Akademik

Mommsen
Mọmmsen,
 
1) Hans, Historiker, * Marburg 5. 11. 1930, Urenkel von 2), Sohn von 3), Bruder von 4); wurde 1968 Professor für neuere Geschichte in Bochum. Mommsen befasst sich v. a. mit der Geschichte der Arbeiterbewegung und der Sozialdemokratie, darüber hinaus mit der Weimarer Republik und dem Nationalsozialismus; ab 1986 arbeitete er an einem Forschungsprojekt zur Geschichte des Volkswagenwerks im Dritten Reich.
 
Werke: Die Sozialdemokratie und die Nationalitätenfrage im habsburgischen Vielvölkerstaat (1963); Beamtentum im Dritten Reich (1966); Arbeiterbewegung und nationale Frage (1979); Die verspielte Freiheit. Der Weg der Republik von Weimar in den Untergang 1918 bis 1933 (1989); Widerstand und politische Kultur in Deutschland und Österreich (1994); Das Volkswagenwerk und seine Arbeiter im Dritten Reich 1933-1948 (1996, mit M. Grieger).
 
Ausgabe: Der Nationalsozialismus und die deutsche Gesellschaft, herausgegeben von L. Niethammer und B. Weisbrod (1991).
 
 2) Theodor, Historiker, * Garding 30. 11. 1817, ✝ Charlottenburg (heute zu Berlin) 1. 11. 1903, Großvater von 3), Urgroßvater von 1) und 4); Pfarrerssohn, studierte in Kiel Jura und Philologie und hielt sich 1844-47 in Italien auf. Frühzeitig an den politischen Bewegungen seiner Zeit interessiert, nahm er 1848 als Redakteur in Rendsburg an der Märzrevolution teil. Im gleichen Jahr wurde er aufgrund seiner ersten Arbeiten zum römischen Recht Professor in Leipzig, aber 1850 wegen seiner Kritik an der sächsischen Regierung entlassen. 1852 wurde Mommsen Professor des römischen Rechts in Zürich, 1854 in Breslau, 1858 Beamter (später Sekretär) der Preußischen Akademie der Wissenschaften und 1861 Professor der alten Geschichte in Berlin.
 
Der Jurist und Epigraphiker erwies sich in seiner »Römischen Geschichte« (Band 1-3, 1854-56, Band 5, 1885; mehr nicht erschienen), für die er als erster Deutscher 1902 den Nobelpreis für Literatur erhielt, als Meister der Kritik und der Darstellung; in ihrem Mittelpunkt stand die Verherrlichung Caesars und der römischen Militärmonarchie (als eines starken nationalen Staates auf breiter Volksbasis). Mommsens Name ist mit zahlreichen Untersuchungen und Editionen, v. a. aber mit der großen Sammlung der lateinischen Inschriften (»Corpus Inscriptionum Latinarum«, 1863 ff.) verknüpft, die er ins Leben rief und bis zu seinem Tod betreute, sowie mit dem monumentalen »Römischen Staatsrecht« (1871-88, 3 Bände in 5 Teilen), das er selbst als seine bedeutendste Leistung ansah (ferner: »Römisches Strafrecht«, 1899). Geprägt durch die Eindrücke der 1840er-Jahre, stand Mommsen auf der Seite der bürgerlichen Linken, politisch war er Gegner der Konservativen, aber auch zurückhaltend gegenüber allzu radikalen demokratischen Strömungen. 1863-66 (für die Deutsche Fortschrittspartei) und 1873-79 (als Nationalliberaler) war er Mitglied des Preußischen Landtags, 1881-84 (als Sezessionist) des Reichstags. Als scharfer Gegner der Politik Bismarcks und des Antisemitismus H. Treitschkes betrachtete Mommsen seit dem Ende der 1870er-Jahre mit wachsender Sorge die innere Entwicklung Deutschlands.
 
Ausgaben: Reden und Aufsätze (1905); Gesammelte Schriften, 8 Bände (21965).
 
Literatur:
 
L. Wickert: T. M. Eine Biogr., 4 Bde. (1959-80);
 J. C. Fest: Wege zur Gesch. Über T. M., Jacob Burckhardt u. Golo Mann (Zürich 21993).
 
 3) Wilhelm, Historiker, * Berlin 25. 1. 1892, ✝ Marburg 1. 5. 1966, Enkel von 2), Vater von 1) und 4); war seit 1929 Professor in Marburg.
 
Werke: Richelieu, Elsaß und Lothringen (1922); Größe und Versagen deutschen Bürgertums (1949); Deutsche Parteiprogramme (1951); Geschichte des Abendlandes von der französischen Revolution bis zur Gegenwart 1789-1945 (1951); Bismarck. Ein politisches Lebensbild (1959).
 
 4) Wolfgang J., Historiker, * Marburg 5. 11. 1930, Urenkel von 2), Sohn von 3), Bruder von 1); wurde 1968 Professor für neuere und neueste Geschichte in Düsseldorf. Mommsen war 1977-85 Direktor des Deutschen Historischen Instituts in London und 1988-92 Vorsitzender des Verbandes der Historiker Deutschlands. Schwerpunkt seiner Arbeit ist die Imperialismusforschung.
 
Werke: Das Zeitalter des Imperialismus (1969; Fischer Weltgeschichte, Band 28); Die Geschichtswissenschaft jenseits des Historismus (1971); Imperialismustheorien (1977); Der europäische Imperialismus (1979); Nation und Geschichte. Über die Deutschen und die deutsche Frage (1990); Das Ringen um den nationalen Staat (1993); Großmachtstellung und Weltpolitik (1993); Bürgerstolz und Weltmachtstreben. Das Wilhelminische Deutschland 1850-1918 (1995).
 
Herausgeber: Max Weber and his contemporaries (1987, mit J. Osterhammel).

Universal-Lexikon. 2012.