Zah|lungs|bi|lanz 〈f. 20〉 Gegenüberstellung sämtlicher Zahlungsforderungen u. -verpflichtungen zw. In- u. Ausland
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Zah|lungs|bi|lanz, die (Volkswirtschaft):
zusammengefasste Bilanz über alle zwischen dem In- u. Ausland erfolgten Transaktionen.
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Zahlungsbilanz,
die systematische wertmäßige Aufzeichnung aller ökonomischer Transaktionen, die in einem bestimmten Zeitraum zwischen In- und Ausländern stattgefunden haben. Die Zahlungsbilanz gibt Auskunft über Umfang und Entwicklung der internationalen Verflechtung und hat Bedeutung für die Kontrolle der Zahlungsfähigkeit einer Volkswirtschaft. Die Zahlungsbilanz ist ein Kontensystem, in dem prinzipiell alle Transaktionen doppelt gebucht werden. Da grundsätzlich jeder Leistung (z. B. Warenexport) eine entsprechende Gegenleistung (z. B. Zahlung von Devisen) gegenübersteht, ist die Zahlungsbilanz rechnerisch stets ausgeglichen. In der Zahlungsbilanz als zusammengefasstem Konto aller außenwirtschaftlichen Transaktionen werden alle ökonomische Transaktionen, die zu Zahlungseingängen (Einnahmen) führen (können), auf der Habenseite (Aktivseite) erfasst, alle mit möglichen Zahlungsausgängen (Ausgaben) verbundenen Aktivitäten auf der Sollseite (Passivseite).
Entsprechend der Art der Transaktionen wird die Zahlungsbilanz in der Regel in folgende Teilbilanzen untergliedert: 1) Die Handelsbilanz enthält die Warenströme an das Ausland (Ausfuhr) und die Warenströme vom Ausland (Einfuhr). Dabei werden neben dem Außenhandel (Spezialhandel gemäß Außenhandelsstatistik) auch Ergänzungen (v. a. Lagerverkehr und Absetzungen von Rückwaren) erfasst. 2) In der Dienstleistungsbilanz werden die »unsichtbaren« Exporte und Importe (z. B. Reiseverkehr, Transportleistungen, Transithandel, Finanzdienstleistungen, Patent- und Lizenzgebühren) verbucht. 3) In der Bilanz der Erwerbs- und Vermögenseinkommen werden die Kapitalerträge und die Einkommen aus unselbstständiger Arbeit (»Grenzgängereinkommen«) ausgewiesen. 4) Die Bilanz der laufenden Übertragungen erfasst den Teil der unentgeltlichen Leistungen (z. B. Zahlungen an die EG und andere internationale Organisationen, Heimatüberweisungen ausländischer Arbeitnehmer, grenzüberschreitende Pensions- und Unterstützungszahlungen), die Einfluss auf Einkommen und Verbrauch haben und die nicht, wie die außerhalb der Leistungsbilanz ausgewiesenen Vermögensübertragungen, in erster Linie »nur« das Vermögen der Länder ändern. Die Zusammenfassung dieser vier Teilbilanzen ergibt 5) die Leistungsbilanz (Bilanz der laufenden Posten). Handels- und Dienstleistungsbilanz bilden den Außenbeitrag in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR). Dienstleistungsbilanz, Bilanz der Erwerbs- und Vermögenseinkommen sowie Bilanz der laufenden Übertragungen werden auch als Bilanz der »unsichtbaren« Leistungstransaktionen bezeichnet. Leistungsbilanz und Außenbeitrag werden zur Beurteilung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit eines Landes herangezogen. 6) In der Bilanz der Vermögensübertragungen werden die Transfers erfasst, die zumindest von einer der beteiligten Seiten als »einmalig« betrachtet werden (z. B. Schuldenerlasse, Erbschaften, Schenkungen, Erbschafts- und Schenkungssteuern, bestimmte Investitionszuschüsse sowie Vermögensmitnahmen von Aus- beziehungsweise Einwanderern). Die Teilbilanzen 7) Kapitalbilanz und 8) Veränderung der Währungsreserven (Devisenbilanz), die zum Teil auch gemeinsam unter dem Begriff Kapitalbilanz aufgeführt werden, enthalten alle Transaktionen, bei denen sich grenzüberschreitende Finanzpositionen verändern. Eine bis Ende 1998 übliche, gesonderte Zusammenfassung der Auslandstransaktionen der Zentralbank in einer Position »Veränderung der Auslandsaktiva« findet international seit Anfang 1999 nicht mehr statt. Im Einzelnen werden in der Kapitalbilanz erfasst: die Anlagen von Inländern in der übrigen Welt als Kapitalexport und die Anlagen des Auslandes im Inland als Kapitalimport. Diese Anlagen werden unterschieden in: a) Direktinvestitionen, dazu zählen seit Anfang 1999 Beteiligungen von 10 % und mehr, Anlagen in Grundbesitz sowie bestimmte kurzfristige Finanz- und Handelskredite; b) Wertpapieranlagen (v. a. Dividendenwerte, festverzinsliche Wertpapiere, Investmentzertifikate und Geldmarktpapiere) und c) Kreditverkehr (unterschieden in kurz- und lanfristig) von Kreditinstituten, Unternehmen, Privatpersonen, Staat und Zentralbank. Zu den Veränderungen der Währungsreserven zählen Transaktionen, die den Goldbestand, die Positionen im Internationalen Währungsfonds und die liquiden Forderungen in Fremdwährung gegenüber Gebietsansässigen außerhalb eines Landes oder Währungsraumes verändern.
Vom Prinzip her müssten bei genauer Erfassung sämtlicher Transaktionen die Salden der Leistungs-, der Vermögensübertragungs- und der Kapitalbilanz zusammengenommen genau den Veränderungen der Währungsreserven entsprechen. D. h. eine Zunahme der Währungsreserven müsste genau in dem Maße zu verzeichnen sein, in dem Leistungs-, Vermögensübertragungs- und Kapitalbilanz insgesamt einen Überschuss der Zahlungseingänge über die -ausgänge aufweisen; im umgekehrten Fall müsste sich eine entsprechende Abnahme ergeben. Allerdings ist eine periodengerechte Zuordnung der Transaktionen in der Praxis nicht immer möglich, zudem existieren in allen Teilbilanzen (mit Ausnahme der Veränderung der Währungsreserven) statistischer Erfassungslücken, sodass es erforderlich ist, diese Übereinstimmung durch Einstellung eines »Restpostens« (Saldo der statistisch nicht aufgliederbaren Transaktionen) in die Zahlungsbilanz zu gewährleisten. Die Entwicklung dieses Restpostens gibt zudem Aufschluss über die Terms of Payment einer Volkswirtschaft (Zahlungsbedingungen oder -gewohnheiten im internationalen Zahlungsverkehr). Da in der Zahlungsbilanz ausschließlich Transaktionen dargestellt werden, ergibt sich die Veränderung der Währungsreserven zu Transaktionswerten.
Obwohl die Zahlungsbilanz rechnerisch stets ausgeglichen ist (d. h. die Summe der Salden aus Leistungsbilanz, Bilanz der Vermögensübertragungen, Kapital- und Devisenbilanz ist unter Berücksichtigung des Restpostens null), wird dennoch von Zahlungsbilanz-Ungleichgewichten (Zahlungsbilanzüberschuss oder aktiver Zahlungsbilanz beziehungsweise Zahlungsbilanzdefizit oder passiver Zahlungsbilanz) gesprochen. Dies kann sich aber nur auf Teilbilanzen beziehen. Regel ist, dass die Situation der Zahlungsbilanz am Devisenbilanzsaldo festgemacht wird, d. h. ein positiver Saldo wird als aktive Zahlungsbilanz (Zahlungsbilanzüberschuss), ein negativer Saldo als passive Zahlungsbilanz (Zahlungsbilanzdefizit) bezeichnet. Die ökonomische Beurteilung der Salden der Teilbilanzen der Zahlungsbilanz muss die Ursachen ihrer Entstehung berücksichtigen. Ein Defizit in der Leistungsbilanz, das durch anhaltend hohe Konsumgütereinfuhren zustande kommt, könnte ein Land in Schwierigkeiten führen, weil es »über seine Verhältnisse« lebt. Sind dagegen hohe Investitionsgütereinfuhren Ursache des Leistungsbilanzdefizits, kann damit eine Beschleunigung des Wirtschaftswachstums und eine Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit des Landes verbunden sein. Hinter Defiziten in der Kapitalbilanz kann Kapitalflucht aus einem Land stehen oder sie sind Ausdruck einer starken Sparkraft einer Volkswirtschaft und des Strebens der Unternehmen, durch Direktinvestitionen ihre Präsenz an den Weltmärkten zu verbessern. Wegen dieser Abhängigkeit der Einschätzung der Salden von ihren Ursachen lässt sich eine bestimmte Saldenkonstellation in den Teilbilanzen nicht für sich genommen als »Ungleichgewicht« oder »Gleichgewicht« einer Zahlungsbilanz kennzeichnen. In diesem Sinne ist auch das gesamtwirtschaftliche Ziel eines außenwirtschaftlichen Gleichgewichts zu relativieren. Gleichwohl sind aus den verschiedenen Teilbilanzen der Zahlungsbilanz Informationen über die Verflechtung der heimischen Volkswirtschaft mit dem Ausland, den Grad der Einbeziehung in die Weltwirtschaft und über strukturelle Entwicklungen der internationalen Transaktionen im Zeitverlauf zu entnehmen. Die Zahlungsbilanz dient somit den Trägern der Wirtschaftspolitik als Orientierungshilfe, da wirtschaftspolitische Maßnahmen häufig durch die Zahlungsbilanzsituation bedingt beziehungsweise beeinflusst werden. Zahlungsbilanzpolitik ist insofern Teil der geld-, währungs-, außenwirtschafts-, konjunktur- und stabilitätspolitischen Maßnahmen, während die Analyse bestimmter Konstellationen der verschiedenen Teilbilanzen, deren Auswirkungen auf zentrale gesamtwirtschaftliche Größen wie Preise, Volkseinkommen und Beschäftigung sowie die Analyse von Anpassungsprozessen (Zahlungsbilanztheorie) Teil der Theorie der Außenwirtschaft ist.
Die langfristige Entwicklung der deutschen Zahlungsbilanz ist dadurch gekennzeichnet, dass die Leistungsbilanz überwiegend mit positiven Salden abgeschlossen hat. Ausnahmen waren die Jahre 1979-81 nach dem zweiten Ölpreisschock sowie die Jahre nach 1990 im Gefolge der Vereinigung Deutschlands. Dabei hat die deutsche Handelsbilanz seit 1952 durchweg (zum Teil erhebliche) Überschüsse ausgewiesen, während die Dienstleistungsbilanz u. a. wegen der stark angestiegenen Ausgaben im Reiseverkehr bereits seit Mitte der 60er-Jahre defizitär ist. Auch die Übertragungsbilanzen, v. a. die Bilanz der laufenden Übertragungen, sind seit 1953 immer durch negative Salden geprägt. Die Kapitalbilanz ist dagegen durch starke Schwankungen gekennzeichnet, wobei im langfristigen Durchschnitt ein deutlicher Nettokapitalexport zu verzeichnen ist, das Inland also per Saldo Forderungen gegenüber dem Ausland erworben hat. Im Leistungsverkehr überwiegen per Saldo die Devisenzuflüsse, im Kapitalverkehr dagegen die Devisenabflüsse. Da die Devisenzuflüsse vom Betrag her im Durchschnitt die Devisenabflüsse übertrafen, sind die Währungsreserven langfristig stark gestiegen, d. h. in der Mehrzahl der Fälle übertrafen die positiven Devisenbilanzsalden die negativen.
Die Z.-Statistik der Bundesrep. Dtl., hg. v. der Dt. Bundesbank (21990, Nachdr. 1992);
M. Willms: Internat. Währungspolitik (21995);
M. Neumann: Theoret. Volkswirtschaftslehre, Bd. 1: Makroökonom. Theorie: Beschäftigung, Inflation u. Z. (51996).
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
Außenwirtschaft: Außenwirtschaftliches Gleichgewicht
Zahlungsbilanz: Grundlagen
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Zah|lungs|bi|lanz, die (Volkswirtschaft): zusammengefasste Bilanz über alle zwischen dem In- und Ausland erfolgten Transaktionen: Der Überschuss in der Z. kletterte von 2,3 auf 11,4 Mrd. $ (Handelsblatt 10. 8. 99, 3).
Universal-Lexikon. 2012.