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tizian
ti|zi|an <indekl. Adj.> [nach dem ital. Maler Tizian (um 1477–1576)]:
a) Kurzf. von tizianblond;
b) Kurzf. von tizianrot.

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I
Tizian
 
[nach Tizian], Tizianrot, ein leuchtendes goldenes bis braunes Rot (v. a. Haarfarbe).
 
II
Tizian,
 
eigentlich Tiziano Vecellio [ve'tʃɛllio], italienischer Maler, * Pieve di Cadore (Provinz Belluno) um 1488, ✝ Venedig 27. 8. 1576. Als einen der bedeutendsten Meister der italienischen Hochrenaissance zeichnet ihn gegenüber Michelangelo und Raffael sein sensualistischer Umgang mit der Farbe aus, durch den er eine weite Skala an Ausdruckswerten für die Malerei erschloss. Zu seiner Malkultur bekannten sich nachfolgende Künstler wie Tintoretto, P. P. Rubens und D. Velázquez bis zu P. Cézanne. V. a. in Venedig tätig, arbeitete er auch für fürstliche Auftraggeber, u. a. Kaiser Karl V., Philipp II. von Spanien, Papst Paul III.
 
Obwohl an sich zuverlässige Quellen ein frühes Geburtsdatum (um 1477) belegen, spricht v. a. das Fehlen von Werken vor 1508 für das spätere Datum (um 1488). Einem Bericht zufolge soll er 1508, noch nicht zwanzigjährig, als Mitarbeiter Giorgiones in Venedig am Fondaco dei Tedeschi gearbeitet haben. Die nur sehr fragmentarisch erhaltenen Fresken (Ca' d'Oro, Galleria Franchetti) lassen malerische Qualitäten erkennen, durch die er sich bereits von seinen Lehrern Giovanni Bellini und Giorgione unterscheidet. Der erste Höhepunkt seiner Tätigkeit auch in den Augen seiner Zeitgenossen ist das 1516-18 gemalte Hochaltarbild der »Assunta« (Venedig, Santa Maria dei Frari; Bild Himmelfahrt Marias), das mit der für dieses Thema bisher üblichen statisch-feierlichen Anordnung bricht. In Komposition, Figurenauffassung und Farbbetonung verbinden und steigern sich Bewegung und Ruhe und bewirken eine sinnliche Vergegenwärtigung übersinnlicher Phänomene. Das zweite für diese Kirche gemalte Werk, die »Pesaro-Madonna« von 1519-26, bringt durch die asymmetrisch diagonale Bildkonzeption eine Steigerung der dynamischen Qualitäten, die auf Manierismus und Barock vorausweist. Die mythologischen Szenen dieser Schaffensperiode (»Venusfest«, 1518, Madrid, Prado; »Bacchanal«, um 1518, ebenda; »Bacchus und Ariadne«, 1523, London, National Gallery) sind durch überschäumende Sinnenfreude und detaillierte humanistische Kenntnisse charakterisiert. Die Werke der 1530er-Jahre, ruhiger in der Komposition, zeichnen sich durch äußerst nuancierte Farbabstufungen und stilllebenhafte Details aus (»Tempelgang Mariä«, 1534-38, Venedig, Accademia; »Venus von Urbino«, 1538, Florenz, Uffizien). Durch die Ernennung zum Hofmaler Karls V. (1533) wurde Tizian zu einem der begehrtesten Porträtisten Europas. Die Darstellung des Renaissancemenschen in seiner auf Vollendung und Würde zielenden Selbstinszenierung, die die frühen Bildnisse auszeichnet (»Mann mit Handschuhen«, um 1523; Paris, Louvre), wich zunehmend einer eindringlichen psychologischen Schilderung (»Papst Paul III.«, 1543, Neapel, Museo e Gallerie Nazionali di Capodimonte; Gruppenporträt »Papst Paul III. mit seinen Nepoten«, 1546, ebenda; »Karl V.«, 1548, München, Alte Pinakothek). In den religiösen Bildern erfolgte erneut eine Bewegungs- und Ausdruckssteigerung, die Nähe zum Manierismus zeigt und fast trübe Farbtöne einsetzt (»Dornenkrönung«, um 1542-44; Paris, Louvre). In den für Philipp II. gemalten mythologischen Bildern mit ihrer eindeutig erotischen Aussage setzte Tizian noch einmal den ganzen Reichtum seiner Farbkultur ein (»Danae«, 1553, Madrid, Prado; »Venus und Adonis«, 1554, ebenda). Die Summe seiner Erfahrungen führte in dem um 1555 beginnenden Altersstil zu einer zurückgenommenen subtilen und freien Handhabung der Farbe, die zum wesentlichen Gestaltungsmittel der durchgeistigten Weltsicht des Künstlers wurde (»Schindung des Marsyas«, 1570, Kremsier, Okresni Muzeum; »Pietà«, 1570-76, von J. Palma il Giovane vollendet, Venedig, Accademia).
 
Weitere Werke: Zeichnungen zur Holzschnittfolge »Trionfo della Fede«; Fresken aus der Antoniuslegende (1511; Padua, Scuola del Santo); Kirschen-Madonna (Wien, Kunsthistorisches Museum); Das ländliche Konzert (1510-12; auch Giorgione zugeschrieben; Paris, Louvre); Salome (1512; Rom, Galleria Doria Pamphili); Der Zinsgroschen (um 1516; Dresden, Staatliche Kunstsammlungen); Madonna mit den Heiligen Franziskus und Aloysius (um 1520; Ancona, Museum); Grablegung Christi (um 1525; Paris, Louvre); La Bella (um 1536; Florenz, Galleria Palatina im Palazzo Pitti); Junger Engländer (um 1540; ebenda); Francesco Maria Della Rovere, Herzog von Urbino, und seine Gattin (1536-38; Florenz, Uffizien); Franz I. (1538; Paris, Louvre); Venus mit dem Orgelspieler (um 1545; Madrid, Prado; andere Fassung um 1550, Berlin, Gemäldegalerie); P. Aretino (1545; Florenz, Galleria Palatina im Palazzo Pitti); Marter des heiligen Laurentius (vor 1559; Venedig, Jesuitenkirche); Raub der Europa (1559; Boston, Massachusetts, Gardner Museum); Grablegung Christi (1559; Madrid, Prado); Selbstporträt (1562; Berlin, Gemäldegalerie); Verkündigung (1565; Venedig, San Salvatore); Selbstporträt (um 1565-70; Madrid, Prado); Dornenkrönung (um 1570; München, Alte Pinakothek).
 
Literatur:
 
E. Panofsky: Problems in Titian, mostly iconographic (ebd. 1969);
 
L'opera completa di Tiziano, hg. v. C. Cagli (Neuausg. Mailand 1978);
 
Titian. His world and his legacy, hg. v. D. Rosand (New York 1982);
 R. Goffen: Piety and patronage in Renaissance Venice. Bellini, Titian, and the Franciscans (New Haven, Conn., 1986);
 S. Grundmann: T. u. seine Vorbilder (1987);
 
Titian. Prince of painters, hg. v. S. Biadene, Ausst.-Kat. (1990);
 T. Hetzer: T. Gesch. seiner Farbe, die frühen Gemälde, Bildnisse (Neuausg. 1992);
 F. Pedrocco: T. (a. d. Ital., Florenz 1993);
 
T., bearb. v. A. Walther (31997).
 

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ti|zi|an <indekl. Adj.> [nach dem ital. Maler Tizian (um 1477-1576)]: a) kurz für ↑tizianblond; b) kurz für ↑tizianrot.

Universal-Lexikon. 2012.