf des 20. Jahrhunderts reduzierte man das Prometheus-Thema meist auf die Ideen der Rebellion und Emanzipation, deren Bewertung durchaus unterschiedlich ausfiel (A. Camus, P. Claudel). Während C. Orffs Oper »Prometheus« (1968) eine Wiederbelebung des antiken Gesamtkunstwerks nicht zuletzt durch Verwendung der griechischen Sprache anstrebte, unternahm Heiner Müller eine Projektion des Helden auf die politische Ebene (»Prometheus«, Uraufführung 1969).
Bereits im 7. Jahrhundert v. Chr. wurden die Bestrafung durch den Adler des Zeus (Elfenbeinrelief aus Sparta; Athen, Archäologisches Nationalmuseum) und die Befreiung (Krater des Nettosmalers, um 600 v. Chr.; Olympia, Museum) dargestellt, seitdem häufig auf griechischen Vasen und Reliefs. Als Feuerbringer lässt sich Prometheus zunehmend seit dem 5. Jahrhundert v. Chr. bis in römischer Zeit nachweisen. Wie er den Menschen aus Lehm erschafft, erscheint oft auf römischen Sarkophagen. Seit der Renaissance wurde besonders das Motiv des gefesselten Prometheus gestaltet (Tizian, L. Giordano, F. Solimena, J. de Ribera, S. Rosa, P. P. Rubens), Piero di Cosimo stellte es in den Rahmen einer ganzen Prometheus-Folge, die Befreiung durch Herakles wählte A. Carracci. Der Symbolismus des 19. Jahrhunderts befasste sich ebenfalls mit dem Prometheus-Stoff (G. Moreau, A. Feuerbach, A. Böcklin); für das 20. Jahrhundert (J. Lipchitz, G. Marcks, O. Kokoschka, O. Zadkine) war Prometheus ein Sinnbild des sich gegen Gewaltherrschaft aufbäumenden Menschen.
K. Kerényi: P. (Neuausg. 21.-25. Tsd. 1962);
Prometheus,
ein Mond des Planeten Saturn.
Universal-Lexikon. 2012.