Me|di|en|po|li|tik 〈f.; -; unz.〉 Politik hinsichtlich der Massenmedien Presse, Rundfunk u. Fernsehen
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Me|di|en|po|li|tik, die:
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Medi|enpolitik,
Maßnahmen und Handlungen, die in einem politischen Sinn auf die Organisation, Funktionsweisen und -abläufe von (Massen-)Medien, die Ausgestaltung von Medieneinrichtungen, -angeboten und -distributionsprozessen sowie auf die materielle und personelle Ausstattung der Medien und die Beeinflussung von Rezeptionsvorgängen zielen. Eine zentrale Rolle spielen die Definition und Ausgestaltung der Rahmenbedingungen des Medienbereichs (gesetzliche Grundlagen, Rundfunkordnungen, Pressegesetze u. a.). Die Medienpolitik gilt als ein Teilbereich der Kommunikationspolitik, die das Kommunikationssystem als Ganzes (Individual- und Massenkommunikation) zum Gegenstand hat.
Zu den Akteuren der Medienpolitik gehören in einer pluralistischen Gesellschaft Legislativ-, Exekutiv- und Judikativorgane auf allen Ebenen, ferner die politischen Parteien, Kirchen, Gewerkschaften, Wirtschaftsverbände und Industrieunternehmen, nicht zuletzt die Medienwirtschaft selbst, die Interessenverbände der am Medienprozess Beteiligten (z. B. Journalistenverbände) und schließlich die Rezipienten, die sich als Einzelne (Leserzuschriften), als Mitglieder sozialer Gruppen (z. B. Verbände, Fanklubs) oder durch Ad-hoc-Initiativen (Unterschriftenaktionen) darum bemühen, die Politik zu beeinflussen. Für alle Akteure gilt dabei eine doppelte Zielsetzung: einerseits die dauerhafte Gestaltung und eindeutige, allgemein gültige Regelungen auf dem Mediensektor, andererseits die Durchsetzung je besonderer Absichten und Interessen.
Geschichtliches:
Auch wenn sich Medienpolitik in einem ausdrücklichen Sinn erst mit der Entstehung und Verbreitung der Massenmedien formuliert findet, setzte die politische Bezugnahme auf Medien und Meinungen schon wesentlich früher ein. Bereits die politische Dimension der Flugschriftenliteratur seit der Reformation erforderte politisches Handeln, das sich zunächst im Wesentlichen auf die Teilnahme an der Produktion und dem Vertrieb von Pamphleten richtete, zugleich aber auch rechtliche und damit politische Regelungen verlangte. Mit der Ausgestaltung des Zentralstaats in Frankreich, ersten Schritten zu einer liberalen pluralistischen Öffentlichkeit und den Vorformen des Parteienwesens im England des 18. Jahrhunderts entstanden weitere Bereiche medienpolitischer Aktivitäten. Im Kampf um Publikations- und Pressefreiheit und in den Auseinandersetzungen um staatliche Zensur und gesellschaftskritische Literatur werden zwei Tendenzen sichtbar, die bis zur Gegenwart weiterwirken: das Bemühen der jeweiligen Machthaber um die Instrumentalisierung der Medien im Sinne des Machterhalts und das Bestreben der an der Macht nicht Beteiligten um eine jeweils andere Medienordnung, durch die Gesellschaftsverhältnisse und Machtverteilung in ihrem Sinne verändert werden könnten. Schließlich bildete sich im bürgerlich-liberalen Gesellschafts- und Politikmodell die Vorstellung allgemein verbindlicher Grundstandards heraus, die den politischen Kampf um Medien gewährleisten, absichern und eingrenzen sollen (z. B. Gewährleistung der Meinungs-, Presse- und Informationsfreiheit in Art. 5 GG).
Die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland stellt insoweit einen medienpolitischen Neuansatz dar, als in ihr zunächst - auch unter dem Einfluss der Alliierten nach 1945 - ein öffentlich-rechtliches Mediensystem im marktwirtschaftlichen Rahmen geschaffen wurde. Dabei sind die medienpolitischen Interventionsmöglichkeiten je nach Medienbereich unterschiedlich ausgeprägt: Medien- beziehungsweise kulturpolitische Förderprogramme und die Gesetzgebung im Post- und Fernmeldewesen gehören zu den Aufgaben des Bundes (Art. 73 GG), daneben bestehen die Kulturhoheit der Länder, die sich v. a. in der Rundfunkorganisation widerspiegelt, und die privatwirtschaftliche Organisation der Presse, der sonstigen Druckerzeugnisse, der Computersoftware, der Tonträger und des Videoangebots, die lediglich den allgemeinen rechtlichen Rahmenbedingungen (StGB, BGB) unterliegen, mit Ausnahme der für das Pressewesen bestehenden Sonderregelungen (Kartellgesetze, Landespressegesetze, Tendenzschutzbestimmungen u. a.).
Schwerpunkte der Medienpolitik:
Bis Mitte der 1970er-Jahre dominierte die Auseinandersetzung um das Pressewesen die Medienpolitik in der BRD. Den Folgen einer aufgrund der wirtschaftlichen Rezession in der 2. Hälfte der 60er-Jahre verstärkt einsetzenden Pressekonzentration wollte man vornehmlich mit drei Instrumenten begegnen: Fusionskontrolle (Marktanteilsbegrenzung), Finanzhilfen für die Presse und Regelung der »inneren Pressefreiheit«. Zur systematischen Beobachtung der Presselandschaft wurde 1975 eine amtliche Pressestatistik ins Leben gerufen. Daneben wurde auf der Basis von Stichtagsbefragungen ein differenziertes Indikatorensystem entwickelt, das eine kontinuierliche und langfristige Beobachtung struktureller Veränderungen gestattet (Zeitungsdichte, Ein-Zeitungs-Kreise usw.). Der Versuch eines pressespezifischen Mitbestimmungsgesetzes ist an politischen, praktischen und rechtlichen Problemen gescheitert. Ziel war hierbei, die innere Ordnung von Presseunternehmen (und Rundfunkanstalten) so zu reformieren, dass trotz des fortschreitenden »Zeitungssterbens« innerhalb der einzelnen Redaktionen Meinungsvielfalt gewährleistet bleibt.
Mit der Entwicklung und Einführung neuer Übertragungstechniken (Breitbandkabelnetze, Fernmeldesatelliten) hat sich der Schwerpunkt der Medienpolitik auf den Rundfunkbereich verlagert. Das Bundesverfassungsgericht, dessen Rechtsprechung maßgeblich die »Konturen der deutschen Rundfunkverfassung« geprägt hat (»Fernsehurteile«), verband die Durchführung von Rundfunk mit strengen Auflagen (Binnenpluralismus) und hat später aufgrund veränderter technischer Rahmenbedingungen das Modell des Außenpluralismus entwickelt. Die medienpolitische Kontroverse um die Erprobung eines Nebeneinanders öffentlich-rechtlich und privat-kommerziell organisierten Rundfunks in Modellversuchen (Kabelpilotprojekt Ludwigshafen 1984) endete mit der Konstituierung eines dualen Rundfunksystems. Hierin wird eine Bestands- und Entwicklungsgarantie des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (Grundversorgung, Aufrechterhaltung inhaltlicher Standards, Wahrung der Meinungsvielfalt) ergänzt durch die Zulassung privaten Rundfunks. Die Vielfalt des Programmangebots soll hier durch die Vielzahl der Programmanbieter gewährleistet sein. Diese werden durch öffentlich-rechtliche Aufsichtsorgane (Landesmedienanstalten) kontrolliert. Damit bleibt auch die Rundfunkhoheit der Bundesländer gewahrt.
Mit der Entwicklung neuer Informations- und Kommunikationstechnologien und dem Weg in die Informationsgesellschaft weitet sich das potenzielle Handlungsfeld der Medienpolitik aus. Dadurch, dass die Nutzung und das Angebot im Bereich der neuen Medien privatisiert und individualisiert, zugleich aber internationalisiert werden, stehen die Probleme der ordnungspolitischen Steuerung und Kontrolle der Medienentwicklung im Vordergrund einer europaweit ausgerichteten Medienpolitik, ebenso Probleme des Wettbewerbs und der technischen, wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung des Mediensektors sowie der erheblichen Gestaltungsspielraum von Einzelpersönlichkeiten (»Medienzaren«) und Konzernen. Weltweit, besonders in Asien, Lateinamerika und Afrika, stehen weiterhin die Abwehr von Zensurmaßnahmen, die Kritik an der Instrumentalisierung von Medien zu Propagandazwecken und das Problem der Grundversorgung der Bevölkerung mit Medienangeboten an erster Stelle der medienpolitischen Diskussion.
F. Ronneberger: Kommunikationspolitik, 3 Bde. (1978-86);
F. Ronneberger: Kommunikationspolitik als M. (1986);
H. Bausch: Rundfunkpolitik nach 1945, 2 Bde. (1980);
H. Schatz u. a. in: Politik in der Bundesrep. Dtl., hg. v. K. von Beyme u. a. (1990);
H. Heinrich: Dt. M. (1991);
G. G. Kopper: Medien- u. Kommunikationspolitik der Bundesrep. Dtl. (1992);
Fünf vor zwölf. Standortfragen der Medienregion als Herausforderung für M. u. Medienwirtschaft, hg. v. C. Mast (1993);
H. J. Kleinsteuber u. T. Rossmann: Europa als Kommunikationsraum. Akteure, Strukturen u. Konfliktpotentiale in der europ. M. (1994);
EMR-Dialog Europ. M. im Licht der Maastricht-Entscheidung, Beitrr. v. K. Bohr u. a. (1995);
J. Tonnemacher: Kommunikationspolitik in Dtl. (1996).
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Universal-Lexikon. 2012.