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Orthodoxie
Rechtgläubigkeit

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Or|tho|do|xie 〈f. 19; unz.; Rel.〉
1. = Rechtgläubigkeit
2. Strenggläubigkeit

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Or|tho|do|xie, die; -, -n:
1. [griech. orthodoxi̓a] (Rel.) Rechtgläubigkeit, Strenggläubigkeit.
2. (ev. Theol.) Richtung, die das Erbe der reinen Lehre (z. B. Luthers od. Calvins) zu wahren sucht (bes. in der Zeit nach der Reformation).
3. orthodoxe Kirche als christliche Konfession.
4.
a) (bildungsspr. abwertend) [engstirniges] Festhalten an Lehrmeinungen;
b) (bildungsspr.)orthodoxe (3) Lehrmeinung, Richtung.

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Orthodoxie
 
[griechisch »rechte Verehrung«, »rechter Lobpreis«] die, -,  
 1) Bezeichnung für die orthodoxe Kirche (als christliche Konfession).
 
 2) evangelische Theologie: die durch die Auseinandersetzungen um das authentische theologische Erbe der Reformation (die »reine Lehre«) geprägte Phase in der Geschichte der evangelischen Theologie. Mit dem Augsburger Religionsfrieden einsetzend und bis Anfang des 18. Jahrhunderts anhaltend, war sie Ausdruck der innerprotestantischen theologischen Einigungsbemühungen (im Luthertum zuerst in der Konkordienformel), damit aber zugleich auch Gegenbewegung zu der die Gegenreformation und die katholische Reform maßgeblich tragenden scholastischen Theologie der Jesuiten. Das Ziel der Orthodoxie war, der beginnenden innerprotestantischen Krise und der stärker werdenden äußeren Bedrohung des Protestantismus durch ein möglichst geschlossenes Lehrsystem zu begegnen. Dabei lehnte man sich methodisch an die strenge Denkform der aristotelischen Philosophie an, die M. Luther noch heftig bekämpft hatte, die jedoch unter P. Melanchthon wieder zu erstem Ansehen gelangt war. Maßgeblich war dabei das auch denkerisch klare Erfassen und Durchdringen der Heiligen Schrift als inspiriertem Wort Gottes. Die Bibel galt als wortwörtlich vom Heiligen Geist diktiert. Sie wurde in den Rang der aristotelischen Kategorie eines wissenschaftlichen Prinzips erhoben, wodurch ihre Alleingeltung formal autorisiert und sie jeder Kritik enthoben war. So wurde neben der Lehre von der Verbalinspiration das Schriftprinzip formuliert und inhaltlich besonders unter zwei Gesichtspunkten entfaltet: Die Bibel als das Gefäß der Heilslehre genüge zum Heil und lege sich selbst aus (Formalprinzip), und das protestantische Verständnis der Rechtfertigung sei die inhaltliche Mitte der Heiligen Schrift (Materialprinzip). Gleichzeitig mit diesen streng rationalen wurden auch mystische Begriffe aufgenommen und damit für die lutherische Orthodoxie der Weg zum Pietismus bereitet.
 
Während es in der lutherischen Orthodoxie durch die deutliche Hinwendung zum Aristotelismus zu Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern der Theologie Luthers und Melanchthons kam, entwickelte sich für die reformierte Orthodoxie v. a. aufgrund ihrer Orientierung an J. Calvins »Institutio« die Frage der Prädestination zum Hauptproblem. Zu den führenden lutherischen Theologen dieser Zeit zählen M. Chemnitz, L. Hütter, J. Gerhard, Johannes Musaeus (* 1613, ✝ 1681), A. Calov, J. A. Quenstedt und David Hollaz (* 1648, ✝ 1713). Auf reformierter Seite sind besonders G. Zanchi, T. Beza, Johannes Coccejus und Gisbert Voetius zu nennen.
 
Literatur:
 
H. E. Weber: Reformation, O. u. Rationalismus, 3 Bde. (1937-51, Nachdr. 1967);
 J. O. Fleckenstein: Scholastik, Barock, exakte Wiss. (Einsiedeln 1949);
 
Der Protestantismus des 17. Jh., hg. v. W. Zeller (1962, Nachdr. 1988);
 G. Lewalter: Spanischjesuit. u. deutsch-luther. Metaphysik des 17. Jh. (1967);
 W. Sparn: Wiederkehr der Metaphysik (1976);
 
Hb. der Dogmen- u. Theologiegesch., hg. v. C. Andersen, Bd. 2: Die Lehrentwicklung im Rahmen der Konfessionalität (Neuausg. 1988, Nachdr. 1989);
 S. Wollgast: Philosophie in Dtl. zw. Reformation u. Aufklärung 1550-1650 (21993);
 
Gestalten der Kirchengesch., hg. v. M. Greschat, Bd. 7: O. u. Pietismus (21994).
 
 3) Judentum: 1) Richtungen, die in entschiedener Ablehnung von Aufklärung, Emanzipation und Reformjudentum an traditioneller Frömmigkeit und Lebensweise festhalten (»Alt-O.«, z. B. der osteuropäische Chassidismus); 2) die auf begrenzt aufklärerisch-emanzipatorischer Basis in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts durch Samson R. Hirsch und Ezriel Hildesheimer (* 1820, ✝ 1899; ab 1869 orthodoxe Rabbiner in Berlin) begründete »Neo-O.«, deren Anhänger sich in der (nichtzionistischen) Weltorganisation Agudat Jisrael (gegründet 1912) und in dem (zionistischen) Mizrachi zusammengeschlossen haben. Obwohl zahlenmäßig im Judentum eine Minderheit (rd. 15 %), bildet die Orthodoxie durch ihr traditionelles Verständnis der Einheit von jüdischer Nationalität und Religion die Klammer zwischen dem nichtreligiösen »Nationaljudentum« und dem konfessionellen Reformjudentum und übt im Staat Israel in Koalitionsregierungen (oft überproportionalen) Einfluss aus.
 
Literatur:
 
H. Schwab: The history of orthodox Jewry in Germany (London 1950);
 
Dimensions of orthodox Judaism, hg. v. R. P. Bulka (New York 1983);
 S. Bernstein: The renaissance of the Torah Jew (Hoboken, N. J., 1985);
 R. Liberles: Religious conflict in social context. The resurgence of orthodox Judaism in Frankfurt am Main. .. (Westport, Conn., 1985);
 M. Breuer: Jüd. O. im Dt. Reich (1986).
 

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Or|tho|do|xie, die; - [1: griech. orthodoxía]: 1. (Rel.) Rechtgläubigkeit, Strenggläubigkeit. 2. (ev. Theol.) Richtung, die das Erbe der reinen Lehre (z. B. Luthers od. Calvins) zu wahren sucht (bes. in der Zeit nach der Reformation). 3. (bildungsspr. abwertend) [engstirniges] Festhalten an Lehrmeinungen: Der Beginn der Umkehrbewegung von dem ursprünglich »fortschrittlichen« Ansatz zu einer rückwärts gewandten O. lässt sich für die Neuzeit recht präzise datieren (Welt 25. 4. 97, 18); Wo die Grenzen zwischen planwirtschaftlicher O. und reformerischem New Look dereinst verlaufen werden, muss sich erst noch weisen (NZZ 14. 4. 85, 13).

Universal-Lexikon. 2012.