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Mobilität
Unabhängigkeit; Beweglichkeit

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Mo|bi|li|tät 〈f. 20; unz.〉
1. = Beweglichkeit
2. 〈Bevölkerungsstat.〉 Häufigkeit des Wohnungs-, Wohnsitzwechsels
[<lat. mobilitas]

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Mo|bi|li|tät, die; - [lat. mobilitas, zu: mobilis, mobil]:
1. (bildungsspr.) [geistige] Beweglichkeit.
2. (Soziol.) Beweglichkeit (in Bezug auf den Beruf, die soziale Stellung, den Wohnsitz):
eine Gesellschaft mit hoher M.

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Mobilität
 
[lateinisch mobilis »beweglich«], Begriff aus der sozialwissenschaftlichen Fachsprache, der in einer breiteren Bedeutung Eingang in die Allgemeinsprache sowie in andere Fachsprachen (z. B. Verkehrswissenschaft, Städteplanung, Psychologie, Volkswirtschaftslehre) gefunden hat. Insoweit Mobilität neben der räumlichen Bewegung des Menschen (Umzug in eine andere Stadt, Auswanderung, Pendeln, Reisen) auch die Veränderung seiner Stellung im sozialen Raum bezeichnet, nimmt der Begriff nicht nur Bezug auf die anthropologische Besonderheit des Menschen, sich räumlich unterschiedlich zuzuordnen und einzurichten, sondern verweist auch auf einen sozialen Tatbestand von besonderer Bedeutung: Die Fähigkeit beziehungsweise Determiniertheit des Menschen, sich in sozialen Räumen (Siedlungen, Landschaften oder Regionen; Gruppen, Klassen, Schichten und Gesellschaften) zu konstituieren, zu orientieren, zu bewegen und zu verändern. So kann von Mobilität als einem Persönlichkeitsmerkmal ebenso gesprochen werden wie von einer mobilen Gesellschaft oder sozialer Mobilität. Die sozialwissenschaftliche Bestimmung von Mobilität geht zurück auf den Soziologen P. A. Sorokin, der damit in den 1920er-Jahren die Bewegung von Menschen in sozialen Räumen (soziale Schichten, Siedlungsformen, Arbeitsbereiche, politische, soziale und kulturelle Gruppen) ebenso fasste wie kulturelle Mobilität, also den Wandel und die Weitergabe von Ideen, Begriffen und anderen Kulturobjektivationen (Diffusion 3).
 
In einem anthropologischen Sinn verweist der Begriff auf die Ortsungebundenheit des Menschen, die er mit den Tieren teilt, die aber für ihn die Erfahrung und Aufgabe mit sich bringt, seine Stelle im Raum einzunehmen, für sich zu bestimmen und gegebenenfalls zu verändern. Mobilität gehört somit zu den Grunderfahrungen des Menschen als eines Wesens, »das sich seine eigenen Maßstäbe nicht nur ständig neu schaffen muss, sondern sie als Ansprüche an das Leben auch unablässig erhöhen kann« (D. Claessens).
 
 Historische Entwicklung
 
Ein Blick auf die Zivilisationsgeschichte zeigt zunächst das Gegenteil einer Entwicklung zur Mobilität, nämlich die Verfestigung und Sesshaftigkeit sozialer Gruppen, v. a. die verstärkte Abhängigkeit von Menschen untereinander und die Vernetzung menschlicher Aktionen zu überindividuellen Handlungsketten (N. Elias), die den Einzelnen in immer umfassendere Zusammenhänge einbinden. Dieser Prozess hat sich vom Sesshaftwerden wandernder Horden über die landwirtschaftliche Revolution des 8. Jahrtausends v. Chr. (Carlo Manlio Cipolla [* 1922]), die Ausbildung früher Hochkulturen und Stadtstaaten, die antiken Großreiche bis hin zu den europäischen Gesellschaften des Mittelalters als Zuwachs an sozialer Kontrolle und Abhängigkeit, als räumliche Erschließung (Binnenkolonisation in Europa, Ausbau der Verkehrswege; Verrechtlichung der räumlichen Strukturen [Aaron Jakowlewitsch Gurjewitsch, * 1924]) und damit auch als eine Zunahme an Stabilität, Sicherheit und Stetigkeit für den einzelnen Menschen dargestellt. Dem entspricht der Ausbau mehr oder weniger rigider und statischer Gesellschaftsmodelle (Klassen-, Stände-, Kastengesellschaften) auf der Ebene der sozialen Beziehungen; auf der Ebene der psychischen Entwicklung des Individuums zeichnet sich eine Zunahme an Affektkontrolle (N. Elias), Selbstdisziplinierung und rationaler Lebensplanung ab (M. Weber).
 
Der entscheidende Unterschied neuzeitlicher Mobilität zu vorausgehenden Erfahrungen besteht jedoch weniger in einer nur quantitativen Zunahme als vielmehr darin, dass sich die Grunderfahrungen der Menschen durch industrielle Revolution und Französische Revolution verändert haben: Nunmehr wird die grundsätzliche Möglichkeit von Mobilität allen Menschen und dem Gesellschaftszustand selbst zugesprochen, und die Gesellschaft zielt auch in normativer Hinsicht auf eine Vielfalt an Mobilitätschancen und Mobilitätskanälen. War in der alten Gesellschaft Mobilität verbunden mit Unsicherheit und Unordnung, so wird sie nun zu einem Anspruch, der auf Einlösung drängt. Dieser hat sich z. B. in politischen Programmen und rechtlichen Garantien der Freizügigkeit (GG Art. 11; UNO-Menschenrechtserklärung Art. 13 und 14) niedergeschlagen. In vorindustrieller Zeit bildete Mobilität die Ausnahme innerhalb der Gesellschaft, war jedoch v. a. unter heilsgeschichtlichen Aspekten (Pilgerreise, Kreuzzüge) vorstellbar und positiv bewertet; Ortsungebundenheit dagegen galt grundsätzlich als Makel oder Unglück. Mit der Industrialisierung tritt Mobilität als Selbstbestimmungsmöglichkeit des Menschen in Erscheinung. Der Anspruch auf Mobilität führte zur Aufhebung der Leibeigenschaft, zur Auflösung der Ständehierarchie, zur Verbesserung von Reise-, Bildungs- und Handelsmöglichkeiten. Zugleich aber brachte die Freisetzung aus alten Abhängigkeiten negative Erfahrungen wie Entfremdung, Entwurzelung, Landflucht, großstädtische Verelendung und die Auflösung der altständischen kommunalen und landschaftlichen Sicherheiten mit sich. Dies führte im 19. Jahrhundert zur Ausbildung einer eigenständigen »Krisenwissenschaft«, der Soziologie, deren Gründungsväter A. Comte, K. Marx, É. Durkheim alle an den dynamischen Mobilitätserfahrungen der Entwicklung moderner Industriegesellschaften ihren Anstoß nahmen (Industrialisierung). In diesem Zusammenhang erscheint seit dem 19. Jahrhundert Mobilität als bestimmender Faktor des Zeitalters.
 
In einer stärker sozialgeschichtlichen Perspektive zeigt sich Mobilität seit dem 19. Jahrhundert v. a. in einer Zunahme und Vervielfältigung der Reise- und Transportmöglichkeiten und -geschwindigkeiten, in veränderten Siedlungsformen (Ausbreitung urbaner Lebensformen, städtische Agglomerationen wie das Ruhrgebiet, Metropolen wie Paris, London, Berlin), in einer veränderten Berufs- und Ausbildungsstruktur (zunehmender Bedarf an qualifizierter Ausbildung, Veränderung von Berufsprofilen), in durch den wirtschaftlichen Strukturwandel bedingter wachsender Berufsmobilität, in beschleunigter Informationsübermittlung und -aufbereitung (Telekommunikation, Rundfunk, Fernsehen, Computer), in der Verlagerung der gesellschaftlichen Produktion vom Landwirtschafts- auf den Industrie- und dann auf den Dienstleistungssektor, in einer wachsenden Unabhängigkeit der Produktionsfaktoren, Distributions- und Konsumtionseinrichtungen von bestimmten Standorten und in den westlichen Industriegesellschaften in der Steigerung von Mobilität im Freizeit- und Privatbereich.
 
 Soziologische Aspekte
 
Die Soziologie, als wissenschaftliche Erkundung und theoretische Reflexion der modernen Gesellschaften selbst in Reaktion auf die Umbruchserfahrungen des industriellen Zeitalters entstanden, bezieht bis heute wesentliche Orientierungen aus diesen Zusammenhängen, was in Untersuchungen zur räumlichen, beruflichen und sozialen Mobilität als Kernthemen soziologischer Forschung einschließlich hierauf gründender politischer Interpretationsansätze (»offene Gesellschaft«) seinen Ausdruck findet.
 
Neben empirische Studien zur sozialen und räumlichen Mobilität stehen bereits früh auch die damit verbundenen sozialen Bewusstseinsprozesse im Zentrum der Forschung (S. Kracauer, P. Lazarsfeld, Marie Jahoda [* 1907, ✝ 2001], Hans Zeisel [* 1905, ✝ 1992], T. Geiger, P. A. Sorokin), was Ausdruck dafür ist, dass es sich bei Mobilität nicht nur um subjektiv interpretierbare Prozesse seitens der betroffenen Individuen und Gruppen handelt, sondern auch um Erscheinungen, die in besonderer Weise den Vorstellungen der Forscher und den Bedingungen ihrer Modellbildungen unterliegen.
 
Entsprechend unterschiedliche Begriffsdifferenzierungen wurden entworfen, wobei die von P. A. Sorokin in den 1920er-Jahren vorgenommene Unterscheidung von Bewegungen zwischen Positionen, die ihrem Rang nach auf der gleichen Ebene liegen (Umzug im selben Wohnviertel; »horizontale Mobilität«), und zwischen solchen, die höher oder niedriger gelegen sind (Umzug in ein besseres oder schlechteres Wohnviertel; »vertikale Mobilität«), ebenso heute noch eine Rolle spielen, wie die in den 1930er-Jahren entwickelten analytischen Kategorien T. Geigers, der zum einen individuelle (Auf- und Abstiege Einzelner) und kollektive Mobilität (Auf- und Abstiege sozialer Gruppen) voneinander unterschied und zum anderen auf eine doppelte Dynamik sozialer Mobilität hinwies: Nicht nur Menschen verändern ständig ihre Positionen, auch Gruppen gewinnen beziehungsweise verlieren an Gewicht und unterliegen damit unterschiedlichen Positionswechseln; diese Differenzierung wurde in den 1960er-Jahren von dem japanischen Soziologen Saburo Yasuda (* 1925) in die Begriffe »Struktur-M.« (die durch den Strukturwandel erzeugte Mobilität) und »Zirkulations-M.« (Mobilität Einzelner, die im Rahmen bestehender Strukturen besteht beziehungsweise diesen entspricht) gefasst.
 
In einem ganz allgemeinen Sinn kann Mobilität als »Wechsel eines oder mehrerer Individuen zwischen den festgelegten Einheiten eines Systems« (Peter Franz [* 1948]) bestimmt werden; damit ist sowohl auf die Systemabhängigkeit jeder Messung von Mobilität hingewiesen als auch auf die Probleme, die es gibt, wenn Ergebnisse, die an unterschiedlichen Maßleisten und Modellen gewonnen wurden, aufeinander bezogen werden sollen (etwa in historischen Längsschnitten, aber auch in Ländervergleichen und in der vergleichenden Sozialforschung).
 
Zu den zentralen Themen der Mobilitätsforschung gehören nach wie vor räumlichen Wanderungen (z. B. Binnenmigration, Landflucht, Verkehrsentwicklung), ebenso berufsbezogene und am Sozialprestige bestimmter gesellschaftlicher Positionen orientierte soziale Aufstiegs- und Abstiegsbewegungen, die sich zunächst im Anschluss an M. Weber nach intragenerationellen (im Lebenslauf einer Person [»Karriere-M.«]) und intergenerationellen Mobilitätserfahrungen (Bewegungen über mehrere Generationen hinweg [»Generationen-M.«]) unterscheiden lassen. Schließlich ist die gesellschaftliche Bedeutung einzelner sozialer Schichten und deren Veränderungen im Wechselbezug zu anderen Schichten (Schichtungsmodelle; Schichtung) von Interesse. Diese wird in jüngster Zeit besonders in ihren Zusammenhängen mit den gesellschaftlichen Umbrüchen in den Industriegesellschaften untersucht.
 
Zählte für Kritiker und Verteidiger der westdeutschen Nachkriegsgesellschaft (u. a. westlicher Industriegesellschaften seit den 1960er-Jahren) die Erforschung sozialer Mobilität zu den Kernthemen sozialwissenschaftlicher Forschung, an denen sich Fragen der Chancengleichheit und der Innovationsfähigkeit der Gesellschaften gleichermaßen thematisieren (»offene Gesellschaft«) ließen, so hat sich die Mobilitätsforschung in den 1980er-Jahren auch historischen Längsschnitten, regionalgeschichtlichen Studien und Ländervergleichen, besonders aber der Untersuchung der Mobilitätschancen und -Belastungen von Frauen zugewandt. In den 1990er-Jahren dominiert - sowohl unter ökologischen als auch unter technisch-innovatorischen, ökonomischen und psychologischen Fragestellungen - das Interesse an räumlicher Mobilität, v. a. im Hinblick auf die Fragen zukünftiger Verkehrsentwicklungen und -politik; die Erforschung sozialer Mobilität findet besonders unter den Problemstellungen der Ost-West-Angleichung und der Zukunft der Arbeitsgesellschaft statt.
 
 Trends und Perspektiven
 
Der Begriff Mobilität umfasst als räumliche, berufliche und soziale Mobilität so viele unterschiedliche Aspekte, dass sich ein allgemeines Bild nur sehr oberflächlich entwerfen lässt, also etwa die Vorstellung einer »mobilen Gesellschaft«, welche zudem im Einzelnen von Widersprüchen bestimmt ist. Aktuelle Tendenzen lassen sich daher sowohl in einzelnen Bereichen: Lebenslauf und Partnerwahl, Arbeitsmarkt und Verkehrsentwicklung, objektive und subjektive Veränderungen in der Schichtenstruktur, sozialräumliche Veränderungen, Migration und Binnenwanderungen, als auch in längerfristigen Auf- und Abstiegsprozessen in nationalen und internationalen Zusammenhängen und aus dem Zusammenspiel der genannten Aspekte benennen.
 
Zentrale Rahmenbedingungen für das Bild von Mobilität in den 1990er-Jahren stellen die Wiederherstellung der deutschen Einheit (1990) und die europäische Integration, die neuen Ost-West-Beziehungen nach 1991 sowie die unter dem Stichwort Globalisierung diskutierten weltweiten Vernetzungen und Umstrukturierungen von Arbeits-, Geld- und Gütermärkten dar. Diese treffen auf zum Teil langfristige Entwicklungen, die wie etwa der Übergang von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft oder die Auflösung beziehungsweise Neustrukturierung traditioneller Formen des Zusammenlebens (z. B. Familie, Gemeinde) im die modernen Gesellschaften charakterisierenden sozialen Wandel begründet sind.
 
Für die Geschichte der Mobilität in der »alten Bundesrepublik« lassen sich drei Tendenzen in der Entwicklung sozialer Mobilität herausstellen (Rainer Geißler [* 1939]): 1) Insgesamt ist die Gesellschaft, besonders seit den 1960er-Jahren, mobiler geworden. 2) Vor allem in den 1960er- und 1970er-Jahren sind die Aufstiegschancen gestiegen, während die Gefahren sozialen Abstiegs geringer geworden sind. 3) Die Reichweite sozialen Aufstiegs hat im Laufe der 1970er- und 1980er-Jahre zugenommen, d. h., es gibt größere Chancen, nicht nur in die nächsthöher gelegene Schicht aufzusteigen, sondern sozialen Aufstieg über mehrere Schichten hinweg zu schaffen. Soziostrukturell ist diese Entwicklung an ganz bestimmte Bedingungen geknüpft, z. B. die zahlenmäßige Abnahme der Arbeiterschicht, den Ausbau gesamtgesellschaftlicher Wohlfahrt und die stetig wachsende Nachfrage nach höheren Bildungsabschlüssen. Diese gelten als Belege für eine weite Verbreitung von Mittelschichtstandards hinsichtlich sozialer und beruflicher Mobilität. Gleichzeitig ist jedoch auch mangelnde Mobilitätsbereitschaft festzustellen, die oft in ganz bestimmten Problemlagen begründet ist. So können sich z. B. für Familien beziehungsweise [allein erziehende] Frauen mit Kindern wachsende berufliche Mobilitätsanforderungen auf der einen und in mangelnder sozialer Ausstattung begründete Grenzen der individuellen Mobilität auf der anderen Seite (besonders fehlende Kindergartenplätze und finanziell und/oder zeitlich realisierbare Bildungsangebote) zu realen Ausschließungskriterien verdichten.
 
In der DDR, wo sich die Entwicklung teilweise anders darstellte, fand in den ersten Jahren nach ihrer Gründung (1949) zunächst eine weitgehende Neugruppierung der gesellschaftlichen Elite statt. Diese verfestigte sich jedoch schon bald und »reproduzierte« sich zunehmend selbst, sodass sich ungeachtet des gegenüber der Bundesrepublik Deutschland vertretenen grundsätzlich anderen (»sozialistischen«) gesellschaftlichen Anspruchs soziale Ausschließungsmechanismen entwickelten, in deren Folge es seit Ende der 1960er-Jahre Arbeiterkindern schwieriger möglich wurde sozial aufzusteigen, als in den ersten beiden Jahrzehnten des DDR-Staates (Heike Solga). Im wieder geeinten Deutschland treffen somit unterschiedliche Mobilitätsmuster und -Erfahrungen aufeinander, die sich aber - wie etwa die subjektive Schichtzuordnung zur Mittelschicht - bereits in den 1990er-Jahren aneinander anzugleichen scheinen.
 
Unter den Gesichtspunkten beruflicher und räumlicher Mobilität waren allerdings die Bewohner Ostdeutschlands in den 1990er-Jahren wesentlich höheren Mobilitätsanforderungen ausgesetzt als die Menschen in der »alten Bundesrepublik«. Im Vergleich zur bereits hohen westdeutschen Dynamik mussten von Mitte 1990 bis Mitte 1991 zweieinhalbmal so viele ostdeutsche Erwerbstätige die Arbeitsstelle wechseln und dreimal so viele aus dem Erwerbsleben ausscheiden. Hinzu kommen eine anhaltende Ost-West-Wanderung vor allem jüngerer und gut qualifizierter Menschen sowie eine halbe Mio. Westpendler, die deutlich machen, dass sich die »neue große Unsicherheit« (Geißler) zwar zunächst v. a. auf die Bewohner Ostdeutschlands beziehen lässt, dass sich darin zugleich aber die tief greifenden Wandlungen der Industriegesellschaften zum Ende des Jahrtausends wieder finden lassen. Auf den Ebenen der Kultur und des Alltags findet Mobilität im Wechsel und Nebeneinander von intergenerationellen Mobilitätserfahrungen und personenbezogener Mobilität ihren Ausdruck. Die Persönlichkeitsbilder der 1990er-Jahre sind dabei auf individuelle Mobilität hin entworfen und schlagen sich in entsprechenden Konsum- und Sinnangeboten nieder: Individualtourismus, Fitnesstraining, Geländewagen im Berufsverkehr; Sinnangebote unterschiedlicher Psychoszenen, religiöser und quasireligiöser Gruppen. Im Bereich der Medien und Kommunikation wachsen die Anteile mobiler Ausstattung und ein entsprechender Gebrauch dieser Angebote (Handys). Dabei wird zugleich eine Grenze heutiger gesellschaftlicher Mobilität deutlich, indem z. B. durch das Internet, durch Homebanking und Teleshopping Dinge von zu Hause aus erledigt werden können, die früher einmal Mobilitätsanlässe waren. Sollte die volkswirtschaftliche Einsicht »ab einer bestimmten Grenze. .. verschlechtern sich die Nutzungsbedingungen eines Gutes, je verbreiteter dessen Gebrauch ist« (Fred Hirsch) auf Mobilität zutreffen, so wäre dies auch ein Beleg dafür, Begriff und Tendenzen der Mobilität differenziert aufzufassen. Denn die technischen Folgen und objektiven Grenzen wachsender Mobilität (Verkehrsstaus, Umweltverschmutzung, Ressourcenverbrauch) leuchten ohne weiteres ein, während eine Beschränkung der auf die Lebenschancen von Individuen bezogenen sozialen Mobilität in Widerspruch treten kann zu einer mit den Menschenrechten allen Menschen zugesicherten Chancengleichheit, in der sich eben auch die Hoffnungen und Ansprüche auf die Segnungen individueller und gesamtgesellschaftlicher Mobilität spiegeln.
 
Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie v. a. auch in den folgenden Artikeln:
 
Beruf · Chancengleichheit · Handel · Informationsgesellschaft · Landflucht · Leistungsgesellschaft · Marktwirtschaft · Migration · Standort · Tourismus · Verkehr · Wachstum · Zeit
 
Literatur:
 
P. A. Sorokin: Social and cultural mobility (Neuausg. London 1964);
 E. R. Wiehn u. Karl U. Mayer: Soziale Schichtung u. M. (1975);
 
Gesch. der sozialen M. seit der industriellen Revolution, hg. v. H. Kaelble (1978);
 
Soziale Strukturen u. individuelle M., hg. v. H. Tegtmeyer (1979);
 T. A. Herz: Klassen, Schichten, M. (1983);
 P. Franz: Soziologie der räuml. M. (1984);
 
Soziale Schichtung u. soziale M. in der Gesellschaft Alteuropas, hg. v. I. Mieck (1984);
 U. Beck: Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne (1986);
 M. Haller: Klassenstruktur u. M. in fortgeschrittenen Gesellschaften (1989);
 H. Ditton: Ungleichheit u. M. durch Bildung (1992);
 
Die M. von Morgen, hg. v. S. Behrendt u. R. Kreibich (1994);
 
M.-Verhalten, hg. v. A. Flade (1994);
 H. Solga: Auf dem Weg zur klassenlosen Gesellschaft? Klassenlage u. M. zw. Generationen in der DDR (1995);
 P. Virilio: Der negative Horizont. Bewegung, Geschwindigkeit, Beschleunigung (a. d. Frz., Neuausg.1995);
 R. Geißler: Die Sozialstruktur Dtl.s. Zur gesellschaftl. Entwicklung mit einer Zwischenbilanz zur Wiedervereinigung (21996);
 
Zwischenbilanz der Wiedervereinigung. Strukturwandel u. M. im Transformationsprozeß, hg. v. M. Diewald u. Karl U. Mayer (1996);
 M. Gleich: M. Warum sich alle Welt bewegt (1998).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
Tourismus und Umwelt
 
Verkehr: Grenzen der Mobilität
 
Verkehr: Elektronische Steuerung, integrierte Verkehrssysteme
 
Verkehr: Neue Denkansätze
 

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Mo|bi|li|tät, die; - [lat. mobilitas, zu: mobilis, ↑mobil]: 1. (bildungsspr.) [geistige] Beweglichkeit: Die M. der Vierziger ist drastisch eingeschränkt (Schreiber, Krise 37); seine Argumentationen zeugten von hoher M. 2. (Soziol.) Beweglichkeit (in Bezug auf den Beruf, die soziale Stellung, den Wohnsitz): die soziale, regionale M. der Arbeitnehmer; Bei der Arbeitssuche werden mehr M., geringere Lohn- und Gehaltsforderungen ... empfohlen (Saarbr. Zeitung 2. 10. 79, 4); eine Gesellschaft mit hoher M. 3. (Milit. selten) mobiler Zustand, Kriegsbereitschaft: eine Demonstration der hohen M. ... der sowjetischen Kriegsmarine (Bundestag 190, 1968, 10 325).

Universal-Lexikon. 2012.