Vịscher
[f-], Nürnberger Erzgießerfamilie. Bedeutend v. a.:
1) Hans, * Nürnberg um 1489, ✝ Eichstätt 8. 9. 1550, Sohn von 4), Bruder von 3) und 5), Enkel von 2); übernahm 1529 die Werkstatt seines Vaters. Er schuf v. a. Grabmäler (Doppelgrabmal der Kurfürsten Johann Cicero und Joachim I. Nestor im Berliner Dom, 1530), ferner Statuetten sowie den Wenzelsleuchter im Prager Dom (1534) und vollendete 1536-40 nach dem Entwurf seines Bruders Hermann des Jüngeren das ursprünglich für die Fuggerkapelle in Augsburg vorgesehene Gitter, das im Nürnberger Rathaus aufgestellt wurde (vier Reliefs erhalten: Annecy, Musée Léon Marès, Château de Montrottier).
2) Hermann, der Ältere, begraben Nürnberg 13. 1. 1488, Vater von 4), Großvater von 1), 3) und 5); Stammvater der Erzgießerfamilie, ab 1453 in Nürnberg nachweisbar, wo er die Vischersche Gießhütte begründete. Sein einziges gesichertes Werk ist das Taufbecken in der Stadtkirche von Wittenberg (1457).
3) Hermann, der Jüngere, * Nürnberg um 1486, ✝ ebenda 1. 1. 1517, Sohn von 4), Bruder von 1) und 5), Enkel von 2); unternahm 1515 eine Italienreise, von der er Architekturzeichnungen mitbrachte (zum Teil Paris, Louvre). Er arbeitete mit seinem Bruder Peter dem Jüngeren am Sebaldusgrab in der Kirche Sankt Sebald in Nürnberg (architektonische Teile), ferner entwarf er ein für die Fuggerkapelle in Augsburg in Auftrag gegebenes Gitter (um 1515, vollendet von seinem Bruder Hans).
4) Peter, der Ältere, * Nürnberg um 1460, ✝ ebenda 7. 1. 1529, Sohn von 2), Vater von 1), 3) und 5); Schüler seines Vaters, dessen Gießhütte er übernahm und zu internationaler Bedeutung führte. In seiner Frühzeit schuf er v. a. Grabplatten, die er nicht nur nach eigenen Modellen anfertigte. Ein Meisterwerk unter ihnen ist das Grabmal des Erzbischofs Ernst von Sachsen (* 1464, ✝ 1513) im Magdeburger Dom (um 1495). In Nürnberg arbeitete er - nach einem 1. Entwurf (1488; Wien, Akademie der bildenden Künste) einem 2. Entwurf folgend - ab 1507 mit seinen Söhnen Peter dem Jüngeren und Hermann dem Jüngeren am Sebaldusgrab für die Kirche Sankt Sebald, dem Hauptwerk der Vischer-Hütte. Der Entwurf von 1488 ist eine fantastische Übersteigerung spätgotischer Architekturformen, von dem für das ausgeführte Werk v. a. die Grundform des Pfeilerbaus mit Apostelstatuetten übernommen wurde. Die turmartigen Bekrönungen sind durch gedrängte Baldachinkuppeln ersetzt. Am Unterbau, der den Schrein des Heiligen trägt, erscheint neben den Reliefs der Sebalduslegende Vischers Selbstbildnis. Die Fülle der allegorisch-mythologischen Darstellungen an Sockel und Baldachin, die Leuchterweibchen und antiken Architekturformen werden seinen Söhnen zugeschrieben, die das Werk 1519 (nach Unterbrechung 1512-14) vollendeten. Für das Maximiliansgrab in Innsbruck schuf Vischer zwei überlebensgroße Bronzestandbilder von Theoderich dem Großen und König Artus (1512/13), vielleicht nach Entwürfen von A. Dürer.
5) Peter, der Jüngere, * Nürnberg 1487, ✝ ebenda 1528; Sohn von 4), Bruder von 1) und 3), Enkel von 2); schuf unter dem Einfluss der italienischen Renaissance, die er wohl 1512-14 in Oberitalien kennen gelernt hatte, den reichen figürlichen Schmuck des Sebaldusgrabes. Er ist der erste bedeutende deutsche Kleinplastiker (Medaillen, Plaketten, Tintenfässer). Als letztes Werk schuf er das Grabmal Friedrichs III., des Weisen, in der Wittenberger Schlosskirche (1527); auch Zeichnungen, Holzschnitte und Entwürfe für Glasfenster.
H. Stafski: Der jüngere P. V. (1962).
Vịscher
[f- ], Friedrich Theodor von (seit 1870), Schriftsteller und Philosoph, * Ludwigsburg 30. 6. 1807, ✝ Gmunden 14. 9. 1887; Sohn eines Pfarrers; war, nach dem Studium der Theologie und Philosophie, kurze Zeit Vikar, danach Privatdozent für Philosophie und Ästhetik, ab 1837 Professor in Tübingen; 1848 liberaler Abgeordneter in der Frankfurter Nationalversammlung, 1855 Professor am Züricher, ab 1866 am Stuttgarter Polytechnikum. - Vischers Aufsätze und Reden, gesammelt in »Kritische Gänge« (2 Bände, 1844; Neue Folge 6 Bände, 1860-73), weisen ihn als streitbaren, wortgewaltigen Publizisten aus, der die gesamte zeitgenössische Kultur souverän zu charakterisieren vermochte. In seinem philosophischen Hauptwerk, »Die Aesthetik, oder Wissenschaft des Schönen« (9 Teile und Registerband, 1846-58), systematisierte er, aufbauend auf G. W. F. Hegel, das Schöne als Mittel der Welterkenntnis. Zu Vischers umfangreichem, weit wirkendem Werk gehören die (anonym erschienenen) kulturkritischen »Epigramme aus Baden-Baden« (1867), unter dem Pseudonym Deutobold Symbolizetti Allegoriowitsch Mystifizinsky veröffentlichte er die Parodie »Faust. Der Tragödie dritter Theil« (1862, stark verändert 1886); der Mensch im Kampf mit der Tücke des Objekts ist Thema des durch meisterhafte Charakterisierung ausgezeichneten grotesken Romans »Auch Einer« (2 Bände, 1879); seine Gedichte erschienen 1882 unter dem Titel »Lyrische Gänge«.
Weitere Werke: Ueber das Erhabene und Komische (1837); Altes und Neues, 3 Teile (1881-82, Neue Folge 1889).
Ausgaben: Dichter. Werke, 5 Bände (1917); Ausgewählte Werke, herausgegeben von T. Kappstein, 3 Bände (1920); Freiheit des Geistes. Eine Auswahl aus seinem Gesamtwerk und den Briefen, herausgegeben von F. G. Brustgi (1976).
F. Schlawe: F. T. V. (1959);
W. Göbel: F. T. V. Grundzüge seiner Metaphysik u. Ästhetik (1983);
H. Schneider: Historik u. Systematik. F. T. V.s Bemerkungen zur Kunst u. Theorie der Künste im neunzehnten Jh. (1996).
Universal-Lexikon. 2012.