Erz|ge|bir|ge, das; -s:
Mittelgebirge in Deutschland u. der Tschechischen Republik.
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Erzgebirge,
1) tschechisch Krušné hory ['kruʃnɛː 'hɔri], 130 km langes und 30-35 km breites, von Südwesten nach Nordosten streichendes Mittelgebirge, über dessen Kammfläche (seit 1996 1 500 km2 großer Naturpark) die Grenze zwischen Deutschland (Sachsen) und der Tschechischen Republik (Böhmen) verläuft. Das Erzgebirge wird geomorphologisch in das stärker zerschnittene Westerzgebirge und in das weniger gegliederte Osterzgebirge östlich des Flöhatals unterschieden. Die höchsten Erhebungen liegen im Westerzgebirge: Keilberg (1 244 m über dem Meeresspiegel) in der Tschechischen Republik, Fichtelberg (1 214 m über dem Meeresspiegel) und Auersberg (1 019 m über dem Meeresspiegel) in Sachsen. Das Erzgebirge erstreckt sich am Nordwestrand des Böhmischen Massivs, zwischen Elstergebirge (im Westen) und Elbsandsteingebirge (im Osten). Die im Tertiär gehobene Pultscholle des Erzgebirges, durch tiefe Waldtäler zergliedert, steigt nach Südosten auf durchschnittlich 800-900 m über dem Meeresspiegel an und fällt auf tschechischer Seite in Bruchstufen schroff zu tiefen Randsenken an den Flüssen Eger und Biela ab. Im Westen grenzt das Erzgebirge mit einer bis zu 200 m hohen Stufe an das Vogtland. Dagegen geht das Erzgebirge im Norden und Nordosten in Form von Rumpfflächentreppen unmerklich in das Erzgebirgsvorland mit der aufgefüllten geologischen Mulde des Erzgebirgsbeckens über. Mehrere Talsperren an den Flüssen Zwickauer Mulde, Rote und Wilde Weißeritz und an anderen Flüssen, deren Täler nach Norden tiefer und enger werden, und zahlreiche Wasserspeicher, deren Anlage vielfach auf den Bergbau im Mittelalter zurückgehen, bannen die Hochwassergefahr und dienen der Trink- und Brauchwasserversorgung.
Das Gebirge besteht im Osten und in der Mitte aus Graniten, roten und grauen Gneisen, im Westen und Norden aus altpaläozoischen Glimmerschiefern und Phylliten, die dort noch erhalten sind. Porphyrgänge sind häufig, im Osten auch Porphyrdecken des Unterperms (Teplitzer Quarzporphyr) sowie im Südosten Basaltergüsse (Bärenstein, Pöhlberg, Scheibenberg, Geising) und Phonolithe als Auswirkungen des nordböhmischen Vulkanismus im Tertiär. Mit der Bildung der Tiefengesteine und paläovulkanischen Ergüsse hängt die Entstehung der weit verteilten Erzlagerstätten zusammen.
Das Klima ist rau und niederschlagsreich. Vorherrschend sind Fichten- und Fichtenbergwälder. In den höheren Teilen kommen nur noch an wenigen Stellen natürliche Waldgesellschaften vor. Die Wälder der Kammlagen und etwa 20 km der Abdachung unterhalb der Kammfläche sind stark geschädigt beziehungsweise zum Teil bereits vernichtet (Hauptverursacher sind Braunkohlenkraftwerke und Chemiebetriebe in der Tschechischen Republik).
Der Ackerbau (Roggen, Kartoffeln), bis 1 100 m über dem Meeresspiegel möglich, ist wenig ertragreich und dient nur der Eigenversorgung, bedeutender ist die Grünlandwirtschaft. Das Erzgebirge ist sehr dicht besiedelt und verkehrsmäßig gut erschlossen. Es ist ein bedeutendes Fremdenverkehrs- und Wintersportgebiet (v. a. in den Kurorten Oberwiesenthal und Seiffen/Erzgebirge, in Altenberg, Johanngeorgenstadt, Geising und im Kurort Bad Gottleuba) sowie ein Anziehungspunkt des Ausflugsverkehrs, besonders in der Vorweihnachtszeit wegen der erzgebirg. Advents- und Weihnachtsbräuche. Zahlreiche historische Bergbauanlagen des von der Silberstraße durchzogenen Gebirges wurden als Schauanlagen dem Besucher erschlossen.
Von den beiden Mundarträumen des Erzgebirges ist der Westen v. a. vom Ostfränkischen her geprägt, während der Osten den Übergang zum Obersächsischen bildet.
Die ständig zunehmende Besiedlung des Erzgebirges (im Mittelalter althochdeutsch Fergunna [»Eichwald«, »Waldgebirge«] beziehungsweise altsächsisch Miriquidi(wald) [»Dunkelwald«] genannt) durch Bauern und Bergleute (v. a. Thüringer, Franken, Harzer) bis in die Kammhöhe begann erst um 1150 mit der deutschen Ostsiedlung unter Markgraf Otto dem Reichen von Meißen; in den Rodungsherrschaften entstanden Waldhufendörfer. Im unerschlossenen Wald des Erzgebirges wurde 1136 das Benediktinerkloster Chemnitz gestiftet. Das erste Silbererz wurde 1168 in Freiberg, nachfolgend auch an anderen Stellen bis in die Kammlagen gefunden und zunächst durch Harzer Bergleute v. a. aus Goslar gefördert. In der Nähe der Erzfunde wurden vom 12. bis zum 15. Jahrhundert Siedlungen gegründet (Freiberg, Schneeberg, Annaberg, Altenberg, Marienberg, Scheibenberg, Sankt Joachimsthal u. a.). Neben Silber- wurden auch Zinn-, Blei-, Kobalt-, Zink- und Eisenerze abgebaut. Die Blüte des Bergbaus nach 1168, v. a. aber zwischen 1470 und 1550, begründete, verbunden mit Hammerwerken, den damaligen Reichtum der Mark Meißen beziehungsweise Kursachsens sowie der wettinischen Landesherren als Inhaber des königlichen Bergregals und führte im 16. Jahrhundert zum Namen Erzgebirge (zunächst nur in der kursächsischen Bergverwaltung; als Landschaftsname erst 1815 belegt, bis ins 18. Jahrhundert auch Böhmisches Gebirge genannt). Im Vertrag von Eger (1459) wurde der Kamm des Erzgebirges endgültig als sächsisch-böhmische Grenze festgelegt.
Im 17. Jahrhundert, v. a. durch den Dreißigjährigen Krieg (1618-48), setzte der Rückgang des Bergbaus ein und erlosch bis gegen Ende des 19. Jahrhunderts allmählich. Es kam zur Herausbildung einer bedeutenden Hausindustrie (Nebenerwerbs- und Heimarbeit, auch von Frauen und Kindern): Spitzenklöppelei (schon 1561 durch Barbara Utt(h)mann [* 1514, ✝ 1575] in Annaberg eingeführt, ab um 1600 wichtigster Broterwerb, heute v. a. im mittleren und westlichen Erzgebirge), Herstellung von Posamenten (um Annaberg) und Spielwaren (»Häusel-, Männelmacher«, v. a. im Osterzgebirge ab um 1750 prägend; Zentren: Seiffen, Olbernhau, Waldkirchen/Grünhain; bis um 1900 von Nürnberger Verlegern dominiert) sowie Holzverarbeitung (v. a. Weihnachtsfiguren). Die ursprüngliche bergmännische Schnitzkunst des Westerzgebirges (als Feierabendtätigkeit) und die Sehnsucht des Bergmanns nach Licht begründeten die eigentümliche, stark vom Bergbau und Weihnachten geprägte Volkskunst beziehungsweise ein auch durch Fachgewerbeschulen (Seiffen, 1853; Grünheide, 1874) gefördertes Kunsthandwerk: mechanisch betriebene Bergwerksmodelle (seit dem 16. Jahrhundert), Heimat- und Weihnachtsberge, Weihnachtspyramiden (1803 ältester Beleg für gewerbliche Produktion, seit den 1930er-Jahren auch als Ortspyramiden üblich), Nussknacker (um 1865), Räuchermännchen (»Raachermännel«), Kurrendesänger, lichttragende Bergleute (seit um 1650; anfänglich auch aus Zinn) und Engel (seit Ende des 19. Jahrhunderts als Paar in der gewerblichen Produktion und zum Symbol geworden), Hängeleuchter (»Spinne«; seit Ende des 19. Jahrhunderts), Schwibbogen (Ende des 18. Jahrhunderts aus Eisen, seit um 1900 als Laubsägearbeit), Tierfiguren (durch Reifendreherei; »Arche Noah«), Zündholzschachtelminiaturen (Seiffen) u. a. Im 19. Jahrhundert wurde C. Stülpner zum Volkshelden des Erzgebirges
Im 18. Jahrhundert (1771/72 große Hungersnot im Erzgebirge) entstanden andere Branchen des Textilgewerbes (besonders Webereien), im Zuge der Industrialisierung im 19. Jahrhundert Textilindustrie und Maschinenbau sowie nachfolgend Papier- und Glasindustrie, Uhrenfertigung (Glashütte, seit 1845) und Bürstenmacherei. Bergbau wurde 1946-90 erneut betrieben mit dem Abbau der Wismut-Kobalt-Nickel-Uran-Erzlagerstätten bei Schneeberg und Johanngeorgenstadt (Wismut GmbH). Mit der Einstellung des Abbaus von Zinnerz in Altenberg sowie von Zinn- und Wolframerz in Ehrenfriedersdorf (1991) erlosch der Bergbau im Erzgebirge, seine Spuren sind jedoch vielfach erkennbar (Bingen, Halden, Wasserkünste, Pochwerke u. a.).
S. Sieber: Zur Gesch. des erzgebirg. Bergbaues (Halle/Saale 1954);
S. Sieber: Studien zur Industriegesch. des E.s (1967);
2) Gebirge in Serbien, Serbisches Erzgebirge.
3) Gebirge in Rumänien, Siebenbürger Erzgebirge.
4) Gebirge in der Slowakischen Republik, Slowakisches Erzgebirge.
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Erz|ge|bir|ge, das: Mittelgebirge in Deutschland u. der Tschechischen Republik.
Universal-Lexikon. 2012.