Süd|ti|rol; -s:
1. südlich des Brenners gelegener Teil Tirols, Gebiet der Provinz Bozen in der norditalienischen Region Trentino-Südtirol.
2. (Geschichte) (seit 1919 zu Italien gehörender) Teil des österreichischen Kronlandes Tirol.
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Südtirol,
italienisch Ạlto Adige [- 'aːdidʒe], 1948-72 amtliche deutsche Bezeichnung Tiroler Ẹtschland, südlich des Brenners gelegener Teil der ehemaligen Grafschaft Tirol; entspricht der italienischen Provinz Bozen innerhalb der autonomen Region Trentino-Südtirol; 7 400 km2, 450 300 Einwohner. Südtirol hat im Westen, Norden und Nordosten Anteil an den zum Teil vergletscherten Massiven der kristallinen Zentralzone der Alpen (Ortlergruppe, Ötztaler, Stubaier und Zillertaler Alpen, Venediger-, Riesenfernergruppe, Defereggengebirge), im Osten und Süden erstrecken sich die mesozoischen Kalke und Mergel der Dolomiten; im Zentrum Südtirols liegen die Sarntaler Alpen mit dem Bozner Quarzporphyrmassiv (im Süden). Die Gebirge werden durch die tief eingeschnittenen, zum Teil durch Gletscher überformten Täler der Etsch (oberster Abschnitt: Vintschgau) und des Eisack und ihrer Nebenflüsse (u. a. der Rienz mit dem Pustertal) voneinander getrennt und gegliedert. Die trockenwarmen Talungen unterhalb etwa 800 m über M. sind Standorte eines intensiven, exportorientierten Wein- (Südtiroler Weine) und Obstbaus (auf 16 000 ha; Ernte rd. 600 000 t Obst, zu 98 % Äpfel), begünstigt durch die Verkehrserschließung (v. a. Brennerlinie); Getreide-, Hackfrucht- und Gemüsebau treten dagegen zurück. Infolge der Einwanderung von Italienern und von Industrialisierung und Fremdenverkehr wurde die Besiedlung stark verdichtet. Auch in den höheren Lagen ist - neben der hier vorherrschenden Vieh- und Waldwirtschaft - der Sommer- und Wintertourismus wichtige Lebensgrundlage geworden. Der überwiegende Teil der ländlichen Bevölkerung spricht Deutsch als Muttersprache, in den größeren Städten (Bozen, Meran, Brixen, Leifers) ist die Mehrheit italienischsprachig. Ladinische Volksgruppen leben im Grödner Tal und im Gadertal. Bei der Volkszählung 1991 gaben 68,0 % der Bevölkerung Deutsch als Muttersprache an, 27,6 % Italienisch und 4,4 % Ladinisch. - 1998 wurde die Gründung der Freien Universität Bozen beschlossen.
Die ladinische Urbevölkerung wurde um Christi Geburt von den über die Alpen drängenden Römern romanisiert. Im 6./7. Jahrhundert überschritten die Baiern den Brennerpass und siedelten im heutigen Südtirol (Nachweis bajuwarischer Gräber in Säben für die Zeit um 600). Die politische Ausdifferenzierung des Landes Tirol begann in den Landesteilen südlich des Brenners und erreichte unter den Meinhardinern einen Höhepunkt. Kaiser Maximilian I. erwarb 1500 nach dem Aussterben der Grafen von Görz das Pustertal und gewann im Krieg gegen Venedig 1515 die Gebiete bis zum Gardasee und bis Ala im Etschtal (»Welschtirol«). Diese Südgrenze Tirols bestand bis 1918. Unter Napoleon I. wurde das Gebiet südlich von Klausen und Meran als besonderer Bezirk (Dipartimento Alto Adige) vorübergehend dem »Königreich Italien« angegliedert, fiel aber 1814 an Österreich zurück.
Im geheimen Londoner Vertrag, mit dem Italien 1915 an der Seite der Entente in den Krieg gegen die Mittelmächte eintrat, wurde ihm Südtirol bis zum Brenner versprochen. Im Friedensvertrag von Saint-Germain-en-Laye (1919) musste Österreich dieses Gebiet (Einwohner zu 3 % Italiener) an Italien abtreten. Entgegen den 1919/20 gegebenen Autonomieversprechungen wurde Südtirol als Provinz Venezia Tridentina (1926 aufgeteilt in die Provinzen Bozen und Trient) dem zentralistischen italienischen Staat eingegliedert. Nach 1918 engte sich der Begriff »Südtirol« auf das mehrheitlich deutschsprachige Gebiet zwischen Brenner und Salurner Klause ein. Gegen die deutschsprachige Bevölkerungsmehrheit der Provinz Bozen betrieb die faschistische Regierung eine entschlossene Italienisierungspolitik (Aufhebung des deutschen Höferechts, Unterdrückung der deutschen Sprache und der deutschsprachigen Schule, Tilgung der deutschen Ortsnamen, forcierte Ansiedlung italienischer Familien und Unternehmen). Nach dem Anschluss Österreichs an Deutschland (März 1938) suchte Hitler in Zusammenhang mit seiner Bündnispolitik das Südtirol-Problem im Einvernehmen mit der faschistischen italienischen Regierung zu lösen: Am 23. 6. 1939 wurde der »Optionsvertrag« geschlossen (mit Durchführungsabkommen vom 21. 10. 1939); in ihm erhielten die Südtiroler deutsche Volkszugehörigkeit das Optionsrecht für die deutsche Staatsangehörigkeit, mit dem die Auswanderung aus Südtirol verbunden sein sollte. Von den 245 000 Abstimmungsberechtigten optierten etwa 210 000 für Deutschland, wegen des Krieges wurden jedoch bis 1942 nur etwa 75 000 Personen umgesiedelt.
Nachdem die 1945 wieder errichtete Republik Österreich auf der Pariser Friedenskonferenz mit Italien (1946) vergeblich die Rückgabe der Provinz Bozen gefordert hatte, sagte Italien der deutschsprachigen Bevölkerung von Südtirol (Südtiroler) im Gruber-De-Gasperi-Abkommen (5. 9. 1946 zugleich Annex IV des italienisch-alliierten Friedensvertrages von 1947) kulturelle Rechte sowie territoriale Gesetzgebungs- und Verwaltungsautonomie zu. Die Bestimmungen wurden jedoch von der italienischen Regierung unterlaufen, indem sie das Autonomiestatut vom 29. 1. 1948 auf die aus den Provinzen Trient und Bozen neu geschaffene Region Trentino-Alto Adige, in der die deutschsprachigen Südtiroler die Minderheit bildeten, anwandte. In der Folge kam es in der mehrheitlich deutschsprachigen Provinz Bozen zu großer Unzufriedenheit (bis hin zu Gewaltaktionen), in der Region zu ständigen Spannungen. Schließlich wurden Italien und Österreich durch UN-Resolutionen 1960 und 1961 zur einvernehmlichen Lösung aufgefordert. Ergebnis langwieriger Verhandlungen zwischen der Landesregierung in Bozen und der italienischen Staatsregierung sowie auf internationaler Ebene zwischen Italien und Österreich war das »Südtirol-Paket«, das von der maßgeblichen politischen Kraft Südtirols, der Südtiroler Volkspartei (SVP) unter ihrem Vorsitzenden S. Magnago im November 1969 gebilligt wurde. Wesentlichster Bestandteil des Südtirol-Pakets war die Neuordnung der Autonomie der jetzt »Trentino-Südtirol« genannten Region; das entsprechende neue Statut wurde 1971 verfassungsgesetzlich niedergelegt (wirksam ab 1972). Von den Durchführungsbestimmungen war v. a. die Gleichstellung der deutschen und italienischen Sprache vor Gericht und in der Verwaltung am meisten umstritten, auch die Einklagbarkeit der Autonomierechte vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag wurde gesondert vereinbart (Note der italienischen Regierung an Österreich vom 22. 4. 1992). Nach endgültiger Zustimmung der SVP und des österreichischen Nationalrats übergab Österreich am 11. 6. 1992 der italienischen Regierung in einer Note die Erklärung über die Streitbeilegung, mit der der Konflikt völkerrechtlich beendet wurde. Die Noten vom 22. 4. und 11. 6. 1992 wurden bei den Vereinten Nationen hinterlegt.
P. Herre: Die Südtiroler Frage (1927);
C. F. Latour: S. u. die Achse Berlin-Rom 1938-1945 (1962);
G. Eisermann: Die dt. Sprachgemeinschaft in S. (1981);
A. Pixner: Industrie in S. (ebd. 1983);
W. Freiberg: S. u. der ital. Nationalismus. Entstehung u. Entwicklung einer europ. Minderheitenfrage, hg. v. J. Fontana, 2 Tle. (Innsbruck 1-21990-94);
Baudenkmäler in S., hg. vom Landesdenkmalamt Bozen (Bozen 1991);
E. Kühebacher: Die Ortsnamen S.s u. ihre Gesch. (ebd. 1991);
B. Lammerer: Wege durch Jahrmillionen. Geolog. Wanderungen zw. Brenner u. Gardasee (21991);
Verspielte Selbstbestimmung? Die S.-Frage 1945/46 in US-Geheimdienstberichten u. österr. Akten, hg. v. M. Gehler (Innsbruck 1996);
R. Steininger: S. im 20. Jh. (Innsbruck 1997);
Die S.-Frage vor den Vereinten Nationen, hg. v. A. von Egen (1997).
Zeitschrift: Der Schlern. Monats-Ztschr. für Südtiroler Landeskunde (Bozen 1920 ff.).
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Süd|ti|rol, -s: 1. südlich des Brenners gelegener Teil Tirols, Gebiet der Provinz Bozen in der norditalienischen Region Trentino-Südtirol. 2. (hist.) (seit 1919 zu Italien gehörender) Teil des österreichischen Kronlandes Tirol.
Universal-Lexikon. 2012.