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Zwang
Order; Diktat; Befehl; Anweisung; Weisung (fachsprachlich); Muss; Bedingung; Erforderlichkeit; Auflage

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Zwang [ts̮vaŋ], der; -[e]s, Zwänge ['ts̮vɛŋə]:
1. zwingende Notwendigkeit, Pflicht:
physischer Zwang; Zwang auf jmdn. ausüben; jmdm. Zwang auferlegen; seine Kinder mit, ohne Zwang erziehen; es besteht kein Zwang zur Teilnahme; unter dem Zwang der Verhältnisse verkaufte er das Haus; etwas nur aus Zwang tun.
Syn.: Diktat, 1 Druck, Gewalt, Terror.
Zus.: Abstimmungszwang, Impfzwang, Kaufzwang, Konsumzwang, Leistungszwang, Meldezwang, Verzehrzwang.
2. das Sich-gezwungen-Fühlen (zu einem bestimmten Verhalten), Beschränkung der Handlungsfreiheit:
unter einem moralischen, inneren Zwang stehen; seinen Gefühlen, sich keinen Zwang antun, auferlegen (sich frei und ungezwungen benehmen, verhalten).
3. die Handlungsfreiheit einschränkender Umstand:
wirtschaftliche, biologische, technische Zwänge; der Zwang zur Kürze, Selbstbehauptung; unter dem Zwang der Verhältnisse stimmte er schließlich doch zu.

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zwạngzwingen

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zwạng :
zwingen.

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Zwang
 
[althochdeutsch thwanga, zu twingen, dwingan, eigentlich »zusammendrücken«, »einengen«],
 
 1) allgemein: äußere und/oder innere, physische oder psychische Nötigung zu Handlungen oder Denkinhalten, die nicht mit der freien Entscheidung einer Person übereinstimmen.
 
 2) Psychiatrie, Psychologie: Bezeichnung für bestimmte, meist mit negativen Gefühlseindrücken (Angst, Furcht) verbundene Gedanken, Vorstellungen, Impulse und Handlungen, die sich bei erhaltener Selbstwahrnehmung trotz Einsicht in ihre objektive Unsinnigkeit unabweisbar und stereotyp dem Bewusstsein aufdrängen. Vom Wahn unterscheiden sich Zwänge durch das erhaltene Realitätsbewusstsein. Dabei erscheint der Zwang als Einengung oder Verlust der freien Möglichkeit, die eigenen Antriebe zu lenken.
 
Hauptformen sind die zwanghaften (anankastischen) Verhaltensweisen bei psychasthen. Persönlichkeiten (z. B. Pedanterie, Geiz), Zwangsvorstellungen und Zwangsgedanken (Zähl-, Lese-, Denkzwang, überwertige Gedanken, Iteration, d. h. Wiederholen von Worten, Melodien), Zwangshandlungen (wie Waschzwang aufgrund der Vorstellung des Beschmutztseins), Kontrollzwang (wiederholtes, »ritualhaftes« Überprüfen von Handlungen wie das Schließen von Türen, Fenstern, Gas- und Wasserhähnen), Zwangsimpulse (in der Regel nicht ausgeführte Tötungs-, Verletzungs-, Beschädigungswünsche). Leitsymptome bilden die Zwänge bei Zwangsneurosen; sie kommen sonst bei endogenen Depressionen, Angstkrankheiten, Persönlichkeitskrisen, zum Teil bei Schizophrenie und organischen Hirnerkrankungen vor.
 
 3) Sozialwissenschaften: die Gesamtheit soziokultureller Kräfte, mit denen einzelne Menschen, soziale Gruppen und ganze Gesellschaften auf das Verhalten Einzelner oder von Gruppen Einfluss nehmen und sie durch Androhung psychischer oder physischer Gewalt oder anderer Sanktionen zu einem bestimmten Verhalten bewegen. Auch wenn der Begriff Zwang nicht eindeutig gegenüber vergleichbaren Einflussfaktoren und -mitteln wie Kontrolle, Gewalt, Macht oder Einfluss abgegrenzt werden kann, zeichnet er sich doch v. a. dadurch aus, dass die betroffene Person oder Gruppe keine eigenständige Alternative zu dem erzwungenen Verhalten ausbilden kann. Es handelt sich also bei Zwängen um eine einseitige, nichtreziproke Beziehung. I. Allgemein werden verschiedene Formen des sozialen Zwangs unterschieden: neben dem »stummen Zwang ökonomischer Verhältnisse« (K. Marx), also dem nachhaltigen Einfluss gesellschaftlicher und ökonomischer Faktoren, die in einer Gesellschaft vorhandenen und herrschenden Werte und Normen, die als »determinierender Zwang« die Vorstellungen und Handlungen der Menschen beeinflussen (É. Durkheim) und z. B. über den Prozess der Sozialisation vermittelt werden. Dort, wo die Handhabung von Zwang mit den Möglichkeiten einer Ausübung von Macht durch Gruppen oder Organisationen verbunden ist, lässt sich von institutionellem oder kollektivem Zwang sprechen. Verbunden mit einer Machtposition kann Zwang auch ganz bewusst ausgeübt werden, indem normative Erwartungen restriktiv formuliert und Einzelne gegen ihren Willen zu einem bestimmten Verhalten gedrängt werden. Sowohl die Bedeutung des Zwangs für den Zusammenhalt von Gesellschaftssystemen als auch die mögliche Legitimität von Zwang sind umstritten.
 
Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie v. a. auch in den folgenden Artikeln:
 
Autorität · Gewalt · Herrschaft · Kontrolle · Sanktion
 
Literatur:
 
R. Dahrendorf: Elemente einer Theorie des sozialen Konflikts, in: R. Dahrendorf: Gesellschaft u. Freiheit (11.-14. Tsd. 1965);
 H. J. Krysmanski: Soziologie des Konflikts (19.-21. Tsd. 1977);
 H. P. Dreitzel: Die gesellschaftl. Leiden u. das Leiden an der Gesellschaft (31980);
 É. Durkheim: Die Regeln der soziolog. Methode (a. d. Frz., Neuausg. 31995).

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Zwạng, der; -[e]s, Zwänge [mhd. zwanc, dwanc, twanc, ahd. thwanga (Pl.), zuzwingen u. eigtl. = das Zusammenpressen, Drücken]: a) Einwirkung von außen auf jmdn. unter Anwendung od. Androhung von Gewalt: körperlicher Z.; der Z. der Gesetze; Z. auf jmdn. ausüben; jmdm. Z. auferlegen; den Z. nicht länger ertragen können; sich gegen den Z. auflehnen; seine Kinder mit, ohne Z. erziehen; unter einem fremden Z. handeln, zu leiden haben; alles (= was er sagte) kam wie unter dem Z. eines fremden Befehls (Frisch, Stiller 172); b) starker Drang in jmdm.: Ein ihr selbst unbegreiflicher innerer Z. kettete sie an diesen ... Mann (Musil, Mann 43); Sie gähnen, ... weil ein schwer zu bekämpfender Z. Sie gähnen lässt (Natur 76); Gleichzeitig spürte ich einen so heftigen Z., meine Blase zu entleeren, dass ... (Thorwald, Chirurgen 36); c) Beschränkung der eigenen Freiheit u. Ungeniertheit, mit der sich jmd. anderen gegenüber äußert: sich, seiner Natur Z. auferlegen; Der Dr. Matthäi ... tat sich keinen Z. mehr an, legte die widerwärtige, feierliche Sanftmut ab (Feuchtwanger, Erfolg 391); tun Sie sich [nur] keinen Z. an (lassen Sie sich durch nichts zurückhalten); Ü einem Begriff, Text Z. antun (ihn den eigenen Ansichten entsprechend deuten, auslegen); d) starker Einfluss, dem sich jmd. nicht entziehen kann: der Z. seiner Persönlichkeit; ... wie unser Blick immer wieder von diesem Versteckten ... angezogen wird ... Es ist fast wie ein hypnotischer Z. (Thielicke, Ich glaube 139); jmds. Z. erliegen; e) von gesellschaftlichen Normen ausgeübter Druck auf menschliches Verhalten: sozialer Z.; der Z. der Konvention, der Mode; bürgerliche, gesellschaftliche Zwänge; die Zwänge der Zivilisation; es besteht kein Z. (keine Verpflichtung), etwas zu kaufen; aus einem gewissen Z. heraus handeln; f) Bestimmung der Situation in einem Bereich durch eine unabänderliche Gegebenheit, Notwendigkeit: wirtschaftliche, biologische, technische Zwänge; Uns redet keiner in den Spielplan, aber die Zwänge der Tarifverträge bestimmen indirekt die Spielpläne (NJW 19, 1984, 1089); der Z. zur Kürze, Selbstbehauptung; Denn unter dem Z. der Verhältnisse löste sie (= die Verlobung) sich wieder auf (Th. Mann, Krull 64); g) (Psych.) das Beherrschtsein von Vorstellungen, Handlungsimpulsen gegen den bewussten Willen: für den neurotischen Z. ..., der es dem Ich später unmöglich machen wird, die Sexualfunktion zu beherrschen (Freud, Abriß 61); Patienten mit Wasch-, Kontroll- oder sonstigen [krankhaften] Zwängen; unter einem Z. leiden.

Universal-Lexikon. 2012.