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Ri|tus 〈m.; -, Ri|ten〉
1. religiöser Brauch, Kulthandlung; Sy Ritual (2)
2. Gesamtheit der Bräuche bei einem Gottesdienst
[lat.]
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Ri|tus, der; -, …ten [lat. ritus]:
2. Brauch, Gewohnheit bei feierlichen Handlungen.
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Ritus
[lateinisch] der, -/...ten,
1) christliche Liturgiegeschichte: die Gesamtheit aller gottesdienstlichen Handlungen, Texte, Zeichen und Gebärden, wie sie sich in einer bestimmten geographischen oder personenbezogenen Einheit in einer bestimmten geschichtlichen Entwicklung ausgeformt haben und nach einer im Gebiet des jeweiligen Ritus allgemein gültigen Ordnung vollzogen werden. In diesem Sinne entwickelten sich in der frühen Kirche - v. a. ab dem 4. Jahrhundert und zuerst in Ägypten - verschiedene Riten, die für bestimmte Formen des Christentums charakteristisch wurden: 1) der alexandrinische Ritus, der in den Städten Ägyptens ursprünglich griechisch, auf dem Lande koptisch gefeiert wurde. Aus ihm hat sich auch die äthiopische Liturgie entwickelt. 2) der antiochenische Ritus, der zunächst stark von Jerusalem und Syropalästina her beeinflusst war und sowohl in aramäischer Volkssprache wie in Griechisch gefeiert wurde. Aus ihm entwickelte sich für die Christen in Mesopotamien der ostsyrische (»persische«) Ritus, der um 650 kodifiziert wurde. Verwandt mit dem griechisch-antiochenischen Ritus ist der Ritus Westsyriens. Eine Sonderentwicklung ist der Ritus der Maroniten (westsyrisch mit ostsyrischen Einflüssen). 3) der römische Ritus, der ursprünglich in griechischer Sprache, seit Papst Damasus I. (366-384) aber lateinisch gefeiert wurde (lateinischer Ritus) und auf das Gebiet unmittelbar um Rom beschränkt war, sich später auf Mittel- und Süditalien sowie Nordafrika ausdehnte, während Norditalien (Mailand, Ravenna, Aquileja) eigenständige Riten behielt, und schließlich für die lateinische Kirche maßgebend wurde. 4) der gallikanische Ritus, der, römisch und alexandrinisch beeinflusst, starke lokale Besonderheiten aufweist. 5) der mozarabische Ritus (mozarabische Liturgie), der in Spanien v. a. im 7. Jahrhundert seine Ausprägung erfuhr und unter der maurischen Herrschaft weiter praktiziert wurde. 6) der keltische Ritus, der in Irland, Schottland und bei der keltischen Bevölkerung Britanniens gefeiert wurde. Er zeigt gallikanische, spanische, aber auch koptische Einflüsse.
In den westlichen Kirchen fand ab dem 8. Jahrhundert eine radikale Vereinheitlichung der Riten statt: Teilweise mit Gewalt wurde der lateinische Ritus in England und im karolingischen Herrschaftsbereich gegen die angestammten Riten durchgesetzt, wobei allerdings Elemente aus diesen Aufnahme fanden. Die zentralistischen Bestrebungen im Zuge der gregorianischen Reform setzten dann diesen römischen Ritus (eigentlich ein römisch-fränkischer Mischritus) im ganzen Abendland (mit Ausnahme von Teilen des ambrosianischen Ritus in Mailand) durch, was durch das Konzil von Trient noch einmal bekräftigt wurde.
In den Ostkirchen ist eine ähnliche Vereinheitlichung der Riten nicht eingetreten. Allerdings blieben die alten orientalischen Riten nach den Trennungen zwischen der orthodoxen Kirche und den orientalischen Kirchen ab dem 5. Jahrhundert zunehmend auf die Letzteren beschränkt, während im orthodoxen Bereich der byzantinische Ritus mehr und mehr dominierte. Er stellt eine Weiterentwicklung der unter stärkstem Einfluss des antiochen. Ritus ausgeformten Stadtliturgie von Byzanz dar, wobei die monastische Tradition des Studionklosters eine ebenso große Rolle spielt wie die Kathedralordnung der Hagia Sophia. Im 12. Jahrhundert übernahmen die zur Reichskirche gehörenden Gemeinden der Patriarchate Antiochia und Alexandria den byzantinischen Ritus. Da ihm heute nahezu alle orthodoxen Kirchen - darunter auch die zahlenmäßig starken slawischen Kirchen Südost- und Osteuropas - folgen, ist er nach dem römischen Ritus der weltweit verbreitetste christliche Ritus. Eng mit ihm verwandt ist der armenische Ritus. Weil die unierten Ostkirchen im Wesentlichen ihren angestammten Ritus beibehalten haben, gibt es von jedem der orientalischen Riten auch eine unierte Form, die durch eine gewisse Latinisierung gekennzeichnet ist.
Nach katholischem Kirchenrecht sind die verschiedenen Riten ein Gliederungsprinzip der römisch-katholischen Gesamtkirche, d. h., Ritus bezeichnet eine Teilgemeinschaft der katholischen Kirche mit eigener Liturgie und Kirchenverfassung sowie mit einer hierarch. Spitze, durch die sie mit dem Papst verbunden ist. Die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Ritus, d. h. zum Ritus der lateinischen Kirche oder einem der Riten der mit Rom unierten Ostkirchen, wird in der Regel durch die Taufe in der betreffenden Teilkirche bestimmt. Ein Rituswechsel ist damit eine hoheitliche Umgliederung und umschließt die Entlassung aus dem bisherigen und die Aufnahme in den anderen Hoheitsverband der katholischen Kirche. Daher kennt das katholische Recht das Prinzip der strengen Ritusbindung: Eine Änderung der Rituszugehörigkeit soll die Ausnahme bleiben und bedarf - außer in den Sonderfällen der Eheschließung - der Zustimmung der vatikanischen Behörde.
2) Religionswissenschaft: Ritual, kultischer Handlungsablauf (Worte, Gesten, Handlungen), der mit religiöser Zielsetzung (Umgang mit dem Numinosen) in seinen Bestandteilen genau festgelegten Regeln folgt (Zeremonien) und deshalb, weitgehend unabhängig von räumlichen oder zeitlichen Umständen, als identisch wiederholbar erscheint. Riten finden sich besonders im Zusammenhang mit wichtigen Lebenszäsuren (Rites de Passage), im Kult und bei ekstatischen Praktiken. In manchen Religionen wird das Einhalten ritueller Regeln als unbedingt notwendig für die Gültigkeit eines kultischen Aktes oder sogar als heilsnotwendig betrachtet. Riten erwachsen aus der Tradition und bedürfen, um über ihre Ursprungssituation hinaus als sinnvoll erfahren zu werden, der theologischen Deutung und Vertiefung. Die Überlieferung der Riten ursprünglich mündlich, später auch schriftlich (Ritualbücher) - ist oft auf die Priester beschränkt oder mit Geheimhaltung verbunden.
Myth and ritual, hg. v. S. H. Hooke (London 1933);
S. Mowinckel: Religion u. Kultus (a. d. Norweg., 1953);
W. E. Mühlmann: R., in: Die Religion in Gesch. u. Gegenwart, hg. v. K. Galling u. a., Bd. 5 (Neuausg. 1986).
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Ri|tus, der; -, ...ten [lat. ritus]: 1. hergebrachte Weise der Ausübung einer Religion; ↑Ritual (1 b). 2. Brauch, Gewohnheit bei feierlichen Handlungen: ein Knabe, noch nach altem R. beschnitten ... (Fischer, Wohnungen 20); Ü Alles hatte seine festgelegte Ordnung, seinen eingefahrenen R. (Müthel, Baum 227); wenn sie hörte, dass ihr Mann das Gartentor schloss, trat sie ans Fenster, hob lächelnd die Hand, das war R. (Loest, Pistole 221).
Universal-Lexikon. 2012.