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Nervengewebe
Nẹr|ven|ge|we|be 〈n. 13; Anat.〉 Körpergewebe aus Nervenzellen u. ihren leitenden Fortsätzen, aus Stützgewebe (Neuroglia) u. Blutgefäßen; Sy Nervengeflecht

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Nẹr|ven|ge|we|be, das (Anat., Physiol.):
Gewebe, das der Erregungsleitung u. -verarbeitung dient.

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I
Nervengewebe,
 
aus dem äußeren Keimblatt (Ektoderm) hervorgegangenes System miteinander über Axone (Nervenfortsätze, -fasern) verknüpfter Nervenzellen (Ganglienzellen), einschließlich der sie stützenden, schützenden und ernährenden Gliazellen sowie der Schwann-Zellen, die als Markscheide (Schwann-Scheide) eine elektrische Isolation der Axone bewirken. Nervengewebe bildet in seiner Gesamtheit das Nervensystem der vielzelligen Tiere und des Menschen.
II
Nervengewebe,
 
Gesamtheit der erregungsleitenden Elemente (Nervenzellen, Neurone) und der zelligen Hüll- und Stützgewebe (Gliazellen, Neuroglia) eines menschlichen oder tierischen Organismus.
 
Ontogenese (Histogenese):
 
Das Nervengewebe differenziert sich aus dem über der Chorda dorsalis liegenden Ektoderm (primäre Epidermis) zum Neuroektoderm, das sich zur Neuralplatte verdickt (2. Woche des menschlichen Embryos). Durch Einsenkung der Neuralplatte entsteht die Neuralrinne mit den beiderseitigen Neuralwülsten, die dann im Weiteren am oberen Rand verschmelzen, sodass aus der Neuralrinne das Medullarrohr (Neuralrohr) entsteht (Ende der 4. Woche). Gleichzeitig nimmt am vorderen Ende (kranial) des Neuralrohres die Zahl der Zellen sehr schnell zu (Anlage des Gehirns), und aus den Neuralwülsten wandern Zellen aus, die beiderseits des Neuralrohres je einen Zellstrang bilden (Neuralleisten). Aus den Neuralleisten geht das periphere neurogene Gewebe hervor (d. h. alle außerhalb des zentralen Nervensystems, ZNS, liegenden nervösen Strukturen: periphere Neuroblasten, periphere Gliazellen, Sympathoblasten, Melanoblasten u. a.), während aus den Zellen des Neuralrohres im Wesentlichen die Strukturen des ZNS entstehen. Zusätzlich wandern aus dem Mesoderm hervorgehende Zellen in die epitheliale Zellschicht des ZNS ein. Sie bilden die Mesoglia und das gesamte Blutgefäßsystem des ZNS. Die Teilungsfähigkeit der Neuroblasten und deren Ausdifferenzierung zu Nervenzellen sind mit der Geburt beziehungsweise im frühen Kindesalter abgeschlossen, hingegen behalten die Gliazellen bis ins hohe Alter ihre Teilungsfähigkeit. Ebenso ist die funktionelle Verknüpfung des ZNS während des ganzen Lebens veränderbar, womit die funktionelle Anpassung und Plastizität des Nervensystems erklärt wird.
 
Aufbau des Nervengewebe:
 
Die Nervenzelle (Neuron, Neurozyt) ist die funktionelle Basiseinheit jedes Nervensystems. Im menschlichen Gehirn wird die Zahl der Neurone auf über 25 Mrd. geschätzt. Ein Neuron besteht aus dem Zellkörper (Perikaryon, Soma) mit einem Durchmesser von etwa 5-100 μm, der den Kern und die Zellorganellen enthält, sowie zwei Arten von Zellausläufern, die an entgegengesetzten Polen des Zellkörpers liegen: die meist nur einige Hundert Mikrometer kurzen, stark verzweigten Dendriten, welche die Erregung zum Zellkörper führen (afferent, Rezeptorpol), und das einige μm bis über 1 m lange, dünne Axon (Neurit), das die Erregung vom Zellkörper wegleitet (efferent, Effektorpol). Eine Ausnahme sind die sensorischen Axone der Wirbeltiere, welche die Erregung zentripetal leiten, d. h. vom Sinnesorgan zum ZNS. Seitliche Verzweigungen des Axons heißen Kollateralen. Die Nervenzellen werden von den Gliazellen umgeben, die Ernährungs- und Stützfunktion besitzen. Sie sind kleiner, aber zahlreicher als die Nervenzellen, sodass beide Zelltypen je etwa die Hälfte des Nervengewebevolumens ausmachen. Bei den peripheren Nerven wird jedes Axon von speziellen Gliazellen, den Schwann-Zellen (Lemnoblasten), umhüllt. Dabei wickelt sich während des Wachstums die Schwann-Zelle mehrfach um das Axon und bildet so eine weitere Hülle aus Lipiden und Proteinen (Myelin), die Markscheide (Myelinscheide, Schwann-Scheide). Diese Hülle ist etwa alle 1-2 mm unterbrochen (Ranvier-Schnürringe). Solche durch eine Hülle »isolierten« Nervenfasern werden als myelinisierte (markhaltige) Nervenfasern bezeichnet. Myelinisierung und die Ranvier-Schnürringe haben große Bedeutung für die Erregungsleitungsgeschwindigkeit (saltatorische Erregungsleitung). Auch unmyelinisierte (marklose) Nervenfasern werden von Schwann-Zellen eingehüllt, jedoch meist mehrere Axone von einer Zelle und ohne Ausbildung der Lipid-Protein-Hülle, während bei den myelinisierten Nervenfasern der Platz zwischen zwei Schnürringen jeweils von einer Schwann-Zelle eingenommen wird.
 
Funktion:
 
Die Nervenfasern dienen in erster Linie der Übertragung von Information durch elektrische Impulse (Aktionspotenzial). Daneben sind sie auch Leitungsbahnen für den Transport von Substanzen (Aminosäuren, Eiweiße, Nährstoffe, Neurotransmitter) aus dem Zellkörper zu den Synapsen und umgekehrt (axonaler Transport). Die Transportgeschwindigkeit beträgt 20-40 cm/Tag. Einige Viren und Toxine, z. B. die Poliomyelitisviren (Erreger der spinalen Kinderlähmung) und das Tetanustoxin, das den Wundstarrkrampf verursacht, gelangen über den retrograden axonalen Transport von der Hautwunde in die Nervenzelle und entfalten dort ihre Wirkung. Andere Giftstoffe lähmen den axonalen Transport und führen dadurch zu Nervenschädigungen. Als Folge können z. B. Muskellähmungen auftreten.
 
Klassifizierung von Nervenfasern und Nervenzellen:
 
Es gibt mehrere Klassifizierungen der Nervenfasern nach anatomischen und physiologischen Merkmalen, die sich zum Teil überlappen. So werden myelinisierte Fasern als A-Fasern bezeichnet, unmyelinisierte als C-Fasern. Eine sehr gebräuchliche Einteilung beruht auf dem Durchmesser der Nervenfasern: Fasergruppe I (13 μm), II (9 μm), III (3 μm) und IV ( 1 μm). Die wichtigste funktionelle Klassifikation der Nervenfasern, nämlich in Afferenzen und Efferenzen, beruht auf der Richtung der Erregungsleitung (Nervensystem).
 
Alle Nervenzellen stehen mit ihren Ausläufern in synaptischem Kontakt mit anderen Zellen (Nervenzellen, Drüsenzellen, Sinneszellen, Muskelzellen u. a.). Spezialisierte Neurone, die auf Änderungen im Organismus oder der Umwelt antworten, nennt man Rezeptoren. Sie reagieren jeweils nur auf den für sie spezifischen Reiz (adäquater Reiz). Funktionell werden unterschieden: Telerezeptoren (Auge, Ohr), Exterorezeptoren (Haut), Labyrinthrezeptoren (Gleichgewichtsorgan), Propriorezeptoren (Muskeln, Sehnen, Gelenke) und Viszerorezeptoren (Eingeweide).
 
Anhand der Zahl der Ausläufer werden die Nervenzellen in folgende Typen unterteilt: apolar (z. B. Neuroblasten, Rezeptorzellen des Gleichgewichts-, Geschmacks-, Hörorgans); unipolar (z. B. Stäbchen und Zapfen der Netzhaut); pseudounipolar: Axon und Dendrit gehen ineinander über (z. B. sensible Ganglienzellen der Hirn- und Spinalnerven); bipolar (z. B. die zweiten Neurone der Sehbahn, des Hör- und Gleichgewichtsorgans); multipolar: ein Axon und zahlreiche Dendriten (Hauptteil aller Nervenzellen).
 
Weiterhin werden morphologisch folgende als Sinneszellen fungierende Nervenzellen unterschieden: 1) primäre Sinneszellen sind spezialisierte echte Nervenzellen. Sie transformieren den Reiz in Erregung und leiten ihn in Form von Impulsen weiter; 2) Sinnesnervenzellen sind ebenfalls echte Nervenzellen. Sie liegen tiefer im Gewebe und senden reizaufnehmende Fortsätze zur Oberfläche, die sich dort zu »freien Nervenendigungen« verzweigen; 3) sekundäre Sinneszellen sind keine echten Nervenzellen, sondern Epithelzellen, welche die Erregung über Synapsen auf Nervenzellen übertragen. Sie kommen nur selten bei Wirbellosen vor (Mollusken, Chaetognathen), sind bei Wirbeltieren jedoch verbreitet (z. B. Geschmacksknospen, Tastkörperchen, inneres Ohr). - Bei fast allen Tiergruppen und beim Menschen wurden auch sekretorisch tätige Nervenzellen gefunden (neurosekretorische Nervenzellen). Das Neurosekret wird im Perikaryon gebildet und über die Axonendigungen an die Blutgefäße abgegeben. Funktionell können somit die neurosekretorischen Nervenzellen mit den endokrinen Drüsen und die Neurosekrete mit den Hormonen gleichgesetzt werden (Neurohormone).

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Nẹr|ven|ge|we|be, das (Anat., Physiol.): Gewebe, das der Erregungsleitung u. -verarbeitung dient.

Universal-Lexikon. 2012.