Ạb|was|ser|rei|ni|gung 〈f. 20〉 weitgehende Befreiung des Abwassers von Schad- u. Schmutzstoffen, vornehmlich in Kläranlagen
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Ạb|was|ser|rei|ni|gung, die:
Reinigung von Abwasser (mithilfe von Kläranlagen o. Ä.).
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Abwasserreinigung,
die Entfernung von Verunreinigungen aus dem Abwasser, die meist in Kläranlagen durchgeführt wird. Die kommunale Abwasserreinigung erfolgt in mechanisch, biologisch oder chemisch arbeitenden Anlagen oder Anlagenteilen.
Mechanische Abwasserreinigung:
Bei der mechanischen Abwasserreinigung werden ungelöste Stoffe (Feststoffe) abgeschieden. Mithilfe von Rechen - eine Konstruktion aus parallel angeordneten Stäben - oder Sieben werden grobe Bestandteile (Grobstoffe), wie Holz, Papier, Plastik, Dosen u. a., aus dem Abwasser entfernt. In Sandfängern setzen sich mineralische Stoffe, die hohe Absetzgeschwindigkeiten besitzen, aufgrund einer Verringerung der Fließgeschwindigkeit auf circa 0,3 m/s ab. Die Sandfänge sind darüber hinaus oft mit Fettabscheidern ausgerüstet. Dort werden spezifisch leichtere Stoffe, wie Fette und Öle, die sich an der Oberfläche des Abwassers ansammeln, abgeschieden. Neben der Feststoffabtrennung mittels Sedimentation in den Sandfängen wird dieses Prinzip mit noch wesentlich geringeren Fließgeschwindigkeiten auch in den Vorklärbecken genutzt. Hier werden weitere sedimentierbare Stoffe, bei kommunalem Abwasser etwa 1/3 der organischen Zulauffracht, entzogen.
Biologische Abwasserreinigung:
Die biologische Abwasserreinigung basiert auf der Umsetzung von Stoffen durch Mikroorganismen (besonders aerobe Bakterien), wobei sich diese weitgehend an schwankende Abwasserzusammensetzungen anpassen können. Voraussetzung ist die biologische Abbaubarkeit der Wasserinhaltsstoffe, die Abwesenheit toxischer Stoffe sowie die Anwesenheit von Sauerstoff und Mineralstoffen (Phosphor, Stickstoff u. a.). Es wird dabei angestrebt, Schadstoffe aus dem Abwasser abzutrennen oder in weniger nachteilige oder unschädiche Verbindungen zu überführen. Die biologische Reinigungsstufe imitiert die natürliche Selbstreinigung von Gewässern. Für die biologische Abwasserreinigung stehen Verfahren mit fester (fixierter) oder mit suspendierter (im Abwasser schwebender) Biomasse zur Verfügung.
Bei den Verfahren mit fixierter Biomasse ist das Tropfkörperverfahren das bekannteste. Es wurde schon im 19. Jahrhundert in England eingesetzt. Bei diesem Verfahren wird das Abwasser über einem Füllkörper mit einer großen spezifischen Oberfläche verrieselt. Das zu reinigende Abwasser strömt über Aufwuchsflächen, auf denen sich ein Biofilm (eine dünne Schicht Biomasse) gebildet hat. Die Mikroorganismen nehmen die Stoffe aus dem vorbeifließenden Abwasser auf und setzen sie um. - Modernere Verfahren mit fester Biomasse sind biologische Filter, die oft mit einem Wirbelbett arbeiten. Dem Vorteil geringeren Raumbedarfs und weitgehender Kapselung stehen oft höhere Investitions- und Betriebskosten sowie ein hoher Energiebedarf gegenüber.
Das übliche, sehr weit verbreitete Verfahren mit suspendierter Biomasse ist das Belebtschlammverfahren, bei dem die Mikroorganismen (Bakterien) in Form von Schlammflocken in einem Abwasser-Belebtschlammgemisch über eine Belüftung mit Sauerstoff versorgt werden. Dabei schwimmen aus Belebtschlammbecken entnommene Bakterienkolonien (Belebtschlamm) frei in einem mit dem zu reinigenden Abwasser gefüllten Belebungsbecken. Belüfter tragen den notwendigen Sauerstoff in das Belebungsbecken ein und sorgen gleichzeitig für eine gute Durchmischung. Die Mikroorganismen in den Flocken kommen durch Verwirbelungen im Becken mit den Schmutzstoffen in Kontakt und setzten diese um. Die Mikroorganismen bauen einen erheblichen Teil der biologisch abbaubaren Schadstoffe ab, wobei etwa 60 % davon in Biomasse umgewandelt werden. Die Biomasse kann in Nachklärbecken durch Sedimentation abgetrennt und zurückgeführt werden, damit wird eine ausreichend große Biomasse sichergestellt. Da mehr Biomasse wächst, als im Prozess gebraucht wird, entsteht bei allen biologischen Reinigungsverfahren so genannte Überschussschlamm (Klärschlamm), der entnommen und weiter behandelt werden muss. Bei größeren Kläranlagen wird er zusammen mit dem Schlamm aus der mechanischen Abwasserreinigung in einen Faulbehälter gepumpt, wo unter anaeroben Bedingungen eine weitere bakterielle Zersetzung stattfindet. Als Produkte dieser Faulung entstehen biologisch stabilisierter Schlamm (Faulschlamm) und Biogas mit einem Heizwert von etwa 25 000-34 000 kJ/m3, das zur Energiegewinnung genutzt werden kann. Der eingedickte Faulschlamm (auch der Rohschlamm) wird meist in einer Konditionierungsanlage aufbereitet. Dazu wird er z. B. in einem Wärmetauscher-Reaktor-System unter Luftabschluss auf etwa 200 ºC aufgeheizt und unter einem Druck von rund 2 MPa (20 bar) etwa 45 Minuten lang »gekocht«. Nach weiterer Eindickung fällt ein hygienisch einwandfreies Produkt an, das als Bodenverbesserungsmittel in der Land- und Forstwirtschaft verwendbar ist. - Krankheitserreger werden in den biologischen Reinigungsanlagen nicht vollständig abgetötet. Daher kann eine Abwasserdesinfektion, z. B. eine Entkeimung durch UV-Bestrahlung, erforderlich sein.
Chemische Abwasserreinigung:
Die Reinigung industrieller Abwässer kann je nach Art und Grad der Verunreinigung zusätzliche Reinigungsstufen erforderlich machen. Neben der mechanischen und der biologischen Abwasserreinigung kann auf Kläranlagen deshalb auch eine chemische Behandlung erfolgen. Hierbei werden dem Abwasser Chemikalien hinzugefügt, welche die Flockenbildung unterstützen. So können die Stoffe dann leichter durch Sedimentation aus dem Abwasser abgetrennt werden. Bei der chemischen Abwasserreinigung unterscheidet man die Fällung und die Flockung. Hier kommen chemische Fällungs- und Flockungsmittel zum Einsatz sowie Neutralisationsmittel, um alle sauren oder zu stark basischen Abwässer zu neutralisieren (der pH-Wert des in den Vorfluter eingeleiteten Wassers darf nur zwischen 6 und 8,5 liegen). Bei der Fällung werden dem Abwasser Chemikalien zugesetzt, die gelöste Salze in eine unlösliche Form überführen. So wird eine Sedimentation dieser Stoffe ermöglicht. Dieses Verfahren wird auf sehr vielen Kläranlagen zur Phosphatfällung eingesetzt. In der Flockung werden dem Abwasser Chemikalien zugesetzt, welche die Abstoßungskräfte zwischen den vorhandenen Partikeln verringern, die dann leichter absetzbar sind.
Industrielle Abwasserreinigungsanlagen:
Neben den kommunalen Kläranlagen gibt es eine große Zahl industrieller Abwasserreinigungsanlagen. Bei Einleitungen aus der Industrie treten bezüglich Art und Grad der Verschmutzung des Abwassers sehr große Unterschiede auf. Aus diesem Grund ist oft eine effektivere Reinigung und gegebenenfalls Wiederverwendung direkt an der Anfallstelle möglich. Die Reinigung dieser Wässer kann über die Standardverfahren hinausgehende, speziell auf die Abwasserart abgestimmte Reinigungsverfahren erfordern (z. B. Ionentauscher oder Aktivkohlefilter). In der Industrie wird immer mehr nach diesem Prinzip der Teilstrombehandlung gearbeitet. Damit konnten im großen Umfang Wasser- und Inhaltsstoffe wiederverwendet werden. Das Prinzip der Teilstrombehandlung wird inzwischen auch im Rahmen von Pilotprojekten in Bereich des häuslichen Abwassers eingesetzt, wo mit dem Toilettenabwasser der größte Teil der Nährstoffe getrennt behandelt wird. Dabei tritt neben dem Ziel der Abwasserreinigung die weitgehende Rückgewinnung von Wasser und Wertstoffen in den Vordergrund, was besonders in den vielen wasserarmen Regionen der Welt von Bedeutung ist.
Radioaktive Abwässer dürfen in Deutschland nur dann in Oberflächengewässer eingeleitet werden, wenn ihre Aktivitätskonzentration 18,5 · 106 Bq/m3 (= 5 · 10-4 Ci/m3) nicht überschreitet. Liegt eine höhere Konzentration vor, so muss das Abwasser besonders aufbereitet werden (eine Verdünnung ist nicht zulässig). Dies kann durch Eindampfen geschehen, wobei der Aktivitätsgehalt im Rückstand angereichert wird, ferner durch Filtrierung oder mithilfe von Ionenaustauschern. Eine weitere Möglichkeit, v. a. für Substanzen mit kurzen Halbwertszeiten, ist das Lagern in Abklingbehältern über mehrere Halbwertszeiten hin, sodass das Wasser dann ohne Bedenken abgeleitet werden kann.
Anschlussgrad an Kläranlagen:
1995 waren circa 88 % der Wohnbevölkerung in Deutschland an etwa 10 000 öffentliche Kläranlagen angeschlossen; 1991 waren es circa 85 %. Die Verfahren zur dezentralen Abwasserreinigung erlangen seit den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung, da die zentrale Sammlung des Abwassers in dünn besiedelten Gebieten extrem teuer werden kann. Insgesamt wurden 1995 in Deutschland 9,8 Mrd. m3 Abwasser behandelt. 1998 sank dieser Wert leicht auf 9,6 Mrd. m3. 1995 wurden allein in den Anlagen der chemischen Industrie 740 Mio. m3 Abwasser behandelt. Insgesamt wurden circa 1,7 Mrd. m3 in betriebseigenen Kläranlagen gereinigt.
In den alten Bundesländern waren (1991) 90 % der Bevölkerung an rund 7 100 biologische oder weitergehende (biologisch-chemische) sowie 2 % an 1 400 meist kleinere mechanische Kläranlagen angeschlossen, in den neuen Bundesländern waren es erst 31 % (an circa 900 biologische oder weitergehende Anlagen) beziehungsweise 29 % (an etwa 500 mechanische Anlagen). In diesen Anlagen wurden 1991 8,5 Mrd. m3 Abwasser gereinigt. Während der Anschlussgrad an biologischen Kläranlagen in den alten Bundesländern somit den weltweit höchsten Standard aufwies, lag dieser in den neuen Bundesländern deutlich unter dem anderer Industrienationen (USA 59 %, Frankreich 64 %, Italien 49 %, Großbritannien 79 %).
Andreas Schmid: Das Phänomen der »biolog. Resonanz«. Basis zur Optimierung biolog. Reinigungsstufen (2000);
Daten zur Umwelt (2000 ff.);
Kommunale Kläranlagen. Bemessung, Erweiterung, Optimierung und Kosten, Beitr. von F. W. Günthert u. a. (22001);
Innovation Abwasser. Beispielhafte Projekte aus dem Abwasserbereich, hg. v. A. Gutsch u. a. (2001).
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
Abwasserreinigung: Wie wird reines Wasser gewonnen?
Abwasserreinigung in kommunalen Kläranlagen
biologische Abwasserreinigung: Mikroben reinigen Abwasser
Abwasserreinigung: Was wird aus dem Klärschlamm?
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Ạb|was|ser|rei|ni|gung, die: Reinigung von Abwasser (mithilfe von Kläranlagen, Abwasserteichen o. Ä.).
Universal-Lexikon. 2012.