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Kolumbus
I
Kolumbus
 
Bei allen Spekulationen, die über die nationale Herkunft von Christoph Kolumbus angestellt wurden, ist unzweifelhaft, dass er 1451 in der italienischen Hafenstadt Genua geboren wurde. Er wurde Weber, Händler und schließlich Seemann. Nach verschiedenen Fahrten, die ihn bis nach Island geführt haben sollen, machte er in Portugal, dem Land Heinrichs des Seefahrers, die Bekanntschaft mit dem Zweig des Humanismus, der sich intensiv mit Geographie und Kosmographie (Erdbeschreibung) beschäftigte.
 
Er bereiste die von den Portugiesen besetzten Außenposten der den Europäern damals bekannten Welt: Madeira und Guinea. Seine Ehe mit einer Tochter aus portugiesischem Adel wird dazu beigetragen haben, dass Kolumbus sich schließlich an König Johann II. von Portugal wandte, um die Unterstützung für eine Entdeckungsfahrt zu gewinnen, mit der er in Kenntnis der Berichte des Marco Polo die Insel Cipangu (Japan) in westlicher Richtung erreichen wollte. Noch war der Weg von Europa um Afrika nach Indien nicht gefunden worden. Die Voraussetzungen für das von Kolumbus geplante Vorhaben waren günstig, denn die Portugiesen tasteten sich immer weiter nach Westen vor. Aufgrund offensichtlich fehlerhafter Berechnungen der Kosten fand er bei Johann aber keine Unterstützung. Kolumbus wandte sich nun nach Kastilien.
 
Die Unterstützung der »Katholischen Majestäten« Spaniens konnte er erst nach längerer Zeit erlangen. Nachdem mit Granada die letzte Festung der Mauren auf der Iberischen Halbinsel gefallen war, erteilten Ferdinand und Isabella von Kastilien-Aragon ein Privileg an Kolumbus, mit dem er neben dem Titel Admiral und der Erhebung in den Adelsstand die Zusage erhielt, Vizekönig und Gouverneur aller Inseln und Festlande zu werden, die er für Spanien in Besitz nehmen würde. Außerdem sollte er zehn Prozent von allen Produkten der neuen Lande erhalten.
 
Am 3. August 1492 stach Kolumbus mit den drei Karavellen Niña, Pinta und Santa Maria, dem Flaggschiff, von Palos in See. Nach einem Zwischenaufenthalt auf den Kanarischen Inseln segelte er ohne nennenswerte Schwierigkeiten im steten Wind des Passats nach Westen. Am 12. Oktober erreichte die kleine Flotte die Insel San Salvador in der Bahamagruppe. Kolumbus glaubte, eine Indien vorgelagerte Insel gefunden zu haben und zog monatelang von einer Insel zur anderen, vor allem auf der Suche nach Gold. Dabei glaubte er, China erreicht zu haben. Er landete auf Kuba und auf Haiti und verlor schließlich die Santa Maria durch Schiffbruch. Im Januar 1493 trat Kolumbus mit der Niña den Rückweg an. Nach stürmischer Fahrt erreichte er wieder Spanien.
 
Kolumbus unternahm noch drei weitere Reisen in die »Neue Welt«. Es kam zu Verdächtigungen, zu Zerwürfnissen und schließlich zur Anklage gegen ihn; er verlor sein Vizekönigamt. Andere ernteten die Erfolge an seiner Stelle; er starb im Jahre 1506 in Spanien.
 
II
Kolụmbus,
 
Colụmbus, Christoph, italienisch Cristoforo Colọmbo, spanisch Cristóbal Colọ́n, genuesischer Seefahrer in spanischen Diensten, * Genua zwischen 25. 8. und 31. 10. 1451, ✝ Valladolid 20. 5. 1506. Der junge Kolumbus nahm von Genua aus an Seefahrten und Handel teil und kam 1476 nach Lissabon. Dort beschäftigte ihn der schon von Aristoteles, Strabo und Seneca erörterte Gedanke einer Westfahrt nach Indien. In diesem Plan bestärkten ihn ein Brief und eine Karte des italienischen Astronomen P. Toscanelli umso mehr, als darin die Entfernung zwischen dem Westen Europas und dem Osten Asiens über den Atlantik viel zu kurz angegeben war. Der Versuch, die portugiesische Krone für eine solche Westfahrt zu gewinnen, scheiterte. Daher begab sich Kolumbus 1485 nach Spanien, wo er bei dem Vorsteher des Klosters La Rábida, Juan Pérez, dem Astronomen Antonio de Marchena, dem gelehrten Dominikaner Diego de Deza u. a. Verständnis fand, aber von Isabella und Ferdinand II. bis zur Beendigung des Krieges gegen Granada hingehalten wurde. Erst am 17. 4. 1492 unterzeichneten beide Herrscher den Vertrag mit Kolumbus, dem drei Schiffe für seine Reise und bestimmte Rechte (erbliche Würde eines Großadmirals; Vizekönig der zu entdeckenden Länder; ein Zehntel aller Handelseinnahmen der zu entdeckenden Gebiete) zugesichert wurden.
 
Fahrten:
 
Auf seiner ersten Fahrt (3. 8. 1492-15. 3. 1493) landete Kolumbus am 12. 10. 1492 auf einer der Bahamainseln, von den Einheimischen Guanahani genannt (ob es sich dabei um San Salvador oder um das 150 km südöstlich gelegene Samana Cay handelt, ist nicht geklärt). Am 27. 10. entdeckte er Kuba, am 6. 12. Haiti (Hispaniola), wo er eine Niederlassung gründete. Auf der zweiten Fahrt mit 17 Schiffen und etwa 1 500 Mann (25. 9. 1493-11. 6. 1496) entdeckte Kolumbus im November die Kleinen Antillen, Puerto Rico und Jamaika und besuchte Haiti. Wegen Missstimmung unter den Siedlern auf Haiti und unter seinen Begleitern musste Kolumbus heimkehren. Auf der dritten Fahrt (30. 5. 1498-25. 11. 1500) erreichte Kolumbus mit sechs Schiffen das nördliche Küstengebiet Südamerikas (Trinidad, Orinocomündung, Isla Margarita). Dort wurden infolge Unzufriedenheit der Siedler Kolumbus und seine Brüder durch F. Bobadilla, den Bevollmächtigten der Königin Isabella, in Ketten gelegt und nach Spanien gesandt; Kolumbus konnte sich rechtfertigen. Auf der vierten Fahrt (11. 5. 1502-7. 11. 1504) berührte Kolumbus auf der Suche nach einer Meeresstraße zum indischen Festland (gemäß seinen Vorstellungen) mit vier Schiffen die Küste Zentralamerikas (Honduras bis Panama) und kam über Kuba nach Jamaika. Ohne eine Durchfahrt nach Westen gefunden zu haben, musste er umkehren und die ihm verbliebenen, stark beschädigten beiden Schiffe auf den Strand von Jamaika auflaufen lassen. Erst 1504 traf er, krank und von den Strapazen seiner Reise gezeichnet, wieder in Spanien ein, wo er starb, ohne die Erfüllung der ihm zugesagten Rechte erreicht zu haben. Seit 1899 ist er in Sevilla beigesetzt.
 
Mit der Westfahrt hoffte Kolumbus, der im Gegensatz zu den offiziellen Vorstellungen des Mittelalters von der Kugelgestalt der Erde überzeugt war, den Ostrand der Alten Welt zu erreichen. Er blieb bis zum Ende seines Lebens in dem Glauben, Inseln vor der Ostküste Eurasiens betreten und den westlichen Weg nach Indien entdeckt zu haben (daher die Namen »Westindische Inseln«, »Indianer«). Obwohl Kolumbus nicht als erster Seefahrer Amerika erreicht hatte (vor ihm u. a. die Wikinger unter Leif Eriksson um 1000), gilt er doch als der eigentliche Entdecker dieses Kontinents, dessen Erschließung und Eroberung durch europäische Mächte (zunächst Spanien und Portugal) er einleitete. Seine Reisen standen am Beginn des »Zeitalters der großen Entdeckungen«. Erst nach seinem Tode ergab sich die Tragweite seiner Entdeckung, nämlich die eines neuen Kontinents zwischen Europa und Asien: neue Erkenntnisse über Größe und Gestalt der Erde sowie die Öffnung Europas für diesen neuen Erdteil, was die weitere Entwicklung beider Erdteile bestimmte. Dies bedeutete das Ende einer weltgeschichtlichen Ära, des europäischen Mittelalters, sowie den Beginn der Europäisierung der Erde (Kolonialismus).
 
Brüder, Söhne:
 
Kolumbus' Bruder Bartolomé Colón, Seemann und Kartenzeichner (* 1460, ✝ 1514), folgte Kolumbus nach Lissabon und ging 1493 nach Spanien; 1494 wurde er nach Haiti entsandt, erhielt 1497 die Würde eines Adelantado von La Española und nahm an der letzten Expedition seines Bruders teil. 1509 und 1512 kehrte er erneut nach Amerika zurück. Sein zweiter Bruder, Giacomo Colombo, spanisch Diego Colón (* 1468, ✝ 21. 2. 1515), war 1493-1500 (mit einer Unterbrechung) in Westindien tätig. Kolumbus' älterer Sohn, Diego Colón (* wahrscheinlich 1478, ✝ 23. 2. 1526), wurde Nachfolger seines Vaters als Admiral und Vizekönig »de las Indias«. Der jüngere (nichteheliche) Sohn, Fernando Colón (* 15. 8. 1488, ✝ 12. 7. 1539), begleitete den Vater auf dessen vierter Reise. Seine große Bibliothek von Werken über die Neue Welt wurde der Grundstock der Biblioteca Colombina der Kathedrale von Sevilla.
 
Literarische Behandlung:
 
Die Leistung von Kolumbus wurde in allen dichterischen Gattungen behandelt. Zunächst galt seine Tat v. a. als religiöses oder nationales Verdienst, so z. B. bei Lope de Vega (»El Nuevo Mundo descubierto por Colón«). Im 18. Jahrhundert sah man sie unter dem Aspekt des Interesses an den Naturvölkern (J.-J. Rousseau »La découverte du nouveau monde«, Libretto, 1740). In den vielen Kolumbusdichtungen des 19. Jahrhunderts war Kolumbus v. a. das einsame Genie (Schiller »Kolumbus«, Distichen, 1795), dessen Umwelt in breiten Kulturbildern ausgemalt wurde (F. Rückert »Christofero Colombo«, Drama, 2 Teile, 1845). Im Zusammenhang mit einer möglichen Heiligsprechung Kolumbus' entstand seit Ende des 19. Jahrhunderts eine Diskussion um seine Mission und seine etwaige Mitschuld am Schicksal der Ureinwohner Amerikas. Diese kritische Sicht schlägt sich auch in der Literatur nieder, so in der Biographie J. Wassermanns (»Christoph Columbus«, 1929) und in der Komödie von K. Tucholsky und W. Hasenclever (»C. Kolumbus«, Uraufführung 1932). Bei P. Claudels Libretto für D. Milhauds Oper »Christophe Colomb« (1930) steht wieder der religiöse Aspekt im Vordergrund, in W. Egks Oper »Columbus« (1942) die tragischen Folgen. P. Hacks' Drama »Die Eröffnung des indischen Zeitalters« (1955) beleuchtet die wirtschaftlichen Hintergründe der Fahrten des Kolumbus. Das 500-jährige Jubiläum der ersten Fahrt 1992 gab Anlass zu neuer, vielfältiger Auseinandersetzung in wissenschaftlicher Literatur, Publizistik und Belletristik (u. a. H. C. Buch, »Rede des toten Kolumbus am Tag des Jüngsten Gerichts«, 1992).
 
Ausgaben: Bordbuch. Briefe, Berichte, Dokumente, herausgegeben von E. G. Jacob (1956); Dokumente seines Lebens und seiner Reisen, herausgegeben von F. Berger, 2 Bände (1991).
 
Literatur:
 
H. Plischke: C. K. (21926);
 G. Crone: The discovery of America (London 1969);
 A. A. Ruddock: Columbus and Iceland, in: Geographical Journal, Bd. 136 (London 1970);
 D. Henze: Enzykl. der Entdecker u. Erforscher der Erde, Bd. 1 (Graz 1978);
 P. E. Taviani: Christopher Columbus (a. d. Ital., London 1985);
 U. Bitterli: Die Entdeckung Amerikas. Von K. bis Alexander von Humboldt (41992);
 S. de Madariaga: K. (a. d. Span., Neuausg. Bern 1992);
 
Columbus zw. zwei Welten. Histor. u. literar. Wertungen aus fünf Jahrhunderten, hg. v. T. Heydenreich, 2 Tle. (1992).
 
Weitere Literatur: Entdeckungsgeschichte.
 

Universal-Lexikon. 2012.