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Mịt|tel|stand 〈m. 1u; unz.〉 = Mittelschicht
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Mịt|tel|stand, der <o. Pl.>:
1. (Wirtsch.) Gesamtheit der kleinen und mittleren Unternehmen sowie der Selbstständigen.
2. Mittelschicht.
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Mittelstand,
Soziologie: die Gesamtheit der sozialen Gruppen einer industriell bestimmten Gesellschaft, die nach Ausweis objektiver sozialer Merkmale (z. B. Einkommen und Vermögen) und subjektiver Schichtungsfaktoren (z. B. bestimmte politisch-gesellschaftliche Grundhaltungen, Sozialprestige und Werteverständnis) zwischen einer Ober- und einer Unterschicht stehen. Vor dem Hintergrund der schnellen Entwicklung der Beamten- und Angestelltenschaft seit dem Ende des 19. Jahrhunderts wird zwischen dem »alten« und dem »neuen« Mittelstand unterschieden. Dem »alten« Mittelstand werden die selbstständigen Inhaber gewerblicher, kaufmännischer und landwirtschaftlicher Mittel- und Kleinbetriebe zugerechnet (d. h. große Teile des alten Bürgertums), ferner die freien Berufe, die höhere Beamtenschaft und die Rentiers; der »neue« Mittelstand umfasst auch Gruppen, die aufgrund der industriellen Entwicklung neu entstanden sind: v. a. die mittleren und unteren Angestellten sowie die qualifizierten Facharbeiter. Durch die verstärkte vertikale Mobilität seit der industriellen Revolution hat sich der Mittelstand stark ausgedehnt. Mit der Einbeziehung sozialpsychologischer Faktoren bei der Definition des Mittelstands (Zugehörigkeitsgefühl zum Mittelstand, Mittelstandsgesinnung mit entsprechendem Gesellschaftsbild, Aufstiegsorientierung) wird der Begriff auch zu einer politischen Kategorie.
Der Begriff des Mittelstands, die Zuordnungsmerkmale und die Aussagen über ihn werden stark bestimmt von der soziologischen Theorie, die bei seiner Definierung zugrunde gelegt wird. Seit der Antike ist nach G. Schmoller der Mittelstand in staats- und gesellschaftsphilosophischen Überlegungen (z. B. bei Aristoteles) als staatstragender Faktor angesehen worden, der im Rahmen einer besonderen Gesellschaftspolitik zu fördern sei. Im Gegensatz zu dieser positiven Sicht stellte der Marxismus die These auf, dass der Mittelstand (hier v. a. im Sinne des »alten« Mittelstands verstanden) im Zuge des sich verschärfenden Klassenkampfes zwischen Bourgeoisie und Proletariat zerrieben werde. Bestimmend für diese Analyse des »neuen« Mittelstands wurde die These, dass dessen arbeitsorganisatorische Stellung zwischen Unternehmer- und Arbeiterschaft, verbunden mit seinem relativ guten materiellen Auskommen die tatsächliche Konfrontation zwischen Produktionsmittelbesitzern und denen, die über keine Produktionsmittel verfügen können, verdecke.
Historisch gesehen ging der »alte« Mittelstand aus dem Handwerk hervor, dessen Existenzgrundlage seit der Mitte des 18. Jahrhunderts durch eine starke Bevölkerungsvermehrung, steigende Bodenrente und Nahrungsmittelpreise, verschärften Konkurrenzdruck und stagnierende Reallöhne fundamental infrage gestellt wurde, noch bevor die industrielle Revolution viele Handwerksbetriebe zu bloßen Zulieferer- und Reparaturbetrieben machte. Im Gefolge des Ersten Weltkrieges sowie der Weltwirtschaftskrise geriet der Mittelstand in schwere soziale Bedrängnis; soziale Unsicherheit, v. a. in Verbindung mit traditionalistischen Denkweisen und oft zu beobachtender unkritischer Autoritätsgläubigkeit, machten besonders den »alten« Mittelstand anfällig für faschistische und (in Deutschland) nationalsozialistische Denkschemata. Nach S. M. Lipset führen Mittelstandskrisen häufiger zu einem »Extremismus der Mitte«. Unter dem Eindruck dieser Erfahrungen wurde nach dem Zweiten Weltkrieg in den Demokratien mit einer pluralistischen Gesellschaftsstruktur der Mittelstand neben anderen gesellschaftlich bedeutsamen Schichten besonders gefördert.
Die gegenwärtige Entwicklung des (»neuen«) Mittelstands wird in besonderer Weise durch die Expansion des Dienstleistungssektors und die Herausbildung der Informationsgesellschaft bestimmt. Sie eröffnet dem Mittelstand einerseits zahlreiche neue Tätigkeitsfelder, ist vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Wandlungsprozesse und des wirtschaftlichen Strukturwandels andererseits jedoch mit starken wirtschaftlichen Zwängen, zahlreichen (oft schwer kalkulierbaren) Risiken und, infolge wachsenden Konkurrenzdruckes, für Teile des Mittelstands auch mit (zeitweiligen) Einkommensverlusten verbunden.
T. Geiger: Die soziale Schichtung des dt. Volkes (1932, Nachdr. 1987);
C. W. Mills: Menschen im Büro (a. d. Engl., 1955);
R. Dahrendorf: Soziale Klassen u. Klassenkonflikt in der industriellen Gesellschaft (1957);
S. M. Lipset: Soziologie der Demokratie (a. d. Engl., 1962);
R. Krisam: Der »M.« im hochindustrialisierten Wirtschaftsraum (1965);
H. A. Winkler: M., Demokratie u. Nationalsozialismus (1972);
H. A. Winkler: Liberalismus u. Antiliberalismus. Studien zur polit. Sozialgesch. des 19. u. 20. Jh. (1979);
Angestellte im europ. Vergleich. Die Herausbildung angestellter Mittelschichten seit dem späten 19. Jh., hg. v. J. Kocka u. a. (1981);
J. Kocka: Die Angestellten in der dt. Gesch. 1850-1980. Vom Privatbeamten zum angestellten Arbeitnehmer (1981);
D. Jung: Vom Kleinbürgertum zur dt. Mittelschicht. Analyse einer Sozialmentalität (1982);
B. Ehrenreich: Angst vor dem Absturz. Das Dilemma der Mittelklasse (a. d. Amerikan., Neuausg. 1994);
R. M. Glassman: The middle class and democracy in socio-historical perspective (Leiden 1995).
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Mịt|tel|stand, der <o. Pl.>: Gesamtheit der zur Mittelschicht Gehörenden: Der M. ist skeptisch gegenüber der Währungsunion (Woche 14. 3. 97, 17).
Universal-Lexikon. 2012.