O'Neill
[əʊ'niːl], Eugene Gladstone, amerikanischer Dramatiker, * New York 16. 10. 1888, ✝ Boston (Massachusetts) 27. 11. 1953; Sohn eines populären Schauspielers, der mit seiner Familie ein unruhiges Wanderleben führte; nach Abbruch des Studiums an der Princeton University (1906/07) war O'Neill Goldsucher, Seemann, Reporter, Schauspieler. 1912/13 physischer Zusammenbruch und Aufenthalt in einem Lungensanatorium, wo seine ersten Stücke entstanden. 1914-15 Studium der Dramaturgie an der Harvard University, ab 1916 Kontakt zu Theatergruppen wie den Provincetown Players und der Theatre Guild, die seine frühen Einakter aufführten. Lebte trotz großer Erfolge zurückgezogen, in den letzten Jahren seines Lebens schwer krank. 1936 erhielt er den Nobelpreis für Literatur. - Beeinflusst von F. Nietzsche, A. Strindberg und F. M. Dostojewskij entwarf O'Neill in seinen Stücken eine »tragische Biographie« seiner Zeit. In seinem Bemühen, zu menschlichen Grundkonflikten vorzustoßen, schuf er ein pessimistisches Bild der Moderne, das v. a. durch die vergeblichen Versuche der Menschen gekennzeichnet ist, durch illusionäre Hoffnungen Rettung vor Entfremdung und Selbstzerstörung zu finden (»The iceman cometh«, 1940; deutsch »Der Eismann kommt«). Sein frühes Stück, »The hairy ape« (1922; deutsch »Der haarige Affe«), demonstriert den tödlichen Ausgang des Versuchs, aus leidvoller Isolation auszubrechen und in der Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft sinnstiftenden Halt zu finden. O'Neills Rückgriff auf die antike Tragödie gibt dieser tragischen Sicht der Moderne die Aura der Zeitlosigkeit, so in seinem Drama »Mourning becomes Electra« (1931; deutsch »Trauer muß Elektra tragen«). »Long day's journey into night« (herausgegeben 1955; deutsch »Eines langen Tages Reise in die Nacht«) vertieft die Analyse menschlicher Beziehungen auf der Basis autobiographischen Materials. Mit O'Neills Werk, das klassische Strukturen, experimentelle Formen, naturalistische, expressionistische und symbolische Stilelemente sowie Erkenntnisse der Biologie, Philosophie und Tiefenpsychologie zu einer illusionslosen Sicht der modernen Existenz verschmilzt, löste sich das amerikanische Theater aus provinzieller Enge und errang weltweite Geltung.
Weitere Werke: Dramen: Beyond the horizon (1918; deutsch Jenseits vom Horizont); The moon of the Caribbees (1918; deutsch Unterm karibischen Mond); Anna Christie (1920; deutsch); The emperor Jones (1920; deutsch Kaiser Jones); All God's chillun got wings (1924; deutsch Alle Kinder Gottes haben Flügel); Desire under the elms (1924; deutsch Gier unter Ulmen); The great God Brown (1926; deutsch Der große Gott Brown); Strange interlude (1927; deutsch Seltsames Zwischenspiel); Ah, wilderness! (1932; deutsch Oh Wildnis); A moon for the misbegotten (1943; deutsch Ein Mond für die Beladenen); A touch of the poet (herausgegeben 1957; deutsch Fast ein Poet); Hughie (herausgegeben 1959; deutsch); More stately mansions (Uraufführung 1962, herausgegeben 1964; deutsch Alle Reichtümer der Welt).
Ausgaben: Ten »lost« plays (1964); Children of the sea. And three other unpublished plays, herausgegeben von J. M. Atkinson (1972); Poems: 1912-1944, herausgegeben von D. L. Gallup (Neuausgabe 1980); The plays, 3 Bände (Neuausgabe 1982); Comments on the drama and the theater, herausgegeben von U. Halfmann (1987); Complete plays, herausgegeben von T. Bogard, 3 Bände (1988); Selected letters, herausgegeben von demselben (1988); The unfinished plays, herausgegeben von V. Floyd (1988).
Meisterdramen, 2 Bände (1963-66, Auswahl).
O'N. and his plays: four decades of criticism, hg. v. O. Cargill u. a. (Neuausg. New York 1970);
G. Ahrends: Traumwelt u. Wirklichkeit im Spätwerk E. O'N.s (1978);
N. Berlin: E. O'N. (New York 1982);
E. O'N., hg. v. H. Bloom (New York 1987);
Critical approaches to O'N., hg. v. J. H. Stroupe (ebd. 1988);
E. O'N. 1988, hg. v. U. Halfmann (1990);
Kurt Müller: Inszenierte Wirklichkeiten. Die Erfahrung der Morderne im Leben u. Werk E. O'N.s (1993);
A. Fleche: Mimetic disillusion. E. O'N., Tennessee Williams, and US dramatic realisem (Tuscaloosa, Ala., 1997).
Universal-Lexikon. 2012.