Industriebauten,
bauliche Anlagen von industriellen Produktions- und Forschungsstätten mit den dazugehörigen Verwaltungs- und Sozialbauten, von Lagerhallen, technischen Großbauten wie Hochöfen, Schornsteinen, Fördertürmen, Silos und Tanks. Industriebauten wurden in Großbritannien und Frankreich seit dem 18. Jahrhundert, im übrigen Europa und in den USA seit dem 19. Jahrhundert errichtet. Frühe Industriebauten sind von Formen des städtischen Bürgerhauses, des Landsitzes, des Kirchen- oder des Schlossbaus beeinflusst. Im Laufe des 19. Jahrhunderts setzte sich der kastenförmige Geschossbau durch, der oft mit einer historisierenden Fassadenverkleidung versehen wurde. Für die Schwerindustrie entstanden auch Hallenbauten. Erst allmählich begann man, die Gebäude dem Produktionsablauf anzupassen. Im Sinne einer künstlerischen und formalen Bewältigung des Industriebaus als Funktionseinheit stehen am Beginn des modernen Industriebaus in Deutschland die AEG-Turbinenhalle in Berlin von P. Behrens (1909) und - im Zusammenhang mit der Gründung des Deutschen Werkbundes - die Deutschen Werkstätten in Hellerau von R. Riemerschmid (1909), ferner das Faguswerk in Alfeld (Leine) von W. Gropius (1911-14), der Wasserturm in Posen (1911) und die Chemische Fabrik Lubau (1911-12) von H. Poelzig. Wichtig wurde der Beitrag des Bauhauses, besonders im Hinblick auf seine progressive Einstellung gegenüber neuen technischen Möglichkeiten, neuen Baustoffen (Stahlbeton) und neuen Bauverfahren, die v. a. durch die Normierung und Vorfertigung einzelner Bauteile und die Skelettbauweise unter reicher Verwendung von Glasflächen dem Industriebau neue Dimensionen eröffneten. Industriebauten waren für Behrens noch »Arbeitstempel«, für seinen Schüler Gropius »reine Technikform«, die man mit Kunstform überblenden müsse. Die Materie sollte mit einer »geistigen Idee durchtränkt« werden (Curtainwall). Neben einem werbewirksamen Erscheinungsbild sind heute für den Industriebau v. a. die Forderung nach Einpassung in die Landschaft und Berücksichtigung des Umweltschutzes maßgebend. Zu den vorbildlichen Industriebauten des 20. Jahrhunderts in Europa und den USA gehören der Schlachthof in Lyon von T. Garnier (1909-13), die Fiatwerke in Turin von G. M. Trucco (1919-26), die Tabakfabrik Van Nelle in Rotterdam von J. A. Brinkman, L. C. van der Vlugt und M. Stam (1926-30), die chemische Fabrik der Firma Boots in Beeston (County Nottinghamshire) von E. O. Williams (1930-32), das General Motors' Technical Center in Warren (Michigan) von Eero und Eliel Saarinen (1948-59), das Fabrikgebäude der Johnson Wax Company in Racine (Wisconsin) von F. L. Wright (1949-51), das Richards Medical Research Building der University of Pennsylvania in Philadelphia von L. I. Kahn (1957-64), das Olivetti-Ausbildungszentrum in Haslemere (County Surrey) von J. Stirling (1969-72), das Industriewerk Leybold AG in Alzenau i. UFr. von Behnisch & Partnern (1987 vollendet), das Druckereigebäude »Financial Times« in London von N. Grimshaw (1987-88), das Verlagshaus von Gruner + Jahr AG & Company in Hamburg von Otto Steidle und Uwe Kiessler (1987-90), die Verwaltungs-, Produktions- und Lagergebäude der Firma B. Braun AG in Melsungen von J. Stirling, Michael Wilford, Walter Nägeli (1990-92), das Zentrum für Kommunikation und Technologie in Bad Oeynhausen von F. O. Gehry (1991-95).
W. Henn: I., 4 Bde. (1-21961-66);
A. Behne: Der moderne Zweckbau (Neuausg. 1964);
O. W. Grube: I. international (1971);
E. Neufert: I. (1973);
Industriearchitektur in Europa, hg. v. C. Schulitz (1986);
K. Weller: Industrielles Bauen (1986);
Der steinerne Prometheus. Industriebau u. Stadtkultur, hg. v. A. Beaugrand u. a. (1989);
Industriebau Europa Japan USA, hg. v. D. Sommer (Basel 1991);
Industriebau, hg. v. K. Ackermann, Ausst.-Kat. Univ. Stuttgart, Institut für Entwerfen u. Konstruieren (41994);
Universal-Lexikon. 2012.