Ju|gend|straf|recht 〈n. 11; unz.; Rechtsw.〉 Strafrecht für Jugendliche vom 14. bis zum 18. (gegebenenfalls auch 21.) Lebensjahr
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Ju|gend|straf|recht, das <o. Pl.>:
für jugendliche Straftäter(innen), in bestimmten Fällen auch für Heranwachsende geltendes Strafrecht.
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Jugendstrafrecht,
das für Jugendliche (14- bis 17-Jährige) und zum Teil auch für Heranwachsende (18- bis 20-Jährige) geltende Straf- und Strafprozessrecht; es weicht in wesentlichen Grundsätzen vom allgemeinen Strafrecht ab. In Deutschland beginnt nach dem Jugendgerichtsgesetz (JGG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. 12. 1974 in Verbindung mit § 10 StGB die strafrechtliche Verantwortlichkeit mit der Vollendung des 14. Lebensjahres, wenn der Jugendliche zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung reif genug war, das Unrecht der Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln (§ 3 Satz 1 JGG). Kinder unter 14 Jahren sind schuldunfähig (§ 19 StGB). Auf Heranwachsende wird trotz zivilrechtlicher Volljährigkeit das Jugendstrafrecht angewendet, wenn im Einzelfall der Täter zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichstand oder es sich bei dem Charakter der Tat um eine Jugendverfehlung handelt (§ 105 JGG). Eine Jugendstraftat ist in erster Linie durch Erziehungsmaßregeln (Erteilung von Weisungen; Anordnung, Hilfe zur Erziehung nach § 12 JGG in Anspruch zu nehmen) zu ahnden; wenn diese nicht ausreichen, um dem Täter das Unrecht der Tat und seine Einstandspflicht hierfür bewusst zu machen, wird die Straftat mit Zuchtmitteln (Verwarnung; Erteilung von Auflagen, z. B. Schadensersatz, Zahlung von Bußen; Jugendarrest) oder mit Jugendstrafe geahndet. Im Unterschied zum allgemeinen Strafrecht dürfen Amtsunfähigkeit und Wahlrechtsverlust nicht verhängt werden; von den Maßregeln der Besserung und Sicherung sind Sicherungsverwahrung und Berufsverbot ausgeschlossen; zulässig ist dagegen z. B. die Entziehung der Fahrerlaubnis.
Über Verfehlungen Jugendlicher entscheiden die Jugendgerichte, und zwar grundsätzlich je nach der Schwere des Tatvorwurfes die amtsgerichtlichen Jugendrichter als Einzelrichter (wenn nur Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel zu erwarten sind), das Jugendschöffengericht am Amtsgericht (mit einem Richter und zwei Jugendschöffen) oder die Jugendkammer beim Landgericht (große Jugendkammer, drei beziehungsweise zwei Richter und zwei Jugendschöffen; sie ist auch zuständig für Berufungen gegen Urteile des Jugendschöffengerichts; die kleine Jugendkammer, Vorsitzender und zwei Jugendschöffen, entscheidet dagegen ausschließlich über Berufungen gegen Urteile des Einzelrichters). Von der Jugendkammer ist die Jugendschutzkammer zu unterscheiden, die grundsätzlich kein Spruchkörper der Jugendgerichtsbarkeit ist, sondern die Straftaten Erwachsener an Kindern und Jugendlichen (Jugendschutzsachen im Sinne von § 74 b Gerichtsverfassungsgesetz) behandelt. Die Anklage vor den Jugendgerichten wird von Jugendstaatsanwälten vertreten.
Das Verfahren ist auf die Besonderheiten des Jugendstrafrechts ausgerichtet. Im Vorverfahren sollen so bald als möglich die Lebens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten ermittelt werden. Erziehungsberechtigte, Lehrer, Ausbilder sollen, soweit möglich, gehört werden. Die Hauptverhandlung ist nicht öffentlich. Gesetzliche Vertreter haben ein Recht auf Anhörung, ferner wirkt die Jugendgerichtshilfe mit. Um die strafrechtlichen Folgen der Tat rasch wirksam werden zu lassen, sind die Rechtsmittel nach § 55 Absatz 2 JGG insofern eingeschränkt, als sich Berufung und Revision ausschließen. Hat jedoch etwa der Angeklagte gegen das Urteil Berufung eingelegt, so kann gegen das Urteil des Berufungsgerichts nunmehr der Staatsanwalt, sofern er nicht ebenfalls bereits Berufung eingelegt hatte, Revision einlegen und umgekehrt. Untersuchungshaft ist an sich zulässig, soll aber möglichst durch mildere Mittel abgewendet werden. Von großer praktischer Bedeutung sind die Möglichkeiten, im Vor- und Hauptverfahren von der Strafverfolgung abzusehen oder das Verfahren einzustellen, wenn eine Ahndung entbehrlich erscheint und andere Maßnahmen (z. B. Auflagen, Aufgabe von Arbeitsleistungen, Ermahnungen) Erfolg versprechen (§§ 45, 47 JGG).
Vollstreckung und Vollzug
Für die Vollstreckung und den Vollzug (§§ 82 ff. JGG) der im Jugendgerichtsverfahren ausgesprochenen Maßnahmen ist grundsätzlich der Jugendrichter als Vollstreckungsleiter zuständig. Rechtspfleger wirken bei den Geschäften der Vollstreckung mit. Das Vollstreckungsverfahren wird u. a. von dem Gedanken getragen, dass durch einen raschen Vollzug der Maßnahmen dem Jugendlichen der innere Zusammenhang zwischen Tat, Urteil und Vollstreckung bewusst gemacht werden soll, sodass Lockerungen im Zeitablauf zu vermeiden sind. Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel werden unter Aufsicht der Jugendgerichtshilfe, unter Umständen derjenigen eines Bewährungshelfers ausgeführt. Verwarnungen sollen in Gegenwart des Erziehungsberechtigten ausgesprochen werden. Der Vollzug des Jugendarrestes soll das Ehrgefühl des Jugendlichen wecken; er wird in Jugendarrestanstalten oder Freizeitarresträumen der Landesjustizverwaltungen unter Aufsicht des örtlichen Jugendrichters vollzogen. Die Mitarbeiter des Vollzugsleiters sollen erzieherisch befähigt und in der Jugenderziehung erfahren sein. Nach Bedarf werden Psychologen, Sozialpädagogen, Sozialarbeiter, Lehrer und andere Fachkräfte zugezogen. An die Jugendlichen sind während des Vollzugs dieselben Anforderungen zu stellen, die bei wirksamer Erziehung in der Freiheit an sie gestellt werden; sie sind grundsätzlich mit »Sie« anzureden.
Die Jugendstrafe wird, auch wenn der Inhaftierte das 18. Lebensjahr bereits vollendet hat, grundsätzlich in einer Jugendstrafanstalt vollzogen. Durch den Vollzug soll der Verurteilte dazu erzogen werden, künftig einen rechtschaffenen und verantwortungsbewussten Lebenswandel zu führen, wobei Ordnung, Arbeit, Unterricht, Sport und sinnvolle Freizeitbeschäftigung die Grundlage dieser Erziehung bilden sollen. Der Vollzug kann aufgelockert und in geeigneten Fällen weitgehend in freien Formen (also außerhalb herkömmlicher Anstalten) durchgeführt werden. Die Beamten und andere Mitwirkende müssen für diese Aufgaben geeignet und ausgebildet sein.
In Österreich gilt das Jugendstrafrecht mit ähnlichen Grundsätzen für Jugendliche vom 14. bis zur Vollendung des 19. Lebensjahres. Jugendarrest und zwingender Ausschluss der Öffentlichkeit sind nicht vorgesehen. Insbesondere bei außergerichtlichem Tatausgleich kann die Staatsanwaltschaft oder das Gericht das Verfahren beenden (§§ 7 und 9 Jugendgerichtsgesetz von 1988).
In der Schweiz gelten im materiellen Recht (Art. 82-100 StGB) mit einzelnen Abweichungen (Jugendstrafrecht für 15- bis 17-Jährige, Kinderstrafrecht für 7- bis 14-Jährige, Arbeitserziehungsanstalt für junge Erwachsene, Strafmilderung für 18- bis 20-Jährige) ähnliche Grundsätze.
Jugendstrafe u. Jugendstrafvollzug, hg. v. F. Dünkel u. a., 2 Bde. (1985-86);
Sozialpädagogik im Jugendstrafvollzug, bearb. v. W. Nickolai u. a. (1985);
R. Herz: J. (21987);
O. Maleczky: Österr. J. (Wien 1992);
P.-A. Albrecht: J. Ein Studienbuch (21993);
A. Böhm: Einf. in das J. (31996);
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Ju|gend|straf|recht, das <o. Pl.>: für jugendliche Straftäter, in bestimmten Fällen auch für Heranwachsende geltendes Strafrecht.
Universal-Lexikon. 2012.