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Brauch
Sitte; Regel; Konvention; Gepflogenheit; Gewohnheit; Usus; Überlieferung; Tradition; Brauchtum

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Brauch [brau̮x], der; -[e]s, Bräuche ['brɔy̮çə]:
[aus früherer Zeit] überkommene, innerhalb einer Gemeinschaft fest gewordene und in bestimmten Formen ausgebildete Gewohnheit:
ein schöner, überlieferter Brauch; die ländlichen Bräuche bewahren.
Syn.: Angewohnheit, Brauchtum, Gepflogenheit, Sitte, Tradition, Usus.
Zus.: Fastnachtsbrauch, Hochzeitsbrauch, Osterbrauch, Seemannsbrauch.

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Brauch 〈m. 1uSitte, Gewohnheit ● alte Bräuche am Leben erhalten; das ist bei uns so \Brauch so üblich; es ist alter \Brauch, ...; etwas (nicht) außer \Brauch kommen lassen; Ostern, Pfingsten, Weihnachten nach altem \Brauch feiern [<ahd. bruh;brauchen]

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Brauch , der; -[e]s, Bräuche [mhd. brūch, ahd. brūh = Nutzen, Gebrauch, zu brauchen]:
innerhalb einer Gemeinschaft fest gewordene u. in bestimmten Formen ausgebildete Gewohnheit; überkommene Sitte:
ein überlieferter B.;
ein religiöser B.;
so ist es B./(österr.:) der B.;
so will es der B.;
das ist bei ihnen so B.;
etw. nach altem B. feiern.

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Brauch,
 
aus früherer Zeit überlieferte oder neu entstehende und für unterschiedliche Zeitdauer verbindliche Äußerungsform gesellschaftlichem Verhaltens; in der Soziologie nach M. Weber zu den »Regelmäßigkeiten im sozialen Handeln« gezählt und unterschieden von der Gewohnheit. Brauch vollzieht sich besonders im Bereich sozialer Gruppen wie Familie, Berufsverband, Kirche, Siedlungsgemeinschaft, meist bei regelmäßig wiederkehrenden Anlässen. »Es ist Brauch« betont den »institutionalisierten« Charakter. Dieser erhält seinen Sinn aus dem jeweiligen Lebenszusammenhang der Träger, Schichten oder Ausübenden und wird dort von der Sitte als sozialer Norm verlangt, d. h. durch kollektive Kontrollen erzwungen. Deshalb lassen sich »Sitte und Brauch« als zwei Seiten einer Sache ansehen: Ein soziales Regelsystem und seine jeweils historischen, regionalen oder lokalen Ausformungen in Bildern, Zeichen und Gebärden der privaten und öffentlichen, zwischenmenschlichen und gemeinschaftlichen Kommunikationsweisen.
 
Die wissenschaftliche Literatur benutzt den Begriff Brauchtum nur noch mit großen Einschränkungen; er unterstellt ein ahistorisches System- und Traditionskontinuum und stammt aus dem 19. Jahrhundert, als man im Sinne älterer mythologischen und ethnologischen Theorien nach vermeintlichen Ursprüngen und angeblichen Glaubensresten suchte. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird unter Brauchtum auch die bewusste Traditions- und Brauchpflege verstanden.
 
Die der deutschen Altertumskunde des 19. Jahrhunderts folgende, v. a. dem »Bauerntum« zugewandte Volkskunde glaubte diese Fragen von den heidnischen Germanen her lösen zu können. Nach J. Grimm wurden Bezüge zur nordischen Götterwelt konstruiert, nach W. Mannhardt solche zu den Vegetationsdämonen alter Agrarkulte. In der nationalsozialistischen Zeit wurden Brauchkomplexe nach vermeintlichem Symbolgehalt einzelner Bestandteile interpretiert, wonach pflanzliche Requisiten als Lebensbaum und Lebensrute galten, Elemente wie Rad, Rundtanz, Feuer alten Sonnenkult bezeugen sollten. Heute sucht die Brauchforschung mit konsequent historischer Methodik die Entwicklung von Brauchphänomenen in den jeweiligen Bindungen an die kulturelle Umwelt und in ihrem ständigen wirtschafts-, sozial- und geistesgeschichtlichem Wandel in Vergangenheit und Gegenwart zu durchleuchten, nach markierbaren Impulsen und tiefer liegenden Motivationen im Kontext konkreter historischer Zusammenhänge, nach augenscheinlichen Funktionen und verborgenen Implikationen, nach Strukturelementen und Gesamtformen, nicht zuletzt nach den Gestaltern und Akteuren samt ihren sozialen Beziehungsfeldern.
 
Über die brauchformenden gesellschaftlichen Kräfte von Kirche und weltlicher Herrschaft verschmolzen im mittelalterlichen Europa keltische, germanische und slawische Formen und Vorstellungen mit christlich antikem Traditionsgut, sodass sich im Nachhinein nicht von »Überlebseln« (»survivals«) reden lässt, wie das die mythologische Denkweise tat. Dahinter steht der säkularisierte religionspolemische Gedanke der Überfremdung und des Kulturverfalls. Gerade in der modernen Industriegesellschaft haben Volksfeste zu einer breiten Folklorisierung beigetragen.
 
Die konkreten Ausformungen von Brauch umfassen nicht bloß die festlichen Seiten des Lebens- und Jahreslaufs, sondern ebenso den Alltag des Einzelnen und der sozialen Gruppen. Ess- und Bekleidungsgewohnheiten können in bestimmten Zusammenhängen und zu besonderen Anlässen den Charakter eines Brauchs erhalten. Feste Bräuche sind formalisierte Verhaltensregeln wie Gruß- und Tischsitten, die Gebärdensprache, Freuden- und Trauerbekundungen, die sinnfällige Zeichenhaftigkeit des Rechtsvollzuges (Eideshaltung, Viehhandelshandschlag), die Brauchsysteme der kirchlichen Liturgie und des höfischen Zeremoniells, des militärischen Reglements, der berufsständischen Geselligkeit, des studentischen Komments. Elemente formalisierter Verhaltensregeln finden sich auch sonst überall in ritualisierten Handlungsabläufen wie Prozessionen oder Demonstrationen; sie fallen v. a. ins Auge als anlassgebundene festliche Schaubräuche mit Tanz, Gelage, Umzug, Kampfspiel oder Maskierung. Bräuche können aber auch traditionelle Hilfs- und Heilverfahren sein (Segensprechen, Beschwören).
 
Strukturell lassen sich Anfangs- und Endbräuche sowie Übergangsbräuche und Gedenkbräuche unterscheiden: Bräuche bei Geburt und Tod, Beginn, Gründung, Weihe, Abschluss bestimmter Arbeiten und Vorgänge (Grundsteinlegung, Richtfest; königliche Parlamentseröffnung; Almabtrieb; Ernte), an Wendepunkten wie Jahreszeiten-, Altersstufen- oder Personenstandswechsel (z. B. Neujahr, Mittsommer, Konfirmation, Namenstag, Geburtstag, Hochzeit).
 
Für alle Kulturen ist die Verbindung von Brauch und Religion in Götter-, Heroen- und Totenkult sowie zur Repräsentation fürstlicher und priesterlicher Macht schon früh bezeugt. In älterer Zeit haben die rechtlich sich selbst organisierenden ständischen Korporationen von Adel und Klerus, Bürgerschaft und gemeindefähigen Landleuten stets regulierend, reglementierend oder auch verändernd in das Brauchleben eingegriffen, etwa im Gefolge der Reformation und des Trienter Konzils (16. Jahrhundert); im Zeitalter der Aufklärung (18. Jahrhundert) dann die staatliche Zentralgewalt. Der protestantischen Polemik gegen »papistische« Bräuche folgten Kompromisse und Neubildungen, zum Teil im Bereich des Schulwesens. Die Kirche förderte in Fortführung alter Tradition, nun aber verstärkt, die vielgestaltigen Heischebräuche, das Ansingen und Kleinformen des Volksschauspiels. Im rein profanen Bereich entstanden aus Abgabenpflichten und Schutzrechten zahlreiche Schenkbräuche und andere Brauchverpflichtungen (Bewirtungen, Frontänze u. a.) an bestimmten Wirtschaftsterminen. Rechtssatzungen erfuhren vielfach brauchtümliche Entfaltung (Rechtsbräuche), die Rechtspflege volkstümliche Nachahmung in Rügebräuche und Fastnachtsgerichten.
 
Repräsentative Standesbräuche hatten das Rittertum (Turnier- und Reiterspiele), das städtische Patriziat (Maigrafenritte), das Handwerk, das im 16. Jahrhundert außer den internen Zunftbräuchen öffentliche Schautänze (Waffen-, Reiftanz), Turnierparodien (Kübelstechen) u. a. bot, und die wohlhabenden Bauern (aufwendige Hochzeiten).
 
Die sich seit Beginn des 19. Jahrhunderts in Mitteleuropa endgültig durchsetzende Staatsdoktrin von der zentralen Verwaltung auch der regionalen Kultur verbot einerseits alle angeblich unnützen Bräuche und versuchte das Volk umzuerziehen zu »vernünftigem« Handeln, suchte zugleich aber nach neuen identifikatorischen Traditionsstiftungen. So gerieten die überkommenen Bräuche zu Spielmaterialien unverbindlichem Charakters und wurden offen für jeglicher Deutung und Umformung (z. B. Further Drachenstich aus Georgslegende). Brauchträger waren im 19. Jahrhundert oftmals Vereine, die Geselligkeit und kulturelles Anliegen ohne normierende Vorgaben selbst stilisierten. Unter dem Einfluss von Tourismus und Kulturindustrie setzte sich im 20. Jahrhundert die als folkloristisch verstandene öffentliche, organisierte und kommerzialisierte Brauchpflege fort. Damit erfahren Bräuche veränderte soziale Qualitäten und unterliegen wechselnden ästhetischen und ideologischen Zeitgeistströmungen.
 
Literatur:
 
Leopold Schmidt: Volksglaube u. Volks-B. (1966);
 J. Dünninger: Brauchtum, in: Dt. Philologie im Aufriß, hg. v. W. Stammler, Bd. 3 (21967);
 H. Bausinger: Volkskunde (1971);
 G. Lapfhammer: Brauchtum in den Alpenländern (1977);
 H. Moser: Volksbräuche im geschichtl. Wandel (1985);
 H. Pflanzer u. a.: B. u. Feste in Österreich (Innsbruck 1985);
 I. Weber-Kellermann: Saure Wochen, frohe Feste. Fest u. Alltag in der Sprache der B. (1985);
 
B.-Forschung, hg. v. M. Scharfe (1991);
 W. Hartinger: Religion u. B. (1992).
 
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Brauch, der; -[e]s, Bräuche [mhd. brūch, ahd. brūh = Nutzen, Gebrauch, zu ↑brauchen]: innerhalb einer Gemeinschaft fest gewordene u. in bestimmten Formen ausgebildete Gewohnheit; überkommene Sitte: ein schöner, überlieferter B.; ein diplomatischer, religiöser B.; so ist es B.; so will es der B.; das ist bei ihnen so B. (ist dort üblich); Der Grabstein schon zu Lebzeiten, sagte C., sei ein alter B. auf Sizilien (Fest, Im Gegenlicht 47); Es handelt sich um deutschen Adel, da muss man nicht unbedingt englische Bräuche voraussetzen (Danella, Hotel 231); die alten Bräuche pflegen, wieder aufleben lassen; etw. nach altem B. feiern; ∙ *im B. haben (üblicherweise tun): wie sie es sonst nicht alle Tage im B. hätte (Gotthelf, Spinne 10).

Universal-Lexikon. 2012.