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Strukturpolitik
Struk|tur|po|li|tik 〈f.; -; unz.〉 Politik, die einen Ausgleich in der wirtschaftl. Entwicklung für benachteiligte Bereiche od. Regionen erstrebt

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Struk|tur|po|li|tik, die:
aus wirtschaftspolitischen Maßnahmen zur Verbesserung der wirtschaftlichen Struktur bestehende Politik des Staates.

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Strukturpolitik,
 
die Gesamtheit der wirtschaftspolitischen Maßnahmen zur Beeinflussung der Strukturdaten einer Volkswirtschaft. Da zu diesen Daten neben der Struktur der Erwerbsbevölkerung, der Struktur der Produktion und der Beschäftigung nach Wirtschaftszweigen und Regionen auch der Stand der Entwicklung von Technik und Wissenschaft, die natürlichen Gegebenheiten, die Infrastruktur und die Ausstattung mit Produktionsfaktoren, die rechtliche Ordnung sowie die Einkommens- und Vermögensverteilung zählen, haben nahezu alle wirtschafts-, bildungs-, verkehrs- und sozialpolitische Maßnahmen strukturpolitische Effekte. Insofern sind auch Abgrenzungen zu anderen Politikfeldern wie Industrie-, Gewerbe-, Mittelstands-, Existenzgründungs-, Forschungs-, Technologie-, Beschäftigungs- und Sozialpolitik schwierig.
 
Grundsätzlich wird unterschieden zwischen Maßnahmen zur Beeinflussung vornehmlich der räumlichen (regionalen) Wirtschaftsstruktur (regionale Strukturpolitik, Regionalpolitik) und Maßnahmen vornehmlich zur Beeinflussung der sektoralen Struktur einer Volkswirtschaft (sektorale Strukturpolitik, sektorale Wirtschaftspolitik). Die strukturpolitischen Maßnahmen umfassen v. a. Subventionen (z. B. Anpassungshilfen, Investitionszuschüsse, Zinssubventionen, Bürgschaften, Finanzhilfen für Forschungsvorhaben und Innovationen, Lohnkostenzuschüsse), Steuervergünstigungen (z. B. Sonderabschreibungen), Behinderung von Importen durch Zölle, Kontingente und andere nichttarifäre Handelshemmnisse, Subventionierung von Exporten, wettbewerbspolitische Maßnahmen (z. B. Erlaubnis von Preis- und Strukturkrisenkartellen, Festsetzung von staatlich administrierten Preisen oberhalb der Marktpreise mit staatlichem Ankauf des Angebotsüberhangs), arbeitsmarktpolitische Maßnahmen (z. B. Förderung der beruflichen Mobilität), Eingriffe in das Privateigentum an Produktionsmitteln (z. B. Verstaatlichung von Krisenunternehmen oder -branchen, vorübergehende Beteiligung an Privatunternehmen, Privatisierung vormals öffentlicher Unternehmen) und staatliche Investitionslenkung (Investition). Träger der Strukturpolitik können Bund, Länder oder Gemeinden sein. Teilweise werden besondere Institutionen mit strukturpolitischen Aufgaben betraut (z. B. ERP-Sondervermögen, Wirtschaftsförderungsgesellschaften) sowie Strukturwandel und Strukturpolitik einer wissenschaftlichen Analyse unterzogen (Strukturberichterstattung). Eine zunehmende Bedeutung kommt der Strukturpolitik im Rahmen der EU zu (Europäische Strukturfonds).
 
Die sektorale Strukturpolitik kann darauf gerichtet sein, bestehende Strukturen zu erhalten, ihre Anpassung an die sich wandelnden Bedingungen zu erleichtern oder die künftige Wirtschaftsstruktur zu gestalten. Die Erhaltung bestehender Strukturen liegt v. a. im Interesse derer, die in tendenziell schrumpfenden Sektoren beschäftigt sind oder ihr Kapital investiert haben (z. B. Kohlebergbau, Landwirtschaft). Partikuläre Interessen können jedoch eine Erhaltungspolitik nicht rechtfertigen; vielmehr muss ein gesamtwirtschaftliches Interesse vorliegen. Dies kann z. B. die Versorgungssicherheit (von Einfuhren unabhängige Versorgung mit Energie und Nahrungsmitteln) sein, kurzfristig auch die Sicherung von Arbeitsplätzen oder bestimmten Einkommen. Die Vorteile dieser Sicherheit sind jedoch den Kosten der Erhaltungspolitik gegenüberzustellen.
 
Die Anpassung einzelner Sektoren an den gesamtwirtschaftlich erforderlichen Strukturwandel zu erleichtern und damit v. a. soziale Härten abzuschwächen, ist gerechtfertigt, weil vom Strukturwandel alle profitieren, aber nur ein Teil negativ betroffen wird: Wenn ein Sektor schrumpft oder stagniert (z. B. Textilindustrie, Schiffbau), dann verlieren Teile der dort Beschäftigten ihren Arbeitsplatz (strukturelle Arbeitslosigkeit) und einige der Kapitaleigner Teile ihres Kapitals. Diesen negativ Betroffenen kann durch Anpassungsinterventionen geholfen werden (z. B. Umschulung oder Weiterbildung für Beschäftigte, Gründung von Beschäftigungsgesellschaften, Finanzhilfen zum Abbau von Überkapazitäten für Unternehmen). In den Bereich der Anpassungspolitik fallen aber auch Maßnahmen zur Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit gefährdeter Branchen (z. B. Investitionshilfen für Rationalisierungen, für Modernisierungen von Produktionsanlagen beziehungsweise Produktpaletten).
 
Die Gestaltung künftiger Strukturen wird auch als vorausschauende Strukturpolitik bezeichnet und kann z. B. in Form direkter staatlicher Investitionslenkung oder Subventionierung als zukunftsträchtig geltender Branchen oder Aktivitäten (z. B. Luft- und Raumfahrt, Elektronik, Umwelt- und Energietechnik) umgesetzt werden. Eine vorausschauende Strukturpolitik setzt voraus, dass die Träger der Wirtschaftspolitik entweder über Informationen und Kenntnisse verfügen, die ihnen eine bessere Vorausschau künftig erforderlicher Strukturen ermöglichen als den privaten Unternehmen, die durch ihre Investitionsentscheidungen die sektorale Struktur im Wesentlichen gestalten, oder dass sie die vorhandenen Informationen und Kenntnisse frühzeitiger umsetzen als die kurzfristiger orientierten privaten Unternehmen. Für die Erfüllung der ersten Bedingung gibt es zumindest folgendes Argument: Die Träger der Wirtschaftspolitik können in geeigneten Beratungsgremien die Informationen und Einschätzungen aller oder vieler der in dem jeweiligen Sektor tätigen Unternehmen bündeln und dadurch den allgemeinen Erkenntnisstand erhöhen. Die zweite Voraussetzung kann erfüllt sein, weil langfristig erwartete Entwicklungen unsicher sind, sodass es für die Unternehmen zu risikoreich ist, schon heute Kapital in diese Entwicklungen zu investieren. Für die wirtschaftspolitischen Instanzen fällt dieses finanzielle Risiko weniger ins Gewicht, da sie nicht ihr eigenes Geld oder das Geld ihrer Kreditgeber einsetzen, sondern das der Steuerzahler. Sie tragen allerdings das politische Risiko, dass ihnen teure Fehlinvestitionen angelastet werden. Wegen zahlreicher spektakulärer Fehlschläge hat sich in der Strukturpolitik das Schwergewicht von der Förderung ausgewählter Projekte auf eine generelle Förderung von Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten sowie von Unternehmensgründungen verlagert. Eine solche Forschungs- und Technologiepolitik beziehungsweise staatliche Förderung von Innovationen bedeutet jedoch, dass auf die Gestaltung künftiger sektoraler Strukturen verzichtet wird, denn die sektorale Ausrichtung der geförderten Aktivitäten wird dabei den Unternehmen überlassen.
 
Letztlich ist eine Beeinflussung oder Lenkung des wirtschaftlichen Strukturwandels durch den Staat als Ergänzung zur Konjunktur- und besonders zur Beschäftigungspolitik ordnungspolitisch umstritten: Im marktwirtschaftlichen Modell wird der Strukturwandel den Marktkräften überlassen. In der Diskussion um Markt- und Staatsversagen wird aber in einer sozialen Marktwirtschaft zumindest die »soziale Abfederung« der negativen Folgen des Strukturwandels als Aufgabe des Staates angesehen.
 
Literatur:
 
R. Gomez Pomeri: Von der Stabilitäts- zur positiven Strukturanpassungspolitik (1993);
 M. do R. de Matos da Silva Almeida Rozek: Die Entwicklung der S. in den EG (1995);
 B. Fabian: EU-S. in Dtl. 1994-1999 (1996);
 H.-R. Peters: Sektorale S. (21996);
 E. Hödl u. A. Weida: Die S. der EU (1997).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
Strukturpolitik: Industriepolitik
 
Wirtschaftsstruktur: Grundlagen
 

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Struk|tur|po|li|tik, die: wirtschaftspolitische Maßnahmen des Staates, die der Verbesserung der wirtschaftlichen Struktur dienen sollen.

Universal-Lexikon. 2012.